Hamburg. Betreuer soll sich aus Geldgier das Vertrauen der alten Dame erschlichen haben. Gibt es noch andere Opfer?

Zuerst sah alles nach einem natürlichen Tod aus: Eine 91 Jahre alte Seniorin saß leblos im Rollstuhl in ihrer Wohnung an der Rissener Landstraße. Dies war an einem Septembertag 2017. Ein trauriger Routinefall für die alarmierten Rettungskräfte und Polizisten, so schien es. Auch der Hausarzt sah keine Auffälligkeiten.

Doch jetzt steht fest: Die Frau ist getötet worden – mit großer Wahrscheinlichkeit aus Habgier. Als mutmaßlichen Täter verhaftete die Polizei nach monatelangen Ermittlungen einen 74-Jährigen aus Blankenese. Karsten G. war der Betreuer der alten Dame – und von ihr als Erbe eingesetzt worden. Und es gibt einen schrecklichen Verdacht: Hat G., der sich noch um andere ältere Damen kümmerte, womöglich weitere Taten begangen?

Rentnerin wurde mit Kissen erstickt

Ein erster Hinweis, dass die 91-Jährige aus Rissen einem Verbrechen zum Opfer fiel, hatte sich bereits bei der Obduktion des Leichnams ergeben. Dabei fanden Rechtsmediziner Anzeichen für eine „äußere Gewalteinwirkung“. Nach Abendblatt-Informationen soll die Frau vermutlich mit einem Kissen erstickt worden sein.

Daraufhin geriet der Betreuer in den Fokus der Ermittler. Karsten G. hatte bei der Polizei angerufen und den Tod der Frau gemeldet. In seiner Vernehmung verstrickte er sich schnell in Widersprüche, als es um die Situation ging, in der er die Frau entdeckt haben will. Was ihn zudem verdächtig machte: Er besaß ein Motiv.

Als Betreuer der Frau soll er sich das Vertrauen der alten Dame erschlichen haben. Schließlich setzte sie ihn als ihren Erben ein. Schon vor ihrem Tod hat er sie vermutlich hintergangen. Ermittler überprüften die Kontobewegungen der 91-Jährigen und ihres Betreuers und stellten fest, dass der Mann offenbar immer wieder Geld von ihrem Konto abgezweigt hatte. Die alte Dame, die von Nachbarn als dement beschrieben wird, bemerkte es wahrscheinlich nicht.

Erbe kassierte nach dem Tod richtig ab

Nach dem Tod der Frau soll Karsten G. als Erbe weiter abkassiert haben. Schnell versetzte er die Wohnung der Frau. Wie hoch die Summe war, zeigt ein Kontopfändungsbeschluss zur Gewinnabschöpfung von knapp 200.000 Euro, den die Staatsanwaltschaft gegen den Mann erwirkte.

Doch wer ist der 74-Jährige, der unter Verdacht steht, eine 91-Jährige in Rissen getötet zu haben? Polizisten der Mordkommission haben das Umfeld des Betreuers Karsten G. durchleuchtet, der bis zu seiner Verhaftung in einem Mehrfamilienhaus am Wulfsdal lebte, einer Sackgasse in der Blankenese Villengegend. Bei den Ermittlungen kam schnell heraus, dass Karsten G. bereits längere Zeit von erheblichen finanziellen Pro­blemen geplagt wurde. Damit hätte er ein Motiv gehabt.

Selbst sein Auto war nicht mehr angemeldet und nicht mehr versichert. Um es weiterhin fahren zu können, so stellten Ermittler fest, hatte der Mann, der bereits seit mehr als einem Jahr keinen Führerschein mehr besaß, offenbar gestohlene Kennzeichen eingesetzt. Diese waren vor etwa zwei Monaten in der Nähe des Wohnortes des Mannes von einem geparkten Auto abgeschraubt worden.

Beging Karsten G. weitere Taten

Auch weitere Maßnahmen, über die die Polizei nichts sagen wollte, belasteten den Mann zunehmend. Bereits am 6. Dezember erwirkte die Staatsanwaltschaft den Haftbefehl wegen des Verdacht des Mordes aus Habgier, der jetzt vollstreckt wurde.

Die gestohlenen Kennzeichen entdeckte die Polizei, als nach seiner Verhaftung die Wohnung des 74-Jährigen durchsucht wurde. Darüber hinaus stellten Polizisten in der Wohnung des Mannes schriftliche Unterlagen und Computer sowie andere Geräte sicher. Die Auswertung durch die Kriminaltechnik wird in den kommenden Wochen stattfinden.

In seiner Vernehmung bei der Mordkommission stritt Karsten G. die Vorwürfe ab. Er wurde am gestrigen Donnerstag einem Richter vorgeführt, der den Haftbefehl bestätigte. Die Mordkommission ermittelt weiter gegen den Mann. Vor allem wird geprüft, ob er weitere Taten beging. Bislang war der 74-Jährige in Hamburg 2017 nur wegen einer Straßenverkehrsgefährdung und Unfallflucht aufgefallen und verurteilt worden.