Hamburg. Bilder von Models wie Toni Garrn durch künstliche Intelligenz? Ein Uni-Professor klärt auf – und hat Ratschlag für Agenturen.

Eine gewisse Dringlichkeit bestand, das Thema anzusprechen. Denn die künstliche Intelligenz (KI) ist auch im Modelgeschäft angekommen und es sind die Anfänge davon zu beobachten, dass echte Models durch KI-Bilder komplett ersetzt werden.

Marco Sinervo, Chef von MGM Models mit Agentur am Mittelweg in Hamburg und seit Jahrzehnten im Geschäft rund um Laufsteg, Fotoshooting und Co. beheimatet, muss sich der Frage stellen, was diese Entwicklung mit seiner Agentur macht.

Künstliche Intelligenz könnte echte Models ersetzen

Werden Models zukünftig noch gebucht? Im gleichen Ausmaß wie jetzt? Aktuell ist es möglich, dass Kunden sich ihr Wunsch-Model generieren.

Halblange, gewellte haare, 1,83 Meter groß, Sommersprossen, nordischer typ, muskulös? Sitzende Pose, Arme über Kreuz. Kein Problem, wird geliefert. Noch eine kleine Zahnlücke zwischen den Frontzähnen oben? Sicher. Wie bestellt, so geliefert.

KI-Models verdrängen Aufträge für Fotografen und Co.

Fotoshootings, Reisen zum Fotoset, der Job des Fotografen, der Stylisten, des Bookers, Caterers und weiteren, die mit einem solchen Auftrag zu tun haben, fielen damit einfach weg. Sinervo sucht derweil nach einer Haltung zu dieser neuen Entwicklung: „Die erste Reaktion war natürlich: Ethisch hat das für mich ein Geschmäckle – das finde ich merkwürdig“, sagt der Fachmann.

„Künstliche Models einzusetzen, da sträubt sich in mir wirklich alles. Ich finde es auch nicht besonders ästhetisch, was man da sieht. Also, das ist gut gemacht, aber ein künstliches Model hat natürlich gar keine Aura, gar kein Karma.“ Noch. Noch ist die KI nicht so weit, dass alle Feinheiten ausgemerzt seien, erklärt Professor Frank Steinicke von der Universität Hamburg.

KI im Modelgeschäft – noch gibt es gut erkennbare Fehler

Der Informatiker forscht seit Jahren zur Mensch-Computer-Interaktion und ist Experte für das Thema der künstlichen Intelligenz. Noch seien Fehler erkennbar: „Manchmal sind die Arme ein bisschen schräg, die Augen vielleicht nicht an der richtigen Stelle, die Haare sitzen merkwürdig – aber man kann davon ausgehen, dass das in den nächsten Jahren besser und besser wird.“

Gerade in der Informatik gebe es ein exponentielles Wachstum, was die Qualität angehe. „Wenn man sich das überlegt, kriegt man ein Gefühl dafür, wo wir vielleicht in fünf bis zehn Jahren schon stehen könnten.“ Steinicke erklärt weiter, wie ein KI-Model technisch entsteht: „Im Wesentlichen füttere ich die KI mit ganz, ganz vielen Daten von existierenden Models – so lernt die KI, wie ein Model zum Beispiel aussieht.“

KI kann Bilder nachbauen, die aussehen wie Toni Garrn

Das Ganze funktioniert so: „Ich habe eine andere KI auf der anderen Seite, die erkennt, ob sich auf diesem Bild zum Beispiel ein Model befindet.“ Also eine KI, die etwa in der Lage ist, Toni Garrn – die gerade ihre Scheidung bekannt gab – zu erkennen. Steinicke: „Daneben habe ich eine KI, die baut Bilder – und zwar so lange, bis diese davon überzeugt ist, dass es sich hier um Toni Garrn handelt. Was da rauskommt, ist schon relativ gut und sieht auch oft tatsächlich wie ein echtes Models aus.“

Doch was ist mit den kleinen, liebenswerten, unverwechselbaren menschlichen Makeln, dem zufälligen Blick, eingefangen von der Kamera, der Stimmung? Makel einzubauen – auch zufällig – sei kein Problem, so Steinicke. Ob ein KI-Model irgendwann Emotionen empfinden könne, sei jetzt noch nicht beantwortbar. Aber natürlich darstellbar. Und ob der Betrachter dann unterscheiden könne, ob da ein echter Mensch auf dem Foto lacht oder es eine KI ist, das funktioniere sicher nur durch Beschriftung.

Experte rät: KI-Abteilung in der Modelagentur aufbauen

Ob er seine Sorge, seine Angst um den Verlust seines beruflichen Inhalts verstehen könne, will Sinervo von Steinicke wissen. Ja, er könne das nachvollziehen – jedoch rät er dem Modelagenten: „Ich würde dringend empfehlen, auch eine eigene Abteilung für KI aufzubauen – weil ich glaube, die größte Gefahr ist, solche Entwicklungen zu verpassen.“

Das sei schon oft passiert, sagt der Experte für künstliche Intelligenz und führt die Umstellung in der Fotografie von analog auf digital an. Gestandene Firmen wie Kodak seien untergegangen, weil sie sich der Entwicklung nicht adäquat angepasst hätten.

KI: Nicht die Entwicklung verpassen, sonst geht die Firma unter

„Ganz schnell kann es eben auch im Modelbusiness passieren, dass auf einmal dann doch dieser tipping point überschritten wird – und man merkt, man war zu langsam“, so Steinicke. Gerade in diesem Bereich sei es extrem schwierig, den Rückstand wieder aufzuholen.

„Es ist wichtig, am Ball zu bleiben, sich die Technologie anzuschauen. Man muss nicht voll darauf setzen, aber zumindest immer einen Fuß mit drin haben. Zwei, drei Mitarbeiter, die den Bereich im Auge behalten und mitkriegen würden, wenn der tipping point nahe ist. Damit man weiß: Jetzt müssen wir wirklich investieren!“