Hamburg. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in den beliebten Stadtteilen und die Verkehrswende sind die zentralen Themen – bei allen Fraktionen.

Bauboom in Lokstedt und Stellingen, in Eidelstedt wohnen die Menschen an der Autobahn, und Kleingärtner verlieren ihr Idyll. Trotz der Enge: Eimsbüttel ist hoch begehrt. Damit die Lebensqualität hoch bleibt, sind die Schaffung von Wohnraum und ein neues Verkehrskonzept im Bezirk die zentralen Themen für die kommenden Jahre – parteiübergreifend.

Denn so weitergehen kann es in Eimsbüttel nicht, da sind sich die Fraktionen einig. Im Bezirk sind die Grünen traditionell stark, teilen sich aber seit vielen Jahren die Arbeit mit der SPD. „Bezahlbares Wohnen bleibt die Herausforderung der kommenden Jahre. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass sich die Menschen das Wohnen in Eimsbüttel leisten können“, sagt Rüdiger Rust, SPD-Fraktionsvorsitzender.

Die SPD setzt auch auf die Soziale Erhaltungsverordnung, mit der Luxussanierungen und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindert werden sollen. Nach dem Kerngebiet Eimsbüttel, Hoheluft-West und Stellingen-Süd soll geprüft werden, ob die Verordnung auch für Harvestehude und Rotherbaum eingeführt werden kann. Dazu soll neuer, bezahlbarer Wohnraum entstehen – dort, wo es möglich ist, im Drittel-Mix aus geförderten, Miet- und Eigentumswohnungen.

Bauboom in Stellingen und Lokstedt

Schon jetzt erlebt Eimsbüttel einen Bauboom, vor allem in Lokstedt und Stellingen. So wird eine Fläche nahe Hagenbecks Tierpark mit 220 Wohnungen bebaut. Streit gibt es dort, weil 34 Kleingartenbesitzer dafür Flächen frei machen mussten. „Wir werden dafür sorgen, dass in Eimsbüttel mit Augenmaß gebaut wird. Grünflächen und Parks müssen geschützt werden“, sagt Rüdiger Rust. Er sieht großes Potential zur Nachverdichtung an den Magistralen wie an der Kieler Straße oder am Lokstedter Steindamm.

Nachverdichtung ohne Grünvernichtung ist nicht einfach. Und in den schnell wachsenden Stadtteilen Lok­stedt und Stellingen wird Potenzial für weitere 4500 Wohnungen gesehen. Viele Eimsbütteler fürchten angesichts dieser Entwicklung Enge und Verlust der Lebensqualität.

Der Bezirk in Zahlen

 

Einwohnerzahl: 263.710

 

Fläche in Quadratkilometern: 49,8

 

Einwohner pro Quadratkilometer: 5295,4

 

Ausländeranteil in Prozent: 13,6

 

Ausländeranteil absolut: 35.987

 

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte: 105.558

 

Arbeitslose in Prozent: 4,0

 

Arbeitslose absolut: 7093

 

Hartz-IV-Empfänger in Prozent: 5,9

 

Hartz-IV-Empfänger absolut: 15.630

 

Wahlberechtigte: 209.687

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Und die Eimsbüttler machen gern mobil, ob gegen zu viel Bebauung oder gegen die Verlegung und Verkleinerung von Hundeauslaufflächen wie zuletzt am Isebekkanal. Gleichzeitig führte ein erfolgreicher Bürgerentscheid überhaupt zu einer Umgestaltung des Grünzugs am Isebekkanal. Immer mischen die Menschen mit, stellen politische Entscheidungen infrage. So auch die Initiative „Lebenswertes Lokstedt“, die den Verkauf von Kleingärten als Erweiterungsfläche für Beiersdorf kritisiert.

Bürger sollen mehr mitreden können

Im Bezirksamt ist man sich des Bürgerwillens, der manchmal zu Bürgerwut führt, bewusst. Bürger sollen daher in Eimsbüttel mehr mitreden können. Entwicklungskonzept „Eimsbüttel 2040“ nennt sich das, was die Bezirksversammlung beschlossen hat. „Wir wollen die Stimmen der Kinder und Jugendlichen in unserem Bezirk hören: Deshalb werden wir feste Beteiligungsstrukturen in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe einrichten und uns für die Gründung eines Jugendbeirats im Bezirk einsetzen“, sagt Rüdiger Rust.

„Die Menschen erwarten neben guter Bürgerbeteiligung von uns eine Idee, wie wir den Bezirk für die Zukunft gestalten“, sagt Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD). Also noch mehr mitreden ist die Devise. Erst vor zwei Jahren haben SPD und Grüne den Bezirksamtsleiter gewählt. Die rot-grüne Koalition gilt in Eimsbüttel als stabil.

Das sieht die Opposition naturgemäß anders. „Der rot-grünen Regierung im Bezirk fehlt es komplett an Fantasie, und auch inhaltlich gibt es große Widersprüche der Partner“, sagt Rüdiger Kuhn, Fraktionsvorsitzender der CDU. „Mittlerweile bringen beide die Anträge schon getrennt ein, weil man sich nicht verständigen kann, und dann wird alles in den Ausschüssen zermahlen.“

Mobilität ist die größte Herausforderung

Genau wie für die übrigen Parteien im Bezirk ist auch für die CDU das Thema Mobilität die größte Herausforderung. „Wir wollen, anders als der jetzige Senat, alle vier Verkehrssysteme gleich behandeln und aufwerten: Im Bereich ÖPNV setzen wir viel Hoffnung in den Ausbau der U 5 bzw. der S 21“, so Kuhn. Genau wie die SPD: „Mit der U 5 und der S 21 werden wir in den kommenden Jahren den öffentlichen Nahverkehr weiter voranbringen“, so Rüdiger Rust (SPD).

Aus Sicht der Opposition gibt es etliche Kritikpunkte: „Bei Rot-Grün geht es nicht um den mangelnden Mut zur Lücke, sondern um die Abkehr von der Aufgabe hin zum Diener der Obrigkeit. Bürger werden zu Störern“, sagt Manuela Pagels (Die Linke). Die Nähe zur Senatspolitik stört auch die CDU: „Ob das Wohnungszahlen oder Fahrradstraßen sind: Der Bezirk setzt oft die Vorgaben von oben einfach um. Da könnte ein Bezirk qualitativ gegensteuern“, so Kuhn.

Enttäuschend sei für ihn die fehlende Bürgernähe. „Da wird gern ein Beteiligungsprozess beworben und die Bevölkerung zum Mitreden animiert, und dann stellt diese fest, dass 95 Prozent schon entschieden ist. So wird Frust erzeugt.“ Vor der vergangenen Bezirkswahl war häufig von dem verbindlichen, beinahe freundlichen Umgang der Fraktionen in der Bezirksversammlung die Rede, das zeichnete Eimsbüttel lange Zeit aus. Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. „Der Ton ist rauer geworden“, sagt Rüdiger Rust. Vor allem mit der Linken sei eine kon­struktive Zusammenarbeit schwierig. „Es wird häufig populistisch statt lösungsorientiert agiert.“

SPD

Gabor Gottlieb

Der Jurist Gabor Gottlieb war bis zu seinem berufsbedingten Ausscheiden 2016 acht Jahre Mitglied der Bezirksversammlung. Der 39-Jährige lebt seit 14 Jahren im Grindelviertel.

Eimsbüttel, sagt Gabor Gottlieb, soll eine gute Heimat für Kinder und Familien bleiben. „Dafür brauchen wir neue Schulen, vor allem in Schnelsen, Lokstedt/Stellingen und auch im zentralen Eimsbüttel.“ Ein weiteres wichtiges Anliegen ist das Thema Wohnen: Damit sich weiterhin jeder ein Leben im Bezirk leisten kann, setzt er sich für bezahlbaren Wohnraum und einen konsequenten Mieterschutz ein.

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Weiteres Schwerpunktthema ist die Mobilität in Eimsbüttel. Gottlieb: „Wir wollen eine moderne Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer – zu Fuß, im Auto auf dem Rad und nicht zuletzt im öffentlichen Nahverkehr.“ Dazu gehören für ihn die Entwicklung der neuen U 5, aber auch innovative Angebote wie der Bürgerbus (Anmerkung der Redaktion: in Niendorf-Ost) und Moia. „Und nicht zu vergessen: Auf den neuen A-7-Deckeln in Schnelsen und Stellingen gewinnt unser Bezirk neue Grünflächen“, so Gottlieb. gen/nib

Bündnis 90/Grüne

Lisa Kern

Die Verlagskauffrau Lisa Kern hat eine Tochter und wohnt mit ihrer Familie in Lokstedt. Die 36-Jährige war lange Zeit im Regionalausschuss Lokstedt aktiv, bevor sie zur Fraktionsvorsitzenden in der Bezirksversammlung gewählt wurde. Sie sagt: „Wir Grünen wollen im Bezirk Eimsbüttel neuen und bezahlbaren Wohnraum schaffen, weil es umweltverträglicher ist, innenstadtnah zu wohnen, und weil das nicht nur Reichen möglich sein soll.“

Wenn aber mehr Menschen in Eimsbüttel leben, gehe das nur, wenn die Zahl der Autos zurückgehe und die Zahl der Grünflächen steige. Das ist ein zentrales Anliegen der Grünen. „Deshalb wollen wir den Straßenraum gerechter verteilen – zugunsten von Fuß-, Rad- und Busverkehr. Und wir wollen das vorhandene Grün erhalten und vergrößern – und auch mal umpflanzen“, so Kern.

Lisa Kern, Fraktionsvorsitzende der Eimsbütteler Grünen in der Bezirksversammlung.
Lisa Kern, Fraktionsvorsitzende der Eimsbütteler Grünen in der Bezirksversammlung. © Die Grünen

Umpflanzen bedeutet: das Grün tatsächlich umzusetzen statt abzuholzen. „Grün zu vernichten und irgendwo in Schleswig-Holstein eine Ersatzpflanzung vorzunehmen ist nicht in unserem Sinne.“ Die Grünen, sagt sie, stehen für eine Verkehrswende, für eine umweltfreundliche, moderne und barrierefreie Mobilität für alle. Dazu gehört auch, dringend eine Lösung für den zunehmenden Lkw- und Autoverkehr zu finden. gen/nib

CDU

Jutta Höflich

Seit 29 Jahren lebt Jutta Höflich in Rotherbaum und ist seit neun Jahren Mitglied der Bezirksversammlung Eimsbüttel. Zu den wichtigsten Zielen, um den Bezirk weiterzuentwickeln, gehört für die 53 Jahre alte Prokuristin zum einen die Organisation von Mobilität aller Verkehrsteilnehmer, zum Beispiel durch intelligenten und modernen Nahverkehr, den konsequenten Ausbau von StadtRad und Radwegeinfrastruktur.

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Sie fordert unter anderem den Bau von Quartiers- und Tiefgaragen. Ein weiteres Anliegen ist ihr die wirtschaftliche Entwicklung Eimsbüttels „durch Schaffung von neuem Wohnraum mit einem Mix aus sozial geförderten und frei finanzierten Wohnungen“, so Höflich. Sie setzt sich zudem für die Teilhabe älterer Menschen im Bezirk ein. Jutta Höflich: „Im Bereich des menschlichen Miteinanders heißt es, die durchgehende Barrierefreiheit zu realisieren und ehrenamtliches Engagement in allen Bereichen der Gesellschaft zum Erhalt des vielfältigen Freizeitangebots zu fördern.“ gen/nib

Die Linke

Manuela Pagels

Seit 1996 wohnt Manuela Pagels im südlichsten Teil von Lokstedt – in der Lenzsiedlung. In der Eimsbütteler Bezirksversammlung ist die Erzieherin seit 2014 und dort Fachsprecherin für Jugend- und Sozialpolitik. Sie ist außerdem im Regionalausschuss Lokstedt aktiv.

„Ich setze mich dafür ein, dass Eimsbüttel bunt, vielfältig und sozial ist“, sagt die 59-Jährige. Ihr wichtigstes Anliegen für die kommenden Jahre ist der Erhalt bezahlbaren Wohnraums durch einen Mietendeckel. „Damit die Verdrängung ärmerer Familien an den Stadtrand gestoppt wird.“ Eine weitere Flächenverdichtung durch Neubauten sei oft nicht tragbar. Damit die Bedürfnisse aller Bewohner berücksichtigt werden, fordert sie ein neues Verkehrskonzept mit Tempo 30 in den Wohngebieten sowie den Schutz der Grünflächen und Gärten.

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„Wir sind als Autowegnehmer verschrien. Wir wollen niemandem das Auto wegnehmen, aber den vielen den öffentlichen Raum wieder zugänglich machen. 80 Prozent des öffentlichen Raums in Eimsbüttel sind Straßen und Parkplätze.“ Ihr ist auch der Kampf gegen die wachsende Armut wichtig. Und: „Für ein gutes Zusammenleben braucht es eine klare Haltung gegen rechts, Ausgrenzung und Diskriminierung.“ Pagels macht sich für Flüchtlinge stark. gen/nib

FDP

Klaus Krüger

Der selbstständige Unternehmer Klaus Krüger aus Schnelsen war von 2008 bis 2014 Mitglied der Bezirksversammlung. Der Spitzenkandidat der FDP setzt sich dafür ein, dass in Eimsbüttel Arbeitsplätze in Handwerk und Gewerbe entstehen. „Wohnen und Arbeiten sollte durch einen angemessenen Umfang von Mischgebieten gewährleistet werden“, sagt der 72-Jährige.

Er möchte sich außerdem für Soziales einsetzen und Jugendeinrichtungen ausbauen und modernisieren. „Das Ehrenamt ist nicht nur mit Preisen und guten Worten zu fördern, sondern auch mit verbindlicher bezirklicher Planung.“ In Sachen Mobilität fordert Krüger, dass die U-Bahn-Linie 5 ab Dammtor, Universität, Hoheluftchaussee über den Siemersplatz nach Westen in Richtung Altona geplant wird. „Nicht die Verteufelung des Individualverkehrs ist unser Konzept, sondern ein attraktiver ÖPNV“, so Krüger.

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Auch für das Grün im Bezirk hat er Ideen: So sollen keine Bäume für Fahrradrouten gefällt, stattdessen die bestehenden Fahrradwege instand gesetzt werden. Er fordert zudem, die Straße Alsterufer vor dem US-Generalkonsulat für den Verkehr zur Entlastung von Mittelweg und anderen Straßen wieder zu öffnen sowie zu prüfen, an welchen Stellen ampelfreie Kreisverkehre eingerichtet werden könnten. gen/nib

AfD

Dirk Schömer

Der Angestellte Dirk Schömer lebt seit zwei Jahrzehnten in Stellingen und hat sich für die Weiterentwicklung Eimsbüttels Folgendes vorgenommen: Auch er fordert bezahlbaren Wohnraum für alle Wohnungssuchenden im Bezirk. „Dabei ist auf eine Bebauung mit Augenmaß zu achten und keine Überbauung von geschützten Grünflächen zuzulassen, wie zum Beispiel an der Hagendeeler Aue geschehen“, sagt Schömer.

Zum Thema Flüchtlinge sagt er: „Die Bevorzugung sogenannter ,Flüchtlinge‘ bei der Wohnungsvergabe – auch beim Projekt Perspektive Wohnen – muss ein Ende haben.“ Im Bereich Verkehr fordert Schömer eine Grundflächensanierung aller maroden Straßen sowie der Geh- und Radwege und eine „konsequente“ Trennung von Auto- und Radverkehr auf den Hauptstraßen.

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Sein Ziel: „Der ideologischen Verkehrspolitik mit der Verteufelung des Autofahrers entschieden entgegentreten und vor allen Dingen das Zukunftsprojekt, den Bau der U 5, mit all unseren Kräften unterstützen.“ Auch Sicherheit und Sauberkeit spielen für Dirk Schömer eine große Rolle. Er möchte, dass der Bezirkliche Ordnungsdienst wieder eingeführt wird, „mit einer den Aufgaben entsprechenden Mitarbeiterzahl“. Gemeinsam mit seiner Fraktion dulde er keine Toleranz gegenüber Graffiti in der Öffentlichkeit. gen/nib

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