Hamburg. Besonderes Werk des Komponisten kommt wieder zur Aufführung. Marie-Luise Neunecker im Interview.

Als am 20. Januar 2001 das „Hamburgische Konzert für Horn und Kammerorchester“ im Liebermann-Studio uraufgeführt wurde, war der Andrang auf das Avantgarde-Ereignis so groß, dass manche versuchten, mit gefälschten Karten ins Konzert zu kommen. György Ligeti hatte seit seinem Horntrio eine besondere Schwäche für das Instrument – und als ehemaliger Kompositionsprofessor auch eine sehr spezielle Beziehung zu Hamburg, wo er sich mitunter „sehr unaufgeführt“ fühlte.

Jetzt ist das Stück wieder auf dem Spielplan: Die Philharmoniker und Generalmusikdirektor Kent Nagano werden es zum Saisonstart in der Elbphilharmonie präsentieren. Solistin ist – wie bei der Uraufführung – Marie-Luise Neunecker.

Hamburger Abendblatt: Gab es mit György Ligeti vor der Uraufführung Gespräche über das entstehende Stück? Oder mussten Sie schlicht das spielen, was er schrieb?

Marie-Luise Neunecker: Wir haben öfter telefoniert und er hat beispielsweise nach dem Tonumfang gefragt – mit dem Resultat, dass er jeweils eine Terz weiter ging, sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe… Ich habe aber schon etwas Einfluss nehmen können.

Gibt es konkret eine Stelle, die jetzt anders wäre ohne Sie?

Neunecker: Wie er das Naturhorn eingesetzt hat, darauf hat er schon etwas Rücksicht genommen; dass er die Linien nicht zu sehr springen lässt.

Ligeti fand, sagte er damals, die Arbeit an dem Stück sehr schwer, wie ein „mehrdimensionales Kreuzworträtsel“, wie „Zirkus ohne Netz“. Hat sich das damals für Sie auch so angefühlt?

Neunecker: Ja, klar. Aber Horn spielen ist immer so. Bei dem Stück ganz besonders. Das ist seine letzte Komposition, er wollte eigentlich die traditionelle Harmonik verlassen und eine neue Klangästhetik entwickeln. Er lässt die Naturtöne des Naturhorns ungeschönt, die muss man normalerweise mit der Hand angleichen. Das war für ihn der besondere Reiz. Die vier Naturhörner im Orchester hat er in vier verschiedenen Stimmungen parallel zueinander spielen lassen, das ist schon genial. Ich bekam dann Anrufe, die begannen mit: „Sagen Sie, auf dem D-Horn, der 13. Oberton …“

Was hat er Ihnen direkt nach der Uraufführung dazu gesagt?

Neunecker: Er war schon sehr genau und konnte auch gnadenlos sein – aber in solchen Momenten nicht. Da war er sehr nett.

Hat das Stück – alles andere als einfach aufzuführen – inzwischen einen festen Platz im Repertoire gefunden?

Neunecker: Über 40-mal hab ich es bestimmt gespielt. Aber welche moderne Komposition hat sich schon so durchgesetzt, dass sie ständig gespielt würde?

Ist es praktisch „Ihr“ Stück? Sobald es auf ein Programm kommt, werden nur Sie angefragt?

Neunecker: Nein, das fände ich auch schade.

Weil Sie schon so lange als Solistin unterwegs sind: Fehlen Ihnen nicht die vielen schönen Orchesterstellen für Horn: Brahms, Bruckner Vier, Strauss „Till Eulenspiegel“, Mahler Fünf, all das?

Neunecker: Ich war ja zehn Jahre im Orchester. Aber als ich da wegging, habe ich diese großen Sachen einige Jahre nicht hören können, weil mich das zu sehr geschmerzt hat. Aber man kann halt nicht alles im Leben haben.

Wollen wir noch über das gefürchtete Horn-Kieksen reden, oder über den Spitznamen „Glücksspirale“, weil Ihr Instrument so unberechenbar ist?

Neunecker: Das gehört zum Hornspielen dazu. Ich sage immer: Gut spielen kann jeder. Das Kieksen muss man verkraften können, dazu muss man stehen. Es ist eben etwas Lotterie, reine Gefühlswerte. Beim Klavier sehen Sie die Tasten, bei Geige oder Cello sehen Sie die Abstände. Man muss sich den Ton vorstellen und dann hoffen, dass er auch kommt.

Konzerte: 27.9., 20 Uhr (ausverkauft) / 28.9. 21 Uhr, Elbphilharmonie, Karten: T. 35 68 68