Zwei Schaustellerfamilien vom Hamburger Frühlingsdom berichten von ihrem „fahrenden Leben“ und der Liebe zu ihrem Beruf.

Hamburg. Lautes Schleifen und Klopfen schallt durch die Budengassen auf dem Heiligengeistfeld. Lkw liefern letzte Kunststoff-Dinosaurier an, mobile Baukräne heben Metallgitter für Riesenrad und Wellenreiter. Einen Tag vor der Eröffnung des Frühlingsdoms gibt es noch alle Hände voll zu tun.

Der Hamburger Dom gehört zur Hansestadt, längst schon so wie der Michel. Dreimal im Jahr lockt das größte norddeutsche Volksfest mit seinen Fahr- und Spielgeschäften Besucher aus ganz Deutschland und aller Welt. Doch wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen aus?

Am Poffertjes-Stand „Little Food“ schraubt Georg Lorenz die letzten Lichtgirlanden an die Außenwand. Seine Frau putzt gerade Tresen und Regale blitzeblank. Ihr dreijähriger Sohn spielt nur wenige Stände weiter bei einer Bekannten. „Unsere Kinder sind immer dabei, wenn wir unterwegs sind“, sagt Jessica Lorenz. Das Schausteller-Paar aus Kaltenkirchen hat noch eine zwölfjährige Tochter. „Wir fahren das ganze Jahr durch Deutschland. Unsere Tochter geht immer dort zur Schule, wo wir gerade sind. Das kennt sie gar nicht anders. Ein Internat oder eine Pflegefamilie kam für uns nie in Frage“, fügt sie hinzu.

+++ Frühlingsdom mit fünf neuen Fahrgeschäften +++

Jessica und Georg Lorenz stammen beide aus Schaustellerfamilien, auch die Eltern fahren noch immer durch die Lande. Seit neun Jahren kommen die Kaltenkirchener zum Hamburger Dom, er sei für sie wie ihr Zuhause. Zwar hätten sie in Kaltenkirchen ein Haus, die meiste Zeit im Jahr würden sie jedoch im Wohnwagen hinter ihrem Stand verbringen. „Als Schausteller wird es nie langweilig, wir haben immer mit vielen neuen Menschen zu tun. Unsere Arbeit ist sehr abwechslungsreich und das gefällt uns“, sagt Georg Lorenz. Er habe nach einer Ausbildung versucht, in einem anderen Beruf zu arbeiten, aber das habe ihm nicht gefallen. „Der Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfsbereitschaft unter Schaustellerkollegen macht unseren Beruf aus“, sagt Lorenz. Viele Kollegen treffe man überall im Land wieder.

Auch Nathalie Horlbeck arbeitet noch fleißig am Wagen ihrer Eltern, sie schleift die in die Jahre gekommene blaue Farbe ab. Die 24-Jährige und ihre drei Jahre jüngere Schwester Nadja sind gemeinsam mit ihren Eltern Schausteller eines Basketball-Spielbetriebs. Bereits die Großeltern fuhren als Schausteller durch Deutschland. Seit 1993 kommt die Familie aus Neumünster jährlich zum Winterdom, auf dem Frühlingsdom sind sie zum vierten Mal dabei. „Besonders gerne würden wir einmal am Sommerdom teilnehmen, doch der ist nicht so einfach zu bekommen“, sagt Nadja Horlbeck. Man müsse sich stets bei den Behörden um eine Teilnahme bewerben, der Sommerdom sei besonders begehrt und habe deshalb noch striktere Auflagen. Ins „Gesamtbild“ müsse jeder einzelne Stand, jedes einzelne Spielgeschäft passen.

Die beiden Schwestern sind mit dem Hamburger Dom und vielen weiteren Volksfesten aufgewachsen. „Nach unserem Hauptschulabschluss hatten wir die volle Unterstützung unserer Eltern, eine Ausbildung zu beginnen. Ich habe dann noch die Wirtschaftsschule abgeschlossen, aber bereits da war mir klar: nur als Schaustellerin fühle ich mich richtig wohl“, erzählt Nadja. Ihrer älteren Schwester sei es auch so ergangen. Sie habe die Wirtschaftsschule sogar abgebrochen, weil sie merkte, dass ihr Herz nur für das fahrende Geschäft schlägt. „All unsere Freunde haben wir hier. Mit ihnen fahren wir von Stadt zu Stadt. Wir Schausteller sind eine große Gemeinschaft“, erklärt Nadja Horlbeck.

Doch nicht immer sei das „fahrende Leben“ einfach für die beiden gewesen. „Zu unseren Schulzeiten sind wir mit unseren Eltern zwar nur in Schleswig-Holstein und Hamburg unterwegs gewesen, aber dann mussten wir auch immer am jeweiligen Ort des Volksfestes für die gesamte Dauer zur Schule gehen. Dort begegneten uns die Mitschüler meistens nach dem Motto: „Die gehen doch sowieso bald wieder.“ Das hat mich manchmal sehr traurig gemacht“, sagt Nadja Horlbeck. In Neumünster sei ihre Stammschule gewesen, für die Unterbrechungen seien sie dann mit sogenannten Schultagebüchern von Schule zu Schule gezogen. Lerninhalte konnten so stets von den Lehrern festgehalten und überprüft werden. Das habe sehr gut funktioniert.

Auch die Lebenspartner der Horlbeck-Schwestern sind Schausteller. Mit ihnen wollen sie eines Tages ihre eigenen Geschäfte eröffnen und dann auf dem Hamburger Dom ihr eigenes Spielgeschäft anbieten. „Der Dom war schon immer unser Spielplatz“, sagt Nathalie Horlbeck, „und er wird es auch immer bleiben.“