Nienstedten. Vor 225 Jahren startete der Aufstieg des Hauses Louis C. Jacob zu einer der besten Adressen der Stadt. Schuld war ein Pyrotechniker.

Es ist das vermutlich weltweit seltsamste Erinnerungsstück in der Geschichte berühmter Häuser: Ein eiserner Kanonensplitter, befestigt auf einem umkordelten Kissen, erinnert an die Anfänge des heutigen Luxushotels Louis C. Jacob. Dahinter verbirgt sich zwar eine menschliche Tragödie, ohne die es – so ehrlich muss man sein – den märchenhaften Aufstieg einer Bäckerei zum Hotel mit Weltruf aber wohl nie gegeben hätte.

„Die Gastro-Offensive an der Elbchaussee startete ein Zuckerbäcker mit einer feurigen Liebe zur Seefahrt“, sinniert Hoteldirektor Jost Deitmar und wiegt das Kuriosum fast ehrfürchtig im Arm. Die Rede ist von Nikolaus Paridom Burmester, der das Haus Nummer 401 im Jahr 1780 von seiner Mutter erbte. Burmester machte im damals noch beschaulichen (und preiswerten) Nienstedten bald von sich reden. Zum einen versorgte er die Gegend mit köstlichen Backwaren, zum anderen pflegte er eine spektakuläre Leidenschaft: Der Hobby-Pyrotechniker begrüßte alle ein- und auslaufenden Schiffe mit Salutschüssen aus seiner selbst gebauten Kanone. Im Jahr 1790 muss es Burmester mit dem Schwarzpulver übertrieben haben. Beim allerletzten Salutschuss seines Lebens flog ihm die Kanone um die Ohren, und der bis heute konservierte Splitter tötete den Zuckerbäcker auf der Stelle. Im Sterberegister des Kirchenbuchs von Nienstedten finden sich deutliche Worte: „Am 18. Juni kam Nikolaus Paridom Burmester, Gastwirth zu Nienstedten, ums Leben, da eine abgefeuerte Kanone zersprang und ihn zerfetzte.“

Ein Filetgrundstück für 3000 Goldmark

Seine junge Witwe Maria Elisabeth und die gut gehende Bäckerei blieben an der Elbchaussee nicht lange alleine. Der französische Hugenotte Daniel Louis Jacques landete auf seiner Flucht vor den Wirren der Französischen Revolution vor Ort und kümmerte sich um Frau und Geschäft. 1791 deutschte er seinen Namen in Louis Jacob ein und heiratete die Witwe Burmester, die laut einer zeitgenössischen Quelle „durch Wuchs und Wohlstand gleichermaßen begehrenswert“ war. Warum er ihr Haus und Grundstück für 3000 Goldmark abkaufte, ist unbekannt – ein Mitgiftjäger war Jacob offenbar nicht.

Louis C. Jacob: Die herrliche Lage zieht Besucher an

Der gelernte Landschaftsgärtner legt noch in demselben Jahr die berühmte Lindenterrasse an und verwandelt die Bäckerei in ein Weinrestaurant. Am 1. April 1791, heute vor 225 Jahren, werden erstmals Gäste auf dem Elbhang bewirtet. Noch immer ist im Haus eine verschnörkelte Urkunde von 1802 bewahrt, die den offiziellen Start dokumentiert. Es ist die „Königl. Allerhöchste Konzession für den Gastwirth Dan. Louis Jacob in Nienstedten, der Herrschaft Pinneberg, zur Wirthschaft in seinem Haus daselbst.“ Im Laufe der Zeit wird das Haus von Louis und seinem Sohn Louis Carl zusätzlich zum Hotel umgestaltet, denn die herrliche Lage zieht immer mehr Besucher an, die nach der Anfahrt über Nacht bleiben möchten.

Jost Deitmar ist sich sicher: „Wir sind weit und breit, vielleicht sogar in ganz Europa, das einzige Restaurant und Hotel dieser Art, das so alt ist und heute noch besteht.“

So sah der Zeichner Wilhelm Heuer die Lindenterasse im Jahr 1854
So sah der Zeichner Wilhelm Heuer die Lindenterasse im Jahr 1854 © Hotel Louis C.Jacob | Hotel Louis C.Jacob

Dass der Anfang kein Kinderspiel war, zeigen uralte „Cassabücher“, die heute im Hotel wie ein Schatz gehütet werden. Im November 1809 erschienen an vier Sonntagen insgesamt fünf Gäste, an etlichen Tagen vermerkt Jacob: „Keinen Menschen“. Doch langsam geht es bergauf. Fünf Generationen lang bleibt das Jacob ein Familienunternehmen. Die jeweiligen Besitzer sind höchst unterschiedliche Typen, die allerdings kräftig Imagepflege betreiben und als „Originale“ einige skurrile Macken pflegen.

So tricksten die Hotel-Chefs

Der zweite Jacob, Chef seit 1826, gilt als Schlitzohr. Sein Standardsatz zu mäkelnden Gästen: „Ich mag den Wein ja auch nicht, aber irgendjemand muss ihn eben trinken.“ Sein Sohn, der die Nachfolge 1869 antritt, setzt grundsätzlich jedem Besucher fünf Mark Kutschengebühr auf die Rechnung. Den Einwand, man sei doch auf anderen Wegen angereist, lässt er nicht gelten: „Meine Gäste kommen immer mit der Kutsche, deshalb ist der Kutscher so oder so inklusive.“ Erst 1922 endet die Familien-Ära mit dem Tod von Louis Heinrich Jacob.

Die folgenden Pächter halten das Erbe der Familie Jacob zunächst in Ehren. Noch in den 1950er-Jahren tragen sich Weltstars wie Maria Callas, Zarah Leander und Hans Albers ins Gästebuch des Traditionshotels ein. Erst ein Jahrzehnt später verblasst nach vielen Eigentümerwechseln langsam der Stern des Hauses. Den Tiefpunkt erlebt das Traditionshotel 1970 mit der Versteigerung des gesamten Restaurant­inventars.

Alt trifft Neu: Der Erweiterungsbau als den 1990er-Jahren und das historische Ensemble des Hauses
Alt trifft Neu: Der Erweiterungsbau als den 1990er-Jahren und das historische Ensemble des Hauses © Hotel Louis C.Jacob | Hotel Louis C.Jacob

Erst die neue Eigentümerfamilie Rahe bringt das Haus ab 1993 wieder in die Erfolgsspur – nach ziemlich hartem Kampf. Unternehmer Horst Rahe sieht sich monatelang mit allen möglichen Befürchtungen und Unterstellungen konfrontiert, kaum ein Ausschuss, der nicht an der Planung beteiligt werden muss. Schließlich kann Rahe klarmachen, dass er das völlig marode Haus fast komplett neu aufbauen lassen muss, dass sich der Gesamteindruck aber kaum verändern wird.

Hoteldirektor Deitmar erweitert das Ensemble

Beim Jacob glückt schließlich, was an anderen Ecken der Elbchaussee gar nicht erst versucht wurde: Das Jacob wirkt von innen und außen wie ein schönes altes Haus. Nach drei Jahren Planungs- und Bauzeit kann 1996 die Wiedereröffnung des Jacob gefeiert werden, ein Jahr später übernimmt Jost Deitmar das Ruder als Direktor. Auch das frühere Landhaus Dill und das einstige Ball- und Clubhaus Holthusen wurden in das Hotelensemble einbezogen.

Das Fünfsternehotel wird mit angesehenen Preisen überhäuft, international avanciert es als eines der „Leading Hotels of the World“ zur Top­adresse. Mit dem Jacob ist es wie mit einem alten Wein: Mit den Jahren wurde es immer besser.