Eimsbüttel. Der Umbau der Geschäftsstraße kostete acht Millionen Euro. Nicht nur der Senat ist begeistert. Aber es gibt auch Kritik.

Die Moderne der Hamburger Verkehrspolitik ist nach Lesart des Senats 1,3 Kilometer lang, bietet Fußgängern satten Raum, legt den Radverkehr auf die Straße und lässt den Autoverkehr nicht stocken. Nach Lesart der Kritiker ist die Moderne der Hamburger Verkehrspolitik ein schöner und guter Anfang, aber auch nur ein Kompromiss und deshalb noch lange nicht die ersehnte (perfekte) Zukunft. Nach ihrem 8 Millionen Euro teuren Umbau kann es die Osterstraße in Eimsbüttel noch nicht allen recht machen.

Am Sonntag wurde die stadtweit bekannte Einkaufsstraße nach gut zweijähriger Bauzeit als stilprägendes Beispiel zukunftsorientierter Hamburger Straßensanierung freigegeben. Fortan soll sie vor allem Fußgängern und Radfahrern Sicherheit und Bewegungsfreiheit bieten, als Boulevard wahrgenommen werden und eine Art Vorbildfunktion für andere Geschäftsstraßen der Stadt erfüllen, sagte Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD). In einem symbolischen Akt räumten Rieckhof und Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Kay Gätgens mit Vertretern des Vereins Osterstraße am verkaufsoffenen Sonntag die letzten Bauutensilien zur Seite.

Viele Radfahrer sind mit dem Umbau nicht einverstanden
Viele Radfahrer sind mit dem Umbau nicht einverstanden © Klaus Bodig/HA

Beschwerden und Pannen während der Bauphase

Nach zahlreichen Beschwerden und Pannen während der Bauphase sagte Amtsleiter Gätgens mit Blick auf die Gewerbetreibenden, Anwohner und Kunden, denen viel zugemutet worden sei: „Wir sind alle froh, dass die Bauzeit überstanden ist. Aber es hat sich gelohnt: Die Osterstraße ist als wichtiges Zentrum Eimsbüttels für die Zukunft gut aufgestellt.“ Die Nominierung beim Deutschen Ingenieurpreis in der Kategorie „Baukultur“ sowie beim Deutschen Verkehrsplanungspreis können sich die Planer jedenfalls ans Revers heften.

Davor waren allerdings Parkbügel erst auf, dann als Stolperfallen wieder abgebaut worden, nutzten Anwohner neue Verkehrsinseln verbotswidrig zum Parken, beklagten sich Händler über erhebliche Umsatzeinbußen. Alle hätten sich erst an die neue Osterstraße gewöhnen müssen, so Gätgens. Mit Hilfe der Polizei werde das Ergebnis und das Verkehrsverhalten nun überwacht.

Nicht nur die Fahrbahn wurde geglättet

Tatsächlich wurde die zentrale Achse mit ihren 280 Geschäften in drei Bauabschnitten generalüberholt. Nicht nur die Fahrbahn wurde geglättet, sie wurde zugunsten breiterer Gehwege auch verengt und mit zahlreichen, teils bepflanzten Sprunginseln für Fußgänger verschwenkt. Fast 500 Fahrradbügel bieten erhöhten Abstellkomfort für Zweiräder. Von einer Autostraße ist die Osterstraße zu einer Fußgängerstraße mit befriedetem Auto- und Radverkehr geworden.

Staatsrat Andreas Rieckhof bezeichnete den Umbau als „sehr gelungen“. Wie an der Fuhlsbütteler Straße sehe man hier die Zukunft Hamburger Geschäftsstraßen. Gerichtet an die lautstark protestierenden Radfahrer, die sich Tempo 30 und erhöhte Radwege gewünscht hätten, sagte er: „Auch Hardcore-Fahrradfahrer, wenn sie nicht mit Blindheit geschlagen sind, müssen sehen, dass sich viel verbessert hat.“ Rieckhof habe mit Einwänden der Autofahrer gerechnet, immerhin mussten sie 100 Parkplätze aufgeben. Den Prostet der Radfahrer könne er nur schwer nachvollziehen, zumal es vor Baubeginn sechs Bürgerbeteiligungen gegeben habe.

Es gab Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern

Insgesamt waren 42 Dienststellen, Vereine und Institutionen konsultiert worden, mehr als 1800 Passanten sowie einige Hundert Anwohner und Gewerbetreibende wurden befragt. Die große Mehrheit wünschte sich Veränderungen an der ergrauten Stadtteilachse. Denn die prägende Gestaltung der Osterstraße stammte aus den 50er-/60er-Jahren, immer wieder gab es Konflikte zwischen Radfahrern und Fußgängern. Vor dem Umbau glich die Straße vielerorts einem unübersichtlichen Blechknäuel. Dass nicht alle Wünsche bei der Sanierung berücksichtigt werden konnten, sei das Wesen kompromissbereiter Demokratie.

Der Platzgewinn für Fußgänger, die Inseln in der Fahrbahnmitte, die neue Radverkehrsführung – das gab es nicht zum Nulltarif. Autofahrer haben große Teile der Fahrbahn und die Hälfte aller Stellplätze verloren. Noch immer ein schmerzlicher Verlust für stellplatznotgeplagte Anwohner und Gewerbetreibende. Als Zugeständnis wurden nachträglich Ladezonen eingeplant.

Über Beurteilung des Umbaus gibt es keine Einigkeit

In der Beurteilung des Umbaus herrscht deshalb auch noch keine Einigkeit. Der Hamburger Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) urteilt etwa: „Viel besser als vorher, aber nach wie vor nicht konfliktfrei.“ Der Umbau zeige zwar, wie es mit mutigen Planungsansätzen gelingen kann, Straßenräume aufzuwerten und Boulevardatmosphäre zu schaffen – etwa durch ansprechende Sitzbänke sowie großzügige Baum- und Blumeninseln. Andererseits sei die Forderung nach Tempo 30 unerhört geblieben. Der ADFC lobt Vorteile für Radfahrer und Fußgänger, tadelt den Umbau aber als Zeichen von Inkonsequenz. „Ich nutze die Osterstraße als Radfahrer seit dem Umbau deutlich lieber“, sagt ADFC-Mitglied Johannes Bouchain. Viele Autofahrer würden mit der neuen Straßenaufteilung aber fremdeln und „äußerst knapp überholen“. Viele Radfahrer fühlten sich unsicher und bedrängt, auch das hohe Aufkommen an Falschparkern sei problematisch. „Hier muss dringend nachgebessert werden“, fordert Bouchain.

Die Linke im Bezirk ist auch nicht zufrieden: „Tempo 30 oder der Ausbau einer autofreien Osterstraße wurden abgelehnt“, sagt Fraktionschef Peter Gutzeit. Herausgekommen sei eine Osterstraße, „die zwar hübsch anzusehen ist, aber von vielen, besonders älteren Radfahrern nicht mehr benutzt wird“.

Deshalb unterstütze die Linksfraktion die Online-Petition „Kurs Fahrradstadt“, die zur Demonstration für mehr Sicherheit aufgerufen hatte. Mit Klobürsten wurde kurzerhand der Radstreifen vom Autoverkehr getrennt. Auch eine Lösung, aber auch nicht perfekt.