Die Künstler Mark Wehrmann und Till Krause konnten ihre Projekte auf der Internationalen Gartenschau verwirklichen. Das Gespräch mit den Besuchern steht dabei im Vordergrund.
Hamburg. Die meisten dieser dunklen Grabsteine auf dem Wilhelmsburger Inselpark sind noch unbeschriftet. Auf den anderen findet man keine Namen von Verstorbenen, sondern kurze Texte, die ziemlich rätselhaft erscheinen. „Menschen können mir zu festen Zeiten alles erzählen, was sie bewegt“, steht da zum Beispiel. Oder: „Meinen Hund zu einem Therapiehund ausbilden und mit ihm in unser Hospiz gehen“. Oder auch: „An- und Verkauf-Baumschule.“ Die Grabsteine stehen auf dem Gelände der igs und sind eines der beiden Kunstprojekte der Gartenschau. „Friedhof der guten Ideen“ hat der Hamburger Künstler Mark Wehrmann dieses Projekt genannt, das er im Dialog mit den Besuchern in den kommenden Wochen weiter entwickelt.
Da Wehrmann häufig vor Ort ist, kommt man schnell mit ihm ins Gespräch. Die Grabsteine sind ein starkes Symbol und werfen Fragen auf. „Nein, nicht um Menschen geht es hier, sondern um gute Ideen, von denen sich jemand verabschieden musste“, erklärt er einem verblüfften Besucher, der sich im Garten der Religionen wähnte.
Hier geht es aber nicht um Transzendenz, sondern um diesseitige Ideen, die man gern verwirklicht hätte, die aber aus irgendeinem Grund gescheitert sind. Das können Geschäftsideen oder Erfindungen sein, nur keine abstrakten Vorstellungen. Oft dauern die Gespräche eine halbe Stunde und mitunter auch sehr viel länger. Wehrmann hört zu, fragt nach und ist manchmal auch bewegt, wenn er sehr persönliche Dinge zu hören bekommt. Auf einem der Grabsteine steht: „Zuhause mit ihm ein Café führen, solange es noch geht.“ Offenbar ging es nicht mehr, eine traurige Geschichte steckt dahinter. Bevor ein Grabstein tatsächlich eine Inschrift erhält, sind einige Hürden zu überwinden. „Man muss bereit sein, seine Idee öffentlich zu machen. Man gibt auch sein Eigentumsrecht auf und eröffnet anderen die Möglichkeit, sie vielleicht doch noch zu verwirklichen. Ich habe zum Beispiel gehört, wie Gärtner ernsthaft darüber diskutierten, ob eine An- und Verkauf-Baumschule unter bestimmten Bedingungen doch funktionieren könnte“, sagt Mark Wehrmann.
Wenn sich ein Besucher tatsächlich dazu entschließt, eine Idee zu „beerdigen“, wird nach einer Formulierung gesucht, die dann der Wilhelmsburger Steinmetz Rüdiger Eckert in den Stein meißelt. Auch nach Abschluss der igs soll der „Friedhof der gute Ideen“ als poetischer Ort und als Kunst im öffentlichen Raum erhalten bleiben.
Für die Auswahl der Kunstprojekte hatte die igs in Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde einen zweistufigen Wettbewerb ausgelobt, an dem sich prominente Künstler wie Mariella Mosler und die Wiener Gruppe WochenKlausur beteiligt hatten. „Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass die Kunstprojekte nicht einfach dastehen, sondern die Besucher der igs einbeziehen und zur Auseinandersetzung anregen“, sagt Charlotte Brinckmann, die das Projekt als Kuratorium von Anfang an begleitet hat. Außerdem sei es ihr um Positionen gegangen, in denen die Künstler im Team arbeiten. An Wehrmanns Projekt ist nicht nur Rüdiger Eckert beteiligt, sondern auch die Geschichtsvermittlerin Frauke Steinhäusser.
Durchgesetzt hat sich neben Mark Wehrmann der Hamburger Konzeptkünstler Till Krause mit seinem Projekt „Freie Flusszone Süderelbe“, die direkten Bezug zum Standort der igs nimmt. Krause ist ein international erfolgreicher Konzeptkünstler, der sich mit Landschaftskunst beschäftigt. „Ich schätzte selbst ermächtigte Aufgabenfelder. Als Künstler muss ich nicht an die bestehenden Regeln glauben, sondern kann sie auch infrage stellen“, sagt Krause, der ebenso hypothetisch wie ernsthaft die Schließung der Süderelbe für den Schiffsverkehr durchspielt. Auf der igs steht ein Bauwagen, an dem ein großes Panorama-Luftbild der Elbregion hängt, in der Krauses „Freie Flusszone Süderelbe“ rot markiert ist. Das ist ein Hingucker, der die igs- Besucher direkt anspricht. Wo sind wir hier? Wo ist unser Wohngebiet? Was ist hier geplant? Diese Fragen greift Till Krause auf, um im Gespräch seine Vision zu erläutern. Wie kann man ungeachtet angeblicher oder tatsächlicher Sachzwänge eine naturnahe Perspektive für den zurzeit hochtechnisierten Fluss entwickeln? Was würde konkret passieren, wenn die Süderelbe in eine Auenlandschaft zurückverwandelt würde?
Um das den Gartenschau-Besuchern vor Augen zu führen, hat Krause seinen New Yorker Kollegen Bob Braine einbezogen und ihn darum gebeten, eine Art Versuchsanordnung zu bauen. Daraus ist direkt neben dem Schöpfwerk Kuckuckshorn „Pet Estuary“ entstanden, eine Skulptur der besonderen Art. In einem Betonbecken, das eigentlich wie der Außenbereich des in den 1970er-Jahren entstandenen Schöpfwerks anmutet, hat der amerikanische Künstler eine künstliche Mini-Auenlandschaft geschaffen, mit Tiedenhub und vielen seltenen Pflanzen, die aus der Elbe meistens schon verschwunden sind, sich hier aber ihren Lebensraum zurückerobern.
Aktuelle Infos zu den Kunstprojekte auf www.igs-hamburg.de/gartenschau/kunstprojekte-igs-2013/