Hamburg. Benedikt Burkard sorgt dafür, dass alles am Platz ist. Jetzt organisiert er auch den Umzug in die Elbphilharmonie.

Im Sinfoniekonzert. Die Ouvertüre ist vorbei, das Publikum erwartet den Solisten, da öffnet sich die Bühnentür, und ein junger Mensch kommt herein. Während er gemessen Richtung Flügel schreitet, einen Notenband in der Hand, brandet Applaus auf. Er verbeugt sich, legt die Noten auf den Flügel, geht wieder ab. Vielstimmiges Gelächter, noch mehr Applaus.

Das war Benedikt Burkards großes Solo. Noch bei der Erinnerung an die Situation muss er lachen. „Die Stimmung war sowieso schon gut. Aber dann war das Publikum richtig in Fahrt.“ Der 34-Jährige ist Orchesterinspizient beim NDR Elbphilharmonie Orchester, also dessen erster Orchesterwart. Ein Auftritt mit Applaus kommt gelegentlich vor, gehört aber nicht zu Burkards Kernaufgaben. Mit zwei Mitarbeitern und einem Stamm Aushilfen sorgt er dafür, dass beim Orchester die Abläufe funktionieren. Derzeit hat er noch eine klitzekleine Zusatzaufgabe: Burkard koordiniert den Umzug des Orchesters in die Elbphilharmonie.

Wie ein Muskelprotz sieht er nicht gerade aus, seine feinen Gesichtszüge lassen eher auf ziemlich viel Grips schließen, auf Heiterkeit und Gelassenheit. Solche Eigenschaften sind nützlich, wenn man sich dauerhaft im Auge des sozialen Wirbelsturms befindet, den ein Kollektiv von rund 100 Musikern nun einmal darstellt.

Schon bei dem Gedanken an einen Familienumzug bricht doch helle Aufregung aus. Wie soll das erst bei einem ganzen Orchester werden? Burkard winkt ab. „Das machen wir dauernd. In jeder Konzertwoche fahren wir die Sachen vom Rothenbaum in die Laeisz­halle. Es ist kein so großer Unterschied, ob wir stattdessen zur Elbphilharmonie fahren“, sagt Burkard. „Das gängige Equipment haben wir sowieso.“

Das gängige Equipment, das sind zwei Lkw und Anhänger. Sie fassen Instrumenten- und Garderobenkisten, Podeste, Stühle, Pulte, all das, was bis zum Umzug noch pünktlich in der Laeisz­halle sein und dort auch wieder pünktlich verschwinden muss. In der Elbphilharmonie darf es dann bleiben.

Eröffnungskonzert nur der Anfang

Es sollen so viele Instrumente wie möglich aus dem Lager mit umziehen, vor allem das Schlagzeugarsenal. Das Notenarchiv des Orchesters bleibt am Rothenbaum, genau wie die angestammten Stühle und Podeste. Die werden weiterhin für auswärtige Konzerte benutzt, in der Elbphilharmonie gibt es neue. „Das wird kein Riesenumzug am Tag X, es geht eher häppchenweise“, sagt Burkard. „Spannend wird es vor Ort. Da müssen wir dann sehen, wie die Abstimmung mit anderen Ensembles funktioniert, die dort auch proben. Das Eröffnungskonzert ist ja nur der Anfang.“ Andere Aufgaben werden bleiben, vor allem der Aufbau, also die Sitzordnung des Orchesters auf der Bühne. Der kann innerhalb eines Programms variieren, für Haydn bietet sich oft eine andere Aufstellung an als für Mahler. Irgendjemand muss wissen, wie die Pulte zu stehen haben, wie viel Platz jeder Musiker braucht, wer welchen Spezialstuhl bekommt, welche Gruppe auf Podesten platziert wird.

Im Video: Rundgang auf der Elbphilharmonie-Plaza:
 

Dafür beginnt Burkard morgens halb acht. Wenn um zehn Uhr das Orchester zu proben beginnt, macht er Büroarbeit: teilt Dienste für die Orchesterwarte ein, organisiert Transporte, gibt Reparaturen in Auftrag, bestellt Pulte, Lampen oder Spanngurte. Und ist auf Abruf, wenn er zum Umbauen gebraucht wird. Weniger als zehn Stunden dauern seine Arbeitstage selten.

Händchen für sensible Situationen

Burkard wirkt wie einer, zu dem die Gelegenheiten kommen, statt dass er sie sucht. Während seines Studiums an der Münchner Uni fragte ihn ein Freund, ob er nicht bei den Festspielwochen an der Bayerischen Staatsoper aushelfen könne. Burkard sprang ein – und wurde unrettbar vom Theatervirus erfasst. „Es war faszinierend, als Teil dieser riesigen Gemeinschaft an etwas mitzuwirken. Was für ein Privileg ist es, so etwas erleben zu dürfen!“

Dass es ihn von München 2013 zum NDR verschlug, dürfte sich auch seinem Händchen für sensible Situationen verdanken. Orchestermusikern haftet der Stempel an, sie seien im Zwischenmenschlichen zickig bis unregierbar. Ein Dauerzankapfel ist der Aufbau. „Manche legen mehr Wert auf bestimmte Bühnengegebenheiten“, sagt Burkard auf seine unvergleichlich ­diplomatische Art. „Es braucht schon Geduld und Nachsicht. Ich kann aber die Schärfe rausnehmen, wenn ich hingehe und frage: Passt es so?“ In der Elbphilharmonie dürfte die Platzfrage erheblich weniger Zündstoff liefern. Ein aufregender Aufbruch wird es allemal. „Ein Musiker hat mir von einem Albtraum erzählt“, sagt Burkard: „Er könne nach der Pause den Weg zurück zur Bühne nicht finden.“

Er selbst habe keine Albträume beim Gedanken an den Umzug. „Mein Albtraum wäre es, dem Dirigenten eine falsche Partitur hinzulegen. Wenn ich im Konzert sehe, er fängt an zu dirigieren, ist das ein gutes Zeichen.“