Der Aufstieg von Anja Hajduk (Grüne) und Metin Hakverdi (SPD) in den Bundestag löst in ihren Bürgerschaftsfraktionen einige Probleme aus. Bei den Grünen setzte eine Personalrochade ein.
In dem Science-Fiction-Klassiker „Per Anhalter durch die Galaxis“ rechnet der größte Computer aller Zeiten 7,5Millionen Jahre lang, bis er die Antwort auf die Frage aller Fragen, nach dem Sinn des Lebens und überhaupt ausspuckt: 42. Einfach nur 42. Seit dem Erscheinen der Geschichte vor mehr als 30Jahren gehen bei Wahrsagern, Sternendeutern und Verschwörungstheoretikern alle Lampen an, wenn sie diese Zahl hören. Vielleicht sollten sie an dieser Stelle nicht weiterlesen, denn eigentlich geht es nur um Politik.
Aber ein merkwürdiger Zufall ist es schon, dass von 121 Bürgerschaftsabgeordneten mit Anja Hajduk (Grüne) und Metin Hakverdi (SPD) ausgerechnet die beiden in den Bundestag gewählt wurden, die im Handbuch der Bürgerschaft zusammen auf einer Seite präsentiert werden – Seite 42. Irgendein Science-Fiction-Hokuspokus findet sich hinter dem Vorgang zwar beim besten Willen nicht, aber tatsächlich löst der Abschied der beiden Politiker deutlich mehr aus, als auf den ersten Blick erkennbar ist.
So ist Hajduk seit mehr als 15 Jahren eine der herausgehobenen Figuren der Grünen – als Bürgerschaftsabgeordnete, als Haushaltsexpertin im Bundestag, als Senatorin für Umwelt und Stadtentwicklung und seit 2011 wieder als Abgeordnete in Hamburg mit Spezialgebiet Finanzpolitik. Die 50-Jährige vermag wie nur wenige Politiker eine Debatte mit klugen Argumenten und strategischen Überlegungen zu prägen – intern wie öffentlich. Wenn die leidenschaftliche Sängerin in der Bürgerschaft energischen Schrittes ans Mikrofon tritt, ist ihr die Aufmerksamkeit gewiss, auch von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der diese Ehre nicht jedem Abgeordneten ungeteilt erweist.
Mit anderen Worten: Hajduk wird den Grünen fehlen. Martin Bill, ein junger Rechtsanwalt aus Winterhude, der für sie nachrückt, wird diese Lücke so schnell nicht schließen können. Daher setzt eine kleine Personalrochade ein: Um Hajduks Posten als stellvertretende Fraktionsvorsitzende bewirbt sich Wissenschaftsexpertin Eva Gümbel. Die 49-Jährige ist derzeit aber Vize-Präsidentin der Bürgerschaft und wird dieses Amt aufgeben müssen – zumal es wie der Fraktions-Vize mit einer erhöhten Abgeordneten-Diät verbunden ist. Neue Vize-Präsidentin soll dann Antje Möller werden. Möglicherweise wird es das Amt, mit dem sie sich nach mehr als 20 Jahren aus dem Parlament verabschiedet – die 56-Jährige soll jedenfalls gegenüber Parteifreunden angedeutet haben, dass sie langsam an ein Leben nach der Politik denke.
Auch inhaltlich gibt es Umbesetzungen: Martin Bill soll sich um die Bereiche Umwelt und Stadtentwicklung kümmern, die bislang Fraktionschef Jens Kerstan beackert hat. Dieser übernimmt stattdessen von Hajduk die Aufgabe als Finanzexperte. Das stärkt den ohnehin sehr präsenten Kerstan noch weiter, denn die „Haushälter“ reden bei jeder wichtigen Entscheidung mit.
Der Aufstieg von Hakverdi löst in der SPD nicht ganz so viel Wirbel aus. Aber er stellt die Bürgerschaftsfraktion vor ein Problem. Denn der 44-Jährige ist der einzige Abgeordnete aus Wilhelmsburg – nicht nur der SPD, sondern aller Parteien. Und die Elbinsel nimmt in Hamburg einen Sonderstatus ein.
Nirgendwo sonst unternimmt der Senat so große Anstrengungen, um einen in der öffentlichen Wahrnehmung abgehängten Stadtteil aufzuwerten. Von der Ansiedlung der Baubehörde über den runderneuerten Bahnhof, eine Sanierungsoffensive der Saga, Gartenschau und Bauausstellung bis hin zur Verlegung der Reichsstraße reichen die Umwälzungen. Und in einigen Jahren kommt mit der Hafenquerspange auch noch eine weitere Autobahn dazu.
Es wäre zwar zu viel, zu behaupten, ein einziger Abgeordneter könne solche Entscheidungen beeinflussen. Auch betont Hakverdi, dass er ja „nicht aus der Welt“ sei und im Bundestag ja vielleicht noch mehr bewirken könne. Aber fraglich ist, ob der in Wilhelmsburg aufgewachsene und tief verwurzelte Anwalt seine wichtige Rolle als Seismograf für die Stimmung im Stadtteil so weiterspielen kann. Mehr als einmal hat er den SPD-Senat auf drohende Probleme hingewiesen – so bei der Bürgerbeteiligung zur Reichsstraße oder als die Kulturbehörde die alternativen Veringhöfe platt machen wollte, um dort den gigantischen Opernfundus zu errichten.
„Das Problem ist erkannt“, heißt es in der Fraktion. Artig wird auch betont, dass die für Hakverdi nachrückende Susanne Kielgast sich trotz ihres Wohnsitzes St. Georg bestens in Wilhelmsburg auskenne. Aber klar ist auch, dass die Insulaner fein unterscheiden zwischen Einheimischen und Zugewanderten.
Allerdings versucht die Bürgerschaftsfraktion auch, jeden Eindruck zu vermeiden, sie würde sich in die Frage einmischen, wer bei der Bezirkswahl 2014 und der Bürgerschaftswahl 2015 aus welchem Stadtteil in welches Parlament einrückt. Das werde auf regionaler Ebene entschieden.
Im Fall Wilhelmsburg heißt „regional“: von Johannes Kahrs, dem Vorsitzenden der SPD Hamburg-Mitte. Und der verhehlt nicht, dass er sich ab 2015 wieder einen Wilhelmsburger Vertreter im Rathaus wünscht: „Unser Ansatz ist es, dass jeder Stadtteil einen Bezirksabgeordneten stellen soll und jeder größere Stadtteil einen Bürgerschaftsabgeordneten.“ Wilhelmsburg ist mit gut 50.000 Einwohnern einer der größten Stadtteile. „Ich kann nichts versprechen“, sagt Kahrs, „aber in den letzten 25Jahren hat das immer geklappt.“