Hamburg. Bis zu 10.000 gewaltbereite Demonstranten sollen am 6. Juli demonstrieren. Innensenator weiter gegen Camp im Stadtpark.
Knapp eine Woche vor dem G20-Gipfel verhärten sich die Fronten zwischen Gipfelgegnern und Sicherheitsbehörden. Während linke Gruppierungen ankündigten, in die „blaue Zone“ vordringen zu wollen, in der Versammlungen verboten sind, wies Innensenator Andy Grote (SPD) Vorwürfe zurück, während des Gipfels würden Grundrechte außer Kraft gesetzt.
„Dass in Hamburg keine kritischen Stimmen erwünscht sind, ist Unsinn“, sagte Grote dem Abendblatt. Das Gegenteil sei richtig: „Noch nie haben in Zusammenhang mit einem G20-Gipfel so viele Demonstrationen stattgefunden, und noch nie sind die Demonstranten so nah an den Hauptversammlungsort herangekommen.“ Beim G8-Gipfel in Heiligendamm habe die Haupt-Demo im 20 Kilometer entfernten Rostock stattgefunden und beim G7-Gipfel 2015 in Elmau in München – in 100 Kilometer Entfernung. In Hamburg diskutiere man hingegen über Heiligengeistfeld und Millerntorplatz – ob also 600 oder 750 Meter Abstand zu den Messehallen angemessen seien.
Demo „Welcome to Hell“ könnte heikel werden
Als „Erfolg“ wertete Grote, dass es bislang im Vorfeld des Gipfels deutlich ruhiger geblieben ist als erwartet. Allerdings warnte der Innensenator vor der Schlussfolgerung, dass diese Ruhe auch während der Gipfeltage anhalten wird. Insbesondere die Demo „Welcome to Hell“ am Donnerstagabend, 6. Juli, werde heikel: „Das wird die größte Versammlung militanter Protestler, die wir je hatten. So großes Gewaltpotenzial hatten wir noch nicht“, sagte Grote und fügte hinzu: „Die kommen nicht, um Transparente hochzuhalten.“
Die Anmelder hatten die erwartete Teilnehmerzahl kürzlich von 5000 auf 10.000 erhöht und selbst vom „größten schwarzen Block, den es je gab“ gesprochen. Im Ringen um ein Protestcamp stellte der Innensenator klar, dass man kein Camp im Stadtpark dulden werde und keines, in dem auch übernachtet werde. Denn erstens liege der Stadtpark in der 38 Quadratkilometer großen „blauen Zone“, durch die die Staatschefs vom Flughafen in die Stadt eskortiert würden und in der keine Versammlungen erlaubt seien. Und zweitens könnte von einem Camp erhebliche Gefahr ausgehen: „Viele von den 8000 Gewaltbereiten, die wir erwarten, könnten in den Camps Unterschlupf finden“, so Grote. „Damit würde es zu einem Rückgrat der militanten Infrastruktur.“
78 ausländische Leibwächter dürfen Waffen tragen
Das geplante Protestcamp hat schon mehrmals Gerichte beschäftigt. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht der Stadt auferlegt, das Camp als Versammlung zu ermöglichen, ihr jedoch gestattet, den Veranstaltern einen anderen Ort zuzuweisen und Übernachtungszelte zu untersagen. Ein erstes Gespräch zwischen Polizei und Anmeldern war am Donnerstag abgebrochen worden, weil die Positionen zu weit auseinanderlagen.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Hamburger Sicherheitsbehörden auch von der Bundeswehr Unterstützung erhalten. Sie soll ein Landungsboot stellen, mit dem Gipfel-Gäste von der Elbphilharmonie, wo sie am Freitagabend ein Konzert hören und essen werden, im Notfall abtransportiert werden können. Zudem schickt die Bundeswehr zwei Unterwasserdrohnen samt Einsatzpersonal nach Hamburg. Sie können den Boden von Elbe und Alster nach Sprengvorrichtungen absuchen. Brisant ist weiterhin die Debatte über die Rolle der Leibwächter der ausländischen Delegationen. Der Bundesregierung liegen derzeit Anträge von 17 Delegationen für das Tragen von Dienstwaffen vor. Insgesamt 159 Personenschützer ausländischer Regierungschefs und Vertreter internationaler Organisationen wollen demnach eine Waffe zur Sicherung ihrer Delegationen in Hamburg tragen.
USA haben elf Personenschüztzer mit Waffen angemeldet
Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor. Das Bundesverwaltungsamt (BVA) hat bereits für 16 Delegationen und 78 ausländische Sicherheitsbeamte eine waffenrechtliche Bescheinigung erteilt. Die USA haben bei den deutschen Behörden laut Bundesregierung elf Personenschützer mit Waffen angemeldet, Südafrika zehn, die Delegation der EU-Kommission beantragte Waffentrageerlaubnisse für zwei Personenschützer. Ob ein Antrag der türkischen Delegation um Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vorliegt, ist unklar.
Ulla Jelpke, Innenexpertin der Linken: „Sollte er noch gestellt werden, muss die Bundesregierung ihn ablehnen, auch wenn das eine Brüskierung der türkischen Regierung wäre. Sie verdient es nicht anders.“ Keiner könne wollen, dass Erdogans Bodyguards mit Schusswaffen in Deutschland herumliefen, sagte Jelpke. Beim Auftritt von Erdogan im Mai in Washington war es zu schweren Ausschreitungen zwischen türkischen Sicherheitsleuten und Gegendemonstranten gekommen.