Hamburg. Zurzeit wandern viele Frösche und Kröten. Die Nabu-Gruppe West hilft ihnen über die Straße und zählt die Tiere.

Am Falkensteiner Ufer, nur einen Steinwurf entfernt von der Elbe, weisen Schilder mit stilisierten Kröten neben der Straße darauf hin: Hier wandern – wie an vielen Stellen der Stadt – zurzeit Amphibien. Die Botschaft ist unmissverständlich, und viele Hamburger werden sie hier am Elbewanderweg schon gesehen haben.

Genau wie die niedrigen, hellgrünen Zäunchen, die sich als Band durchgehend von den Gräben nördlich der Fahrbahn bis hoch zum Falkensteiner Weg schlängeln. Doch was genau an diesem Ort wann passiert, dürfte den meisten nicht klar sein. Fakt ist: Das ganze Areal ist ein faszinierender Biotop, in dem sich zurzeit viel Leben regt. Und es lohnt sich, das Treiben genauer zu betrachten.

Das Team rettet vielen Amphibien das Leben

Morgendliches Treffen mit Barbara Meyer-Ohlendorf und Benjamin Harders von der Gruppe West des Nabu (Naturschutzbund) Hamburg. Beide gehören zu einem Team ehrenamtlicher Helfer, das in diesen Tagen vielen Amphibien das Leben rettet. Meyer-Ohlendorf ist Gruppenleiterin, aber auf Hierarchien gibt man hier nicht viel.

Wie zurzeit täglich, gehen die zwei auch an diesem Morgen die 32 Eimer ab, die in gleichmäßigen Abständen neben dem langen Zaunband vergraben sind. Nördlich davon erstreckt sich ein steil abfallender Hang, Teil eines Landschaftsschutzgebiets. Im Unterholz, geschützt von Zweigen und alten Blättern, haben viele Hundert Amphibien überwintert, die nun, pünktlich zur Laichzeit, Richtung Wasser streben. Ihr Ziel ist aber nicht die Elbe, sondern die Becken davor.

Tieren dort der massenhafte Tod durch Autos und auch Fahrräder

Doch zwischen Hang und Wasser liegen die Straßen Falkensteiner Ufer und Falkensteiner Weg, und den wandernden Tieren würde dort der massenhafte Tod durch Autos und auch Fahrräder drohen. „Viele Menschen bemerken die Tiere auf der Fahrbahn gar nicht und überrollen sie versehentlich“, sagt Barbara Meyer-Ohlendorf, „Molche sind ja nur so klein wie Holzstöckchen.“

Die Bedeutung von Zaun und Eimern wird nun klar: Der Zaun bremst die Tiere aus, die auf der Suche nach einem Durchschlupf so lange am Zaunband entlang kriechen, bis sie in einen der eingegrabenen Eimer fallen. Die Helfer vom Nabu nehmen die Eimer heraus und tragen sie auf die andere Straßenseite, wo sie am sicheren Wasser ausgekippt werden.

Eimer sind gut gefüllt

Tatsächlich sind die nummerierten Eimer auch an diesem Morgen gut gefüllt: Molche und Kröten purzeln durcheinander – eine kleine erdfarbene Masse in ständiger Bewegung. Benjamin Harders zeigt ein paar gerade mal sechs Zentimeter lange Bergmolche, die in Hamburg nur an wenigen Stellen vorkommen. Er dreht eines der dunklen Tiere vorsichtig auf den Rücken und zeigt, dass die Bäuche orange leuchten.

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Auch jede Menge Erdkröten wuseln in den Eimern. Diese Tiere werden bis zu zwölf Zentimeter lang und sind damit die größte der europäischen Krötenarten. Weil sich die kleineren Männchen huckepack von den Weibchen zum Wasser tragen lassen, kriechen sie auch in den Eimern als Doppelpack herum.

Bevor das Nabu-Team die Tiere aussetzt, werden sie gezählt

Später im Wasser schwimmend geben die Weibchen den Laich dann abschnittsweise ab, die Männchen besamen die Eier zeitgleich. In den Eimern stoßen einige Kröten fiepende Geräusche aus – „Abwehrrufe der Männchen gegen andere Männchen“, sagt Benjamin Harders.

Bevor das Nabu-Team die Tiere aussetzt, werden sie gezählt und in einer Tabelle erfasst. Auch die Eimernummer wird berücksichtigt. Es folgen Abgleichungen mit anderen Daten, sodass sich wichtige Rückschlüsse auf die Bestände erschließen lassen. Harders zeigt die App mit den aktuellen Daten für diese Saison: 536 Erdkröten, vier Bergmolche, ein Teichmolch, ein Teichfrosch und ein Grasfrosch wurden bislang erfasst. Das sind keine schlechten Zahlen, aber sie waren auch schon deutlich besser.

Trockene Sommer haben den Beständen zugesetzt

„Die zuletzt trockenen Sommer haben den Beständen zugesetzt“, sagt Barbara Meyer-Ohlendorf. „Hinzu kommt der starke Rückgang der Insektenpopulationen.“ Ältere Anwohner berichten, dass der Hang vor Jahrzehnten im März und April geradezu „gelebt“ habe. Überall seien um diese Jahreszeit Geraschel und Bewegungen zu bemerken gewesen. Davon kann heute keine Rede mehr sein.

Die großen Wanderungen der Kröten starten Anfang März und dauern bis Mitte April. Besonders viele Tiere machen sich bei Temperaturen ab acht Grad und Regenwetter auf den Weg. In manchen Nächten sind plötzlich Hunderte auf einmal unterwegs, ohne dass sich der genaue Grund immer erklären lässt. Bei Gebieten, die nicht durch Amphibienzäune geschützt sind, droht dann der massenhafte Tiertod.

Amphibientunnel würde die Arbeit der Helfer erleichtern

Wie berichtet, hat die Bezirksversammlung Altona mittlerweile den Bau eines kleinen Amphibientunnels am Falkensteiner Ufer beschlossen. In der nächsten Phase prüft die Umweltbehörde jetzt die Machbarkeit, wobei es auch um die Kostenübernahme geht. Ein solcher Tunnel würde den Einsatz der Helfer vom Nabu und anderer Freiwilliger zwar nicht überflüssig machen, aber doch deutlich erleichtern.

Die beiden Becken

  • Als das Wasserwerk Baursberg in den 1960er-Jahren die Trinkwasserproduktion von Elb- auf Grundwasser umstellte, verloren die beiden Becken direkt neben der Elbe ihre ursprüngliche Funktion. Stattdessen nahmen sie nur noch das Spülwasser aus der Filterreinigung vom Baursberg auf.
  • Im Jahr 2010 ließ die Umweltbehörde die Becken, die im Laufe der Jahrzehnte wichtige Laichplätze geworden waren, umbauen: Das östliche wurde zur Elbe hin ge­öffnet, das westliche blieb als geschütztes „Stillgewässer“ er­halten. Ein mobiler Zaun hält die Amphibien im Frühjahr vom ge­öffneten Becken und damit vom Tidegewässer fern.

Vor allem aber würde er Leben der stark bedrohten Tiere retten. Gut gemachte Infotafeln am Falkenstein erläutern zwar ausführlich, was hier geschieht, aber der Anblick der Tiere und das hautnahe Erleben ihres täglichen kleinen Lebenskampfs macht es noch deutlicher: Diesen Biotop zu achten und zu schützen ist eine wichtige Aufgabe