Hamburg. Wie Lachsforellen, Makrelen und Schillerlocken im Hinterhof des Fischgeschäfts Breckwoldt zur Delikatesse werden.

Feuer frei für Fisch vom Feinsten. Im Hinterhof des Delikatessengeschäfts Breckwoldt an der Elbchaussee wird Lachsforellen, Makrelen, Lachs und Schillerlocken fachgerecht eingeheizt – nach traditioneller Art, über offenem Holzfeuer. Zum Räuchern dient eine gemauerte Backsteinkammer des Baujahrs 1904. Eine Eisentür gehört dazu. Was vor mehr als einem Jahrhundert nicht nur in Hamburg als „Altonaer Ofen“ für besondere Qualität stand, hat heutzutage Seltenheitswert. Kenner schwören auf einen Geschmack, der von herkömmlicher Industrieware seemeilenweit entfernt ist.

Der kleine Souterrainladen in Blankenese ist eine der letzten Bastionen filigraner Räucherkunst. Es ist ein aufwendiger, zeitintensiver Prozess, bis man sich das Ergebnis auf der Zunge zergehen lassen kann. Doch fangen wir von vorne an.

Erlesenes hat seinen Preis

„Moin“, sagt Georgios Karanikolas zu früher Stunde. Mit einladender Geste bittet der 48 Jahre alte Kaufmann hinter die Kulissen. Für den Hamburger Jung‘ mit griechischen Wurzeln ist der Tag bereits fortgeschritten. Um 4 Uhr schrillt daheim in Sülldorf werktags der Wecker. Während er um 5 Uhr auf dem Fischmarkt frische Ware kauft, fährt Ehefrau Elke ins Geschäft an der Ecke Dockenhudener Straße, dort, wo die Elbchaussee stadtauswärts eine starke Linkskurve macht. Wenn um 8 Uhr geöffnet ist, soll alles picobello sein – nicht nur auf dem Präsentierteller, also in den Schaufenstern und in der Auslage hinter dem verglasten Tresen.

Erlesenes hat seinen Preis. Für die in der Regel wenig knauserige Stammkundschaft vor Ort. Nicht minder indes für die vierköpfige Familie Karanikolas. Die Eltern Elke und Georgios wie auch die Söhne Antonios und Michael investieren jeweils zwischen 65 und 75 Arbeitsstunden pro Woche.

  Erfahrung macht den Meister

„Das ist uns die Selbstständigkeit wert“, sagt Georgios Karanikolas. Der bei der Geschäftsübernahme Anfang 2013 aufgenommene Bankkredit ist noch nicht restlos getilgt. Zuvor hatte die Blankeneser Fischersippe Breckwoldt den Laden über vier Generationen zu einer Institution in den Elbvororten geformt. Ihr Kutter SB 76 war auf der Elbe und auf Hoher See zu Hause. Den Anfang machte Joachim Breckwoldt anno 1904 mit dem Verkauf des Schiffs und Gründung des Geschäfts. Das Motto, damals wie heute: „Meine Bückel kann ich auch ohne Abitur verkaufen.“ Und: „Der Kunde erhält grundsätzlich das Bürgermeisterstück.“ Gemeint ist das Beste vom Frischfisch. Ecken und Kanten werden für Frikadellen verwendet.

Der kleine Souterrainladen an der Elbchaussee.
Der kleine Souterrainladen an der Elbchaussee. © Roland Magunia | Unbekannt

So auch heute. Michael, der sich eigenständig zum Meister traditioneller Räucherweise im Altonaer Ofen entwickelte, hat Fischfilets auf den Rost gelegt und in den Kamin geschoben. Ganze Bücklinge, auf gut Hamburgisch „Bückel“ genannt, Forellen oder Makrelen hängen darunter. Zuvor wurde die Ware – unterschiedlich lange – in Salzlake eingelegt und auf einem Netz getrocknet. Erfahrung macht den Meister.

Was ebenfalls für das Holz gilt. Zum Entfachen des Feuers bis zu einer Temperatur von etwa 80 Grad werden Buchenscheite verwendet. Gewässerte Erlenspäne bringen Rauch und Geschmack, je nach Dosierung. Ein Thermometer braucht der Profi nicht: Eine Hand an der Ofentür signalisiert ihm, was in dem 2,50 Meter hohen und 1,50 Meter breiten Innenraum Sache ist. Nach rund zwei Stunden in der Röhre nimmt Michael den Fisch aus dem Räucherfang. Abkühlen und dann in den Verkaufsraum damit – appetitlich arrangiert. Nebenan werden Spezialitäten wie Fischsuppe, Kapitänssülze und mehr als zwei Dutzend Salate feilgeboten.

Aus viel Mühe wurde eine Tugend gemacht

„Alles hausgemacht“, sagt Elke Karanikola. Griechischer Sitte gemäß wird der Nachname der Ehefrau ohne „s“ geschrieben. Ihren Georgios lernte sie einst als Kollegen in einer Fischfirma am Elbufer kennen. „Es mag merkwürdig klingen“, sagt sie während einer Kaffeepause im winzigen Kontor, „aber wir lieben Fisch. Fast lebenslang“. Die Söhne folgen diesem Leitbild. Während Antonios kocht und verkauft, wirkt Michael im Schnitt drei- bis viermal die Woche als Räuchermeister.

Elke und Antonios Karanikolas hinter dem Verkaufstresen. Während Michael am Räucherofen steht, kümmert sich Antonios ums Kochen und Verkaufen.
Elke und Antonios Karanikolas hinter dem Verkaufstresen. Während Michael am Räucherofen steht, kümmert sich Antonios ums Kochen und Verkaufen. © Roland Magunia | Unbekannt

Eigentlich befinden sich im Schuppen in der hinteren Hofecke an der Elbchaussee 531 zwei historische Altonaer Öfen nebeneinander. Seitdem dort gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ein Bombenblindgänger einschlug, sind Mauerwerk und Abzug defekt. Für neue Räucherräume dieser Art, deren Name aus der Hochzeit der Fischverarbeitung in Altona stammt, gibt es längst keine behördlichen Genehmigungen mehr. Wo mit Bestandsschutz geräuchert wird, riecht und rußt es eben. Ganz einfach. „Außerdem: Wer will sich in Zeiten computergesteuerter, elektrischer Großanlagen schon noch so viel Mühe machen?“, fragt Karanikolas sen. rhetorisch. Aus viel Mühe wurde eine Tugend gemacht.

300 bis 400 Hummer werden zu Weihnachten gekocht

Räucherfisch von Breckwoldt, weiß man nicht nur im Westen der Hansestadt, ist eben kein Fabrikprodukt. Zeit für einen Geschmackstest: Frau Karanikola serviert einen Probierteller Lachsforellenfilet frisch aus dem Rauch. Das Fleisch, zart rosa und mild duftend, rutscht fast von der Gabelspitze. Schmeckt nach mehr. Doch konzentrieren wir uns auf weitere Fragen. Ja, Krabbenfleisch, ist mit aktuell 7,50 Euro pro 100 Gramm nicht gerade günstig. Und ja, die Geschäftslage sei derzeit positiv: „Die Leute essen und genießen gerne zu Hause.“ Und zu Weihnachten werden im Hof in drei großen Kesseln 300 bis 400 Hummer gekocht.

Dann brummt es – nicht nur in den Kochtöpfen. „Ein 15-Stunden-Tag reicht zum Jahresausklang nicht“, weiß das Ehepaar Karanikolas aus bald acht Jahren Selbstständigkeit. Ehrensache, dass im Laden alles hausgemacht ist. Kartoffeln für die Salate werden gekocht und von Hand gepellt. Mayonnaise stammt gleichfalls aus eigener Produktion. „Selbstverständlich“, sagt Herr Karanikolas. Er kennt Wert und Preis dieses Geschäftsprinzips. So und so.