Hamburg. Eine Mieterinitiative fordert, dass Hamburg ihr Zuhause aus einer Zwangsversteigerung kauft. Der Senator macht wenig Hoffnung.

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) bekam am Mittwoch unerwarteten Besuch: Mieter aus einer bedrohten Wohnanlage im Schanzenviertel bedrängten den Herrn des städtischen Geldes. Er soll ihre 51 Wohnungen und die Gastwirtschaft am Kleinen Schäferkamp 16 und 16a bis f im Stadtteil Eimsbüttel kaufen und damit preisgünstigen Wohnraum für die Stadt erhalten. Mit der Übergabe von 1500 Unterschriften von Unterstützern aus der Nachbarschaft verlieh die Mieterinitiative ihrer Forderung Nachdruck.

„Am 27. Mai soll unser Zuhause zwangsversteigert und zum Höchstgebot unter den Hammer kommen“, sagt Sebastian im Brahm, der Sprecher der Mietergemeinschaft. Dressels Behörde soll mitbieten und die aus den Jahren 1880 und 1898 stammenden Gebäude kaufen, um Zeit zu gewinnen. Mittelfristig wollen die Mieter eine Genossenschaft gründen, die Wohnanlage von der Stadt übernehmen und in Eigenregie weiterführen.

51 Wohnungen am Kleinen Schäferkamp in Eimsbüttel sollen zwangsversteigert werden. Die Mieter wehren sich.
51 Wohnungen am Kleinen Schäferkamp in Eimsbüttel sollen zwangsversteigert werden. Die Mieter wehren sich. © privat

Ein Gutachten schätzt den Wert der Wohnungen auf 10,1 Millionen Euro. Die Mieter bringen bislang aber nur rund 600.000 Euro Eigenkapital auf und könnten auf dieser Basis nicht erfolgversprechend mitbieten, sagt im Brahm. Außerdem reiche die Zeit nicht für die Gründung der Genossenschaft.

Stadt hat bei Zwangsversteigerung kein Vorkaufsrecht

Von der anstehenden Versteigerung hatten die Mieter zufällig erfahren. Im Brahm fand die Annonce Anfang des Jahres im Portal „Immowelt.de“ und erkannte, dass es sein Zuhause war, das da im Netz angeboten wurde.

Zwar liegt die Wohnanlage im Gebiet der „Sozialen Erhaltungsverordnung Eimsbüttel Süd“, aber bei Zwangsversteigerungen greift das normalerweise bestehende Vorkaufsrecht der Stadt nicht. Das Sanierungsgebiet läuft außerdem 2023 aus.

„Mit einem Verkauf an einen klassischen Investor wären Mietsteigerungen zu erwarten, weil der Investor den Kaufpreis refinanzieren müsste“, sagt im Brahm. „Wir befürchten teure Sanierungen und anschließend Mietsteigerungen und Vertreibung.“

Dressel macht Mietern wenig Hoffnung

Nach dem Tod des alten Eigentümers vor etwa sechs Jahren war der Wind für die Mieter rauer geworden. Es wurde teurer, ohne dass die Wohnungen auf Stand gebracht worden wären. Zuletzt konnte sich die Erbengemeinschaft nicht mehr auf einen gemeinsamen Kurs verständigen. Die Zwangsversteigerung wurde beantragt.

Dressel nahm die Unterschriften im Rathausinnenhof persönlich entgegen. Aber große Hoffnungen machte er den Mietern nicht. „Wir prüfen behördenübergreifend die städtischen Handlungsoptionen. Leider greift im Fall einer Zwangsversteigerung kein städtisches Vorkaufsrecht. Unsere Möglichkeiten zur Intervention sind somit begrenzt.“

Die Stadt hatte zuletzt mehrfach im Namen des Mieterschutzes von ihrem Vorkaufsrecht in Sanierungsgebieten Gebrauch gemacht, war aber dabei nie mit Zwangsversteigerungen konfrontiert.

Erhaltungsverordnung soll Umwandlungen verhindern

Dressel zeigte sich dennoch kämpferisch. „Es geht ein klares Warnsignal an Spekulanten und Glücksritter, die meinen, sie können in der nächsten Woche mit Mondgeboten und Renditehoffnungen einen Fang machen, um sich das am Schluss von den Mieterinnen und Mietern bezahlen lassen. Wir wollen den Mieterschutz und die Soziale Erhaltungsverordnung in diesem Bereich verlängern, solange es geht. Verdrängung muss vermieden werden.“

Sollte die Soziale Erhaltungsverordnung über das Jahr 2023 hinaus verlängert werden, blieben Nutzungsänderungen, Umwandlungen der Mietwohnungen in Eigentum und Sanierungen genehmigungspflichtig. Für einen positiven Bescheid muss der Eigentümer darlegen, dass seine Vorhaben den Zielen der Verordnung dienen. Also dem Erhalt der vielfältigen Bewohnerstruktur.

Wissenswertes zu Immobilien und Wohnen in Hamburg (Quelle: Stadtteilprofile VÖ 10.11.2020)

  • In Hamburg gibt es insgesamt 254.661 Wohngebäude
  • 956.476 sind Wohnungen, davon 75.716 (7,9 Prozent) Sozialwohnungen
  • 190.648 (19,9 Prozent) sind Ein- oder Zweifamilienhäuser
  • Die durchschnittliche Wohnungsgröße in Hamburg beträgt 76,1 Quadratmeter
  • Jedem Hamburger stehen im Schnitt 7,9 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung
  • Der durchschnittliche Grundstückspreis beträgt in Hamburg 729 Euro pro Quadratmeter
  • Der durchschnittliche Preis für Ein- oder Zweifamilienhäuser beträgt 4037 Euro pro Quadratmeter
  • Der durchschnittliche Preis für Eigentumswohnungen beträgt 4483 Euro pro Quadratmeter
  • Hamburgs 1.891.810 Einwohner verteilen sich auf 1.041.724 Haushalte
  • In jedem Hamburger Haushalt leben im Schnitt 1,8 Personen
  • Mehr als die Hälfte der Hamburger Haushalte sind Single-Haushalte (567.587/54,5 Prozent)