Eimsbüttel. Bezirksamt sperrt Schlafplatz am Isebekkanal. Nachbarn sprechen von Skandal, FDP und Linke wollen den Zaun wieder abreißen. Eine Posse.
Ein Zaun gegen Obdachlose irritiert die Eimsbütteler – und beschäftigt nun die Bezirkspolitik: Denn das Bezirksamt hatte unlängst unter der Goebenbrücke am Isebekkanal auf beiden Seiten des Ufers Zäune errichten lassen, um Obdachlose zu vertreiben. Und nachdem bereits eine Anwohnerin im Viertel mit Flugzetteln darauf aufmerksam gemacht hatte und den Rückbau forderte, protestieren nun auch Politiker der Linken – unter Sympathie der Grünen – gegen die Maßnahme und fordern: Der Zaun muss weg.
Der dazugehörige Antrag erhielt am Donnerstag in der Bezirksversammlung zwar Szenenapplaus, aber keine Mehrheit. Er wurde an den Kerngebietsausschuss am kommenden Montag überwiesen. Es gebe noch Beratungs- und Informationsbedarf, die Lage der Obdachlosen soll analysiert werden. „Der Zaun ist ein Skandal“, schreibt unterdessen die unbekannte Anwohnerin, die mit „Ihre Nachbarin“ unterschreibt. Die Obdachlosen, die lange Zeit unter der Brücke geschlafen haben, hätten weder gestört, „noch haben sie ein Saufgelage im Park veranstaltet“. Auch Peter Gutzeit von den Linken ist empört: Mit dem Zaun werde das Aufenthaltsproblem der Obdachlosen nicht gelöst, sondern auf andere Flächen verlagert.
Sevecke: „Geht um Schutz von Leib und Leben“
Das Bezirksamt hat den Zaun für 2000 Euro errichten lassen. „Da der Bereich zur Grün- und Erholungsanlage gehört, ist das Übernachten dort nicht gestattet“, heißt es aus dem Bezirksamt. In der Verwaltung befürchtet man aber auch, dass die zwei wohnungslosen polnischen Wanderarbeiter, die den Platz nutzten, im Schlaf in den Isebekkanal rollen und ertrinken könnten. „Hier geht es um Schutz von Leib und Leben“, sagt Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke.
Vor dem Aufstellen des Zaunes war die Verwaltung in Kontakt mit den zwei Obdachlosen und der Tagesaufenthaltsstätte an der Bundesstraße, um den beiden Alternativen aufzuzeigen und anzubieten. „Unter Brücken zu schlafen, hat nichts mit Romantik zu tun. Der Zaun hat nichts mit Geringschätzung zu tun. Es geht um die Sicherheit“, so Sevecke. Auch nach der Bezirksversammlung sprach er von „guten Gründen“. Der poltischen Beratung wolle er nicht vorgreifen, rechne aber damit, den Zaun stehen zu lassen.
Der Eimsbütteler FDP-Chef und Bezirksabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen sagte: "Das ist schon zynisch, als Begründung für den Zaun gegen Obdachlose Sicherheitsvorsorge ins Feld zu führen, die Obdachlosen könnten betrunken im Schlaf in den Isebekkanal fallen. Ich werde am Montag dem Antrag von Die Linke zustimmen. Der Zaun muss weg!.“
Zu wenig Schlafplätze für Obdachlose
Vor fünf Jahren hatte schon einmal ein Zaun gegen Obdachlose für Aufregung gesorgt: Unter der Kersten-Miles-Brücke auf St. Pauli sollten Obdachlose durch Zäune vertrieben und damit das Stadtbild verschönert werden. Vergebens. Heute campieren die wohnungslosen Menschen dort wieder. Für den Zaun am Isebekkanal gibt es indes auch Verständnis: „Wir finden das richtig, weil das eine gefährliche Ecke ist“, sagt Steffen Becker, Sprecher der Diakonie Hamburg, die auch die Tagesaufenthaltsstätte (TAS) für Wohnungslose an der Bundesstraße betreibt. „Wenn sich jemand im Schlaf umdreht und angetrunken ist, kann er leicht in den Kanal stürzen und ertrinken“, so Becker. Das sei auch schon passiert.
Das Problem sei weniger der Zaun, sondern der Mangel an Wohnungen. „Es gibt zu wenig Unterkünfte und Wohnungen für Menschen in prekären Situationen.“ Mit dem Ende des Winternotprogramms fehlten noch mehr Schlafmöglichkeiten. Für etwa 2000 obdachlos lebende Menschen in Hamburg stehen laut Diakonie zu wenige Schlafplätze zur Verfügung.