Studenten der HafenCity University versuchen mit dem Projekt “I love Billstedt“, kreative Ansätze zur Bürgerbeteiligung umzusetzen.

Hamburg. Die Frage ist simpel – und will mit dem Negativ-Image eines Hamburger Stadtteils aufräumen: "Wie sieht Dein Billstedt aus?“, fragen Studenten der HafenCity University auf der Facebook-Seite ihres Studienprojekts "I love Billstedt“.

Im Rahmen eines zweisemestrigen Projektseminars haben sie mit "I love Billstedt“ ein Format entwickelt, das den Billstedtern eine Plattform bieten soll, sich über ihr Lebensumfeld auszutauschen, sich zu vernetzen und vor allem ihre ganz persönliche Sicht auf das Viertel künstlerisch auszudrücken.

"I love Billstedt“ will daher auch mehr sein als eine virtuelle Seite im World Wide Web. Es ist eine Mitmach-Ausstellung, die sich an die Bewohner des oftmals als Problembezirk wahrgenommenen Stadtteils richtet. "Jeder kann sich beteiligen. Uns seine Wünsche, Hoffnungen und Ängste in künstlerischer Form mailen und posten“, sagt Ragna Quellmann. Gemeinsam mit vier ihrer Kommilitonen hat sich die Studentin das Konzept der interaktiven Ausstellung ausgedacht.

"Was für Kunstwerke dabei entstehen werden, ist offen. Wie die Ausstellung aussehen wird, liegt ganz in den Händen der Billstedter“, sagt die 23-Jährige. "Außerdem funktioniert unser Format doppelt, sowohl online als auch offline.“ Bis zum 5. Juli nehmen die Studenten Skizzen, Fotos, Beobachtungen und individuelle Kunstwerke entgegen, stellen diese zunächst auf dem Web-Portal und im Juli dann auch in Billstedt selbst aus.

Die Mitmach-Ausstellung ist eines von fünf Projekten, die im Studiengang Kultur der Metropole an der HafenCity University in Kooperation mit der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg (Steg) entwickelt wurden. Mit 20 Studenten hat Gesa Ziemer, Professorin für Kulturtheorie und kulturelle Praxis, nach kreativen Ansätzen gesucht, die Bürger effektiv am Leben in ihrer Stadt zu beteiligen.

"Viele der gängigen Formate gehen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei oder sind einfach unattraktiv“, erklärt Ziemer und bezieht sich bei den Negativ-Beispielen unter anderem auf Internet-Foren zur Bürgerbeteiligung, die früher oder später nicht mehr genutzt würden.

"Wir wollten weg von den Standardkonzepten und haben uns Billstedt als Beispielviertel ausgesucht“, so Ziemer. Warum ihre Wahl ausgerechnet auf den Stadtteil in Hamburgs Osten fiel? "Billstedt ist ein riesiges innerstädtisches Entwicklungsgebiet. In den nächsten Jahren wird hier viel passieren, ein enormes Finanzvolumen wird in das Viertel gespült werden, Lebens- und Wohnsituationen werden sich wandeln“, sagt Ziemer.

Die Mehrheit der Studenten im Seminar kommt nicht aus Hamburg. Die meisten wussten daher wenig über das Negativ-Image von Billstedt, sagen, sie hätten kein festgefahrenes Bild im Kopf gehabt. "Wir waren überrascht, als wir davon erfuhren“, sagt Caroline Manz. Für die 21 Jahre alte Studentin und ihre Kommilitonen steht fest: "Billstedt ist für uns ein Beispiel und kein Problem.“

+++ Die Stadtteilserie: Billstedt +++

"Bei unseren Recherchen vor Ort haben wir viele schöne Straßenzüge entdeckt, in denen Einfamilienhäuser stehen“, erzählt auch Henrike Lehmann. Die 29-Jährige weiter: "Gerade in diesen Gegenden haben wir viele zufriedene Anwohner kennengelernt, die in einer bürgerlichen, fast kleinstädtischen Nachbarschaft leben. In unmittelbarer Nähe zu den dicht bebauten Wohnsiedlungen.“

Lehmanns Projektgruppe heißt "Billstedt Picknickt“. In einem Kochbuch wollen sie und drei Kommilitoninnen Rezepte von Billstedtern sammeln. Im Juli können die Gerichte bei einem gemeinsamen Picknick in Billstedt probiert werden.

"Was isst man in Billstedt? Was kochen sich die Anwohner, wenn sie mal schlechte Laune haben? Gibt es ein Frühstücksritual am Sonntagmorgen? Essen verrät ja auch immer etwas über den kulturellen und persönlichen Hintergrund“, erklärt Lehmann den Projektansatz. "Bisher haben wir sechs Billstedter, die uns ihre Rezepte zur Verfügung stellen und in deren Küchen wir auch ein paar Fotos machen dürfen“, so die Studentin. "Wir freuen uns natürlich über weitere Interessenten.“

"KrimsKrams“ ist der Name von Caroline Manz’ Projekt. Im Dreier-Team nähert sie sich dem Stadtteil auf unkonventionelle Weise. "Wir sind nach Billstedt gefahren und haben auf öffentlichen Plätzen kleine Gegenstände getauscht. So wollten wir die Bewohner näher kennenlernen“, erzählt Manz. "Was wird getauscht, welche Geschichten verstecken sich dahinter – das interessiert uns“, sagt die 21-Jährige.

Auf der Suche nach Geschichten und Erfahrungen in Billstedt ist auch Svenja Tasch. Die 23-Jährige entwirft in ihrer Projektgruppe "Ich sehe was, was Du nicht siehst..., und das ist Billstedt“ Postkarten und einen Stadtführer von dem und für den Stadtteil. "Jeder Billstedter ist ein Experte, wenn es darum geht, uns seine Lieblingsplätze zu nennen. Für die Motive sind wir auf den Input der Anwohner angewiesen“, sagt Tasch. "Außerdem laden wir im Juli zu einem Stadtteilrundgang ein, auf dem wir die Orte aufsuchen werden, die uns von den Billstedtern genannt wurden.“

Die fünfte Gruppe, die sich Billstedt und seinen Bewohnern nähert, nennt sich "Grätzl“. Entwickelt haben sie ein Spiel mit unterschiedlichen Aktions- und Interventionskarten, das sie mit den Bewohnern eines der Wohnblöcke des Stadtteils spielen wollen. "Unser Spiel sieht vor, dass man zum Beispiel seine Nachbarn in drei Worten beschreiben muss“, erklärt Janna Keveloh, 25. "Auf einer Spielkarte wird auch dazu animiert, sich an ein Kinderspiel zu erinnern und es dann mit seinen Nachbarn zu spielen.“ So wollen die Studenten zur Vernetzung und zum Austausch innerhalb der tendenziell anonymen Wohnsiedlungen beitragen.


Die Ergebnisse der Projekte präsentieren die Studenten am 13. Juli in Billstedt . Ausstellung, Picknick, Stadtteilrundgang – an diesem Sommertag kann jeder Interessierte Billstedt von einer ungewöhnlichen, sehr persönlichen Seite begegnen. Der Ort der Präsentation steht derzeit noch nicht fest.