Hamburg. Das Konzert “St. Pauli Theater meets Elbphilharmonie“ musste abgebrochen werden. Das sagen Thomas Collien und Ulrich Waller.

Es war ein Elbphilharmonie-Novum, das sicher in die Annalen des Konzerthauses eingehen wird: Am Donnerstagabend, 2. Januar, um 22.45 Uhr musste zum ersten Mal seit Eröffnung im Jahr 2017 im Großen Saal der Elbphilharmonie ein Konzert abgebrochen werden. Grund war ein Ton-Desaster, am Ende funktionierte nur noch ein Not-Mikrofon einwandfrei.

Am Freitag kündigte die Elbphilharmonie an, dass man in Abstimmung mit dem Veranstalter des Abends, dem St. Pauli Theater, an einem Ersatzangebot für die Besucher des Konzerts arbeite. "Informationen hierüber wird das St. Pauli Theater ab Mitte nächster Woche bekannt geben", teilte die Elbphilharmonie auf Nachfrage mit. Die Besucher können also mit einer Entschädigung rechnen.

Ton-Desaster in der Elbphilharmonie – so reagiert das St. Pauli Theater

Am Freitagnachmittag bedankten sich Thomas Collien und Ulrich Waller, die Chefs des veranstaltenden St. Pauli Theaters, auf der Website des Theaters für die Unterstützung des Publikums. "Das gemeinsame, improvisierte Neujahrssingen des gesamten Ensembles gegen 22.45 Uhr war der unerwartete Schlusspunkt eines ganz außergewöhnlichen Programms", schreiben die beiden.

Die Leitung des St. Pauli Theaters und alle beteiligten Künstler bedauerten "den so auch für uns noch nie erlebten Verlauf eines Konzertabends zutiefst und möchten uns für Ihre Geduld und Ihre bis zum Schluss, trotz aller Probleme, nicht nachlassende Begeisterung und Ihren Zuspruch bedanken". Um die Besucher zu entschädigen, sei unter anderem ein Ersatztermin im Gespräch.

Grund für Tonausfall war ein Defekt an einem gemieteten Mischpult

Auch die Elbphilharmonie zeigte sich positiv überrascht von den Reaktionen an dem komplizierten Abend. "Wir sind beeindruckt, wie toll das Publikum und wie souverän die Veranstalter vom St. Pauli-Theater reagiert haben“, sagte Elbphilharmonie-Sprecher Tom R. Schulz.

Als Grund für den Tonausfall nannte Schulz einen "technischen Defekt bei einem angemieteten Tonmischpult". Dieser ließ sich im Laufe der Veranstaltung nicht beheben und führte schließlich zum vorzeitigen Abbruch des Konzerts. „Wir arbeiten häufiger mit zugemieteten Mischpulten und bisher hat es noch nie ein Problem gegeben", sagte Tom R. Schulz. "Auch beim Soundcheck am Donnerstag hat das zugemietete Pult einwandfrei funktioniert." Aber bei der Technik gebe es immer ein Restrisiko.

Das Mischpult wurde konfisziert

Um sicherzustellen, dass solch ein massiver Tonausfall nicht noch einmal passiert, hat die Elbphilharmonie das digitale Mischpult erst einmal einbehalten. Zusammen mit dem Hersteller soll nun geklärt werden, wo genau der Fehler gelegen hat.

Oft ist es so, dass der Kunde, also in diesem Fall das St. Pauli Theater, die zuvor selbst programmierten Audio-Dateien mitbringt, um sie dann während des Konzertes über das Tonpult abzuspielen. Diese sogenannten Audio-Files gibt es in zahlreichen Formaten, die gängigsten sind (nicht komprimierte) WAV-Dateien und (komprimierte) MP3-Dateien. Möglicherweise liegt hier die Ursache für das Software-Problem. Die Klärung ist auch wichtig für die Frage der Entschädigung.

Erster Tonausfall in Elbphilharmonie um 20.20 Uhr

Beim Neujahrskonzert in der Elbphilharmonie, unter anderem mit Stefan Gwildis, war der Ton ausgefallen.
Beim Neujahrskonzert in der Elbphilharmonie, unter anderem mit Stefan Gwildis, war der Ton ausgefallen. © Bertold Fabricius

Dennis Just, der Technische Leiter der Elbphilharmonie, entschuldigte sich bereits am Donnerstagabend vor dem Publikum für die mehrfachen Ausfälle. Thomas Collien und Ulrich Waller sahen sich gezwungen, die Besucher nach Hause zu schicken.

Dabei war das erste Neujahrskonzert "St. Pauli Theater meets Elbphilharmonie" vor einem Jahr ohne Probleme über die Bühne gegangen. Diesmal aber hatte Volker Lechtenbrink, der erste Gesangskünstler des Abends, kaum angefangen, als er gegen 20.20 Uhr bei seinem zweiten Lied plötzlich nicht mehr zu hören war. Während Lechtenbrink zunächst nichts merkte und einfach weitermachte, begann sich im Publikum Unmut zu regen. Erst Rufe: "Man hört nichts!" Dann allgemeine Ratlosigkeit.

Bei Lechtenbrink streikt erstmals das Elbphilharmonie-Mikrofon

"Man wird hier zum einsamsten Menschen der Welt" wandte sich Lechtenbrink nach dem ersten Mikrofonausfall hilfesuchend auf der Rundum-Bühne ans Publkum. Collien und Waller sprangen ihm bei.

Das Theater-Orchester Hamburg versuchte, die Pause zu überbrücken und etwas zu spielen. Ein Besucher stimmte kurzerhand "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" an, das Gros stimmte mit ein, und das Orchester ließ sich nicht lange bitten und improvisierte unter der Leitung von Matthias Stötzel eine Instrumentalbegleitung.

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Zweiter Tonausfall in der Elbphilharmonie: Unmut im Publikum

Die Haustechnik habe den technischen Fehler noch nicht gefunden, sagte Waller und bat zur vorgezogenen (ersten Pause). Das von einigen geforderte "Freibier!" wurde im Foyer zwar nicht ausgeschenkt, aber immerhin: Nach gut 30 Minuten konnte die Show weitergehen "Der Abend wird länger als wir dachten", scherzte Moderatorin und Kabarettistin Gerburg Jahnke da noch. Lechtenbrink konnte immerhin seinen Vortrag mit drei weiteren Liedern, darunter "Leben so wie ich es mag", zu Ende bringen.

Als die folgende komische Liedermacherin Katie Freudenschuss ihre zweiten Song, eine mit Begriffen aus dem Publikum Improvisierte Hamburg-Hymne, am Klavier jedoch ohne Mikrofongesang zu Ende bringen musste, schwante manchem Zuschauer schon Böses.

Gitte Haenning konnte mit Band danach gerade mal einen Jazzsong interpretieren, da setzte ihr Mikro aus. Gegen 21.30 Uhr, gut eine Stunde nach dem ersten Tonausfall, stand Gitte hilflos da. Erneute Pause. Diesmal fiel die Reaktion auf den Rängen schon frostiger aus. Einige Pfiffe, "Aufhören!"- und Buhrufe waren zu hören.

Totaler Tonausfall in der Elbphilharmonie

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    Krisenmanager Collien und Waller

    Hinter den Kulissen agierten Collien und Waller als Krisenmanager, telefonierten auch mit Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter. Abbrechen oder weitermachen, das war hier die Frage. Nur wenn der Vortrag des überwiegend a cappella singenden 28-köpfigen DamenLikörChores via Richtmikrofonen gut zu hören sei, sollte der zweite Teil fortgeführt werden.

    Und: Die Damen waren klar zu vernehmen, sogar mit einigen Mikrofonen für die Solistinnen. Die Sängerinnen badeten im Beifall, gaben noch eine Zugabe. Das Gros des Publikum hatte ausgeharrt, nur eine Minderheit hatte sich in der Pause bei Saalordnern nach Regressansprüchen erkundigt und die Elbphilharmonie vorzeitig verlassen.

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    Als aber nach dem DamenLikörChor plötzlich noch das Mikroport von Moderatorin Gerburg Jahnke ausfiel, gab es nur eine Wahl: Abbruch. Noch auf der Bühne kündigten Collien und Waller an, dass bis zum Freitagmittag eine Entschädungsregelung bekannt gegeben werden solle.

    Publikum singt noch zweimal "Auf der Reeperbahn …"

    Was die Besucher trösten mag: Dieser Abend wird lange in Erinnerung bleiben. Als Hamburgs Soul-Bruder Stefan Gwildis, der wie Chansonnier Robert Kreis im zweiten Teil des Abends auftreten sollte, mit allen Künstlern und dem Notfall-Mikro auf die Bühne erneut "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" anstimmte, sang das Publikum den Hamburger Gassenhauer gleich zwei weitere Male. Im Saal wurde sogar geschunkelt. Wann gab es das in der Elbphilharmonie schon mal?

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