Hamburg. Wie konnte die 83-Jährige monatelang tot in ihrem Reihenhaus in Hamburg liegen? Ehemalige Anwohnerin sieht Versagen der Behörden.
Die Nachricht hat im Mai 2024 für Schlagzeilen und Bestürzung gesorgt. Im Hamburger Stadtteil Niendorf war die Leiche einer mumifizierten Frau gefunden worden, die monatelang unbemerkt in ihrem Haus gelegen hatte. Der Postbote informierte am 17. Mai die Polizei, weil er einen unangenehmen Geruch wahrgenommen hatte.
Das Landeskriminalamt hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, die Polizei geht aber bislang nicht von Fremdverschulden aus. Das Ergebnis der Obduktion liegt nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht vor. Inzwischen ist aber geklärt, dass es sich bei der Toten um die 83 Jahre alte Bewohnerin des Hauses handelt.
Mumifizierte Tote aus Hamburg: Anwohnerin verteidigt Niendorfer Nachbarn
In solchen Fällen kommt immer die Frage auf, weshalb die Nachbarn nichts bemerkt haben. Da lebt man nebeneinander und niemand hat die Frau vermisst? Christina Uepach will das so nicht stehen lassen, denn sie kannte die verstorbene Elfriede H. seit vielen Jahren.
Ihr Elternhaus ist nur wenige Nummern vom Haus der Toten entfernt. Die Reihenhaussiedlung liegt in einer beschaulichen Straße östlich des Garstedter Wegs, auf der gegenüberliegenden Straße gibt es Garagen und die Zugänge zu weiteren Reihenhäusern. „Es ist nicht so, dass die Nachbarn sich nicht gekümmert hätten“, sagt die 53-Jährige vehement.
Tote aus Niendorf war regelmäßig für längere Zeit in Italien
Aber Elfriede H. habe sich sehr eingeigelt. „Sie hatte kaum Kontakt zu den Nachbarn“, sagt Christina Uepach. Ihre eigenen Eltern seien 1979 in die Straße gezogen, schon damals habe auch Frau H. dort gewohnt. Sie sei ihr über die Jahre immer wieder auf dem Weg zur Bushaltestelle begegnet. „Man konnte gut mit ihr reden, sie war sehr gebildet“, sagt Christina Uepach über die frühere Nachbarin, aber sie habe auch immer ein wenig von oben herab mit den umliegenden Bewohnern der Straße gesprochen.
Elfriede H. sei regelmäßig für längere Zeit nach Italien gefahren. „Sie sprach fließend Italienisch und konnte grandios und detailgetreu malen.“ Ihren Garten in Hamburg, der ziemlich verwildert aussieht, habe Frau H. geliebt. „Sie hat extra einen Wasserschlauch mit Löchern im Garten verteilt, der mit der Regentonne verbunden war, damit die Pflanzen in ihrer Abwesenheit versorgt sind.“ Alles sollte ökologisch, naturbelassen und pflegeleicht sein. „Mich hat sie gebeten, manchmal die Buchsbäume zu gießen“, sagt Uepach.
Niendorfer Nachbarin: Elfriede H. sei mit der Zeit immer tüdeliger geworden
Sie habe für die verreiste Nachbarin auch oft die Wochenzeitung aus dem Briefkasten genommen, weil niemand mitbekommen sollte, dass die Bewohnerin verreist war. Uepach war sehr regelmäßig in ihrem Elternhaus, um sich um ihre betagte Mutter zu kümmern. Als Elfriede H. Schwierigkeiten mit der Telekom hatte, weil ihr Telefon gestört war, habe sie der früheren Nachbarin geholfen. Ebenso, als diese nicht gewusst habe, wie sie an ein Deutschlandticket kommen soll.
Im vergangenen Jahr sei Elfriede H. sehr tüdelig geworden. „Wir haben geahnt, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Aber sie wollte sich nicht helfen lassen“, sagt ihre frühere Nachbarin. Ihr Verhalten sei auffällig geworden. „Frau H. ist einmal bei Nachbarn in den Garten eingedrungen und wollte dort das Gebüsch kürzen lassen.“
- Obdachlose in Niendorf – jetzt ziehen Bewohner in die Villa ein
- Nach Unfalltod: Mit dieser Spendensumme hat niemand gerechnet
- Nach Suche an der Elbe: Vermisste 62-Jährige tot aufgefunden
Ein anderes Mal, das sei wohl im Oktober 2023 gewesen, habe sie vor ihrer eigenen Haustür gestanden und behauptet, sie habe Partygäste im Haus, die bewirtet werden müssten, erinnert sich Uepach. „Sie konnte aber nicht in ihr eigenes Haus, weil sie nur einen Schlüssel dabeihatte. Sie hatte aber mehrere Schlösser an der Tür, weil sie sehr ängstlich war und immer Angst vor Einbrechern hatte.“ Frau H. habe einen Trainingsanzug getragen, „das sah nicht nach Party aus, und im Haus war es dunkel“.
Mumifizierte Tote von Niendorf: Nachbarin kritisiert Hamburger Behörden
Mehrfach hätten Nachbarn solche Situationen mitbekommen und die Polizei verständigt. Auch deren Versuche, Hilfe über eine Sozialstation zu bekommen, seien gescheitert. „Dort wollte man die Geburtsdaten der Frau haben, aber die hat man doch nicht als Nachbar. In solchen Fällen könnten sich Behörden doch mal über den Datenschutz hinwegsetzen, die haben doch Zugang zu den Daten. Wenn man solche Menschen dann tot und verwest findet, muss man sich nicht wundern“, sagt Christina Uepach.
Sie sieht in diesem Fall sowohl die sozialen Dienste als auch die Polizei in der Verantwortung, die nichts zum Schutz der Frau unternommen hätten. „Das hat Frau H. nicht verdient.“ Ein Mitarbeiter der Spurensicherung hatte dem Abendblatt im Mai gesagt, es sehe so aus, als sei die Bewohnerin mit der allgemeinen Lebensführung überfordert gewesen. Das Haus ist immer noch versiegelt. Die Tote soll Verwandte am Bodensee haben.