Lokstedt/Sasel. Scharfe Kritik an der Ausweisung der Überschwemmungsgebiete an der Berner Au und der Kollau. Tiefliegendes Areal blieb bei Orkan völlig trocken
Nach den heftigen Protesten an der Berner Au organisiert sich auch an der Kollau der Widerstand gegen die Überschwemmungsgebiete (ÜSG). Um die Straßen Wullwisch, Wehmerweg, Bullenreder, Niendorfer Straße, Heckenrosenweg und Kollaustraße liegen 50 bis 60 besiedelte Grundstücke, die mit der vorläufigen Ausweisung als ÜSG erheblich an Wert verloren haben. Die Anwohner haben die Bürgerinitiative „Rettet den Hagendeel“ (www.hagendeel.de) gegründet. In Sasel und Berne sind 305 Grundstücke betroffen.
Wie an der Berner Au sehen sich auch die Betroffenen an der Kollau nicht als Opfer einer übermächtigen Natur, sondern der städtischen und gewerblichen Regenwassereinleitungen. Die Überschwemmungsgebiete aber werden auf der Basis der Annahme ausgewiesen, dass natürliche Binnengewässer über die Ufer treten. Für Siele gelten andere Gesetze.
Die Stadt hatte unter Hinweis auf EU-Vorgaben nach den Fluten an Oder und Elbe die Topografie Hamburgs ermittelt und die am tiefsten liegenden elf Gebiete zu neuen Überschwemmungsgebieten erklärt. Dort ist das Bauen nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubt, das Wasser soll sich ungehindert ausdehnen können und damit seine Kraft verlieren. Größen und Grenzen der erst vorläufig festgelegten ÜSG basieren auf den amtlicherseits erwarteten Pegelständen bei 100-jährlichen Binnenhochwassern, verursacht von natürlichen Gewässern.
Die meisten Überschwemmungsgebiete sind unbesiedelt, aber an Berner Au, Kollau, Lottbek und zum Teil auch an der Osterbek ist das anders. Die Bewohner fühlen sich enteignet und um den Wert ihrer Grundstücke betrogen. Die Berner Au würde ohne die Regenwassereinleitungen aus den benachbarten neuen Siedlungsgebieten in Volksdorf und Rahlstedt gar kein Wasser mehr führen. Auch an der Kollau spielen Einleitungen die wesentliche Rolle.
„Die umliegenden Gewerbeansiedlungen O2World, AOL Arena, die A 7, Ikea und der städtische Bauhof leiten ihr Regenwasser in die neue Kollau“, sagt Uwe Klinger, Anwohner und als TÜV-Gutachter in der Lage, die städtischen Argumente zu kontern. „Bei hohen Wasserständen kann deshalb das Wasser aus der alten Kollau nicht abfließen. Die Fließrichtung kehrt sich sogar um. Das was dann auf unsere Grundstücke läuft, kommt aus einem Regenwassersiel in der Straße Wullwisch.“ Die neue Kollau liegt hinter dem vier Meter hohen Bahndamm der Güterumgehung. Der Damm funktioniere wie ein Deich, sagt Klinger.
Wenn die neue Kollau über die Ufer trete, könne das Wasser gar nicht in die als ÜSG ausgewiesenen Flächen jenseits des Damms laufen. „Selbst die Unterführung des Bahndamms liegt an der tiefsten Stelle noch acht Meter über Normalnull“, sagt Klinger. „Und das für die ÜSG-Ausweisung maßgebliche 100-jährliche Hochwasser hat die Behörde mit einem Wasserstand von 7,40 Meter über NN angegeben. Das Wasser müsste also 60 Zentimeter Höhe überspringen, um zu uns zu kommen.“
Klinger hat in einem Gutachten zahllose Fehler und Widersprüche in den städtischen Berechnungen aufgeführt. So habe die Verwaltung die über Rohre unterirdisch geführten Abflüsse von alter Kollau und Geelebek in die neue Kollau schlicht vergessen. Ein inhaltlicher Austausch mit der Umweltbehörde oder dem ausführenden Landesbetrieb sei aber bisher nicht zustande gekommen, sagt Klinger. Er sei „monatelang nur hingehalten worden“.
Im Regionalausschuss Lokstedt erklärte jetzt auch die Bezirksverwaltung, dass zwei Drittel des Niederschlagswassers in der Kollau aus den Einleitungen der Gewerbegebiete herrühren.
Der schnelle Anstieg des Pegels, der die alte Kollau innerhalb von 30 Minuten von 30 Zentimeter Breite auf 2,5 bis drei Meter wachsen lassen kann, habe wesentlich damit zu tun, dass es beispielsweise kaum Rückhaltebecken gibt, die das Regenwasser aufstauen und kontrolliert abgeben könnten.
Die Stadt nutzt natürliche Gewässer und Flussbetten als Regenwassersiele und geht bisher davon aus, dass sie rechtlich auch dann als natürliche Wasserwege gelten, wenn sie ohne Regenwassereinleitungen trockenfallen würden. Die Behörde hatte zwar unmittelbar vor der Wahl neue Berechnungen angekündigt, will aber die zugrundeliegenden Daten und Methoden nicht ändern. Sie will ihr Modell nur „verfeinern“ und danach die ÜSG endgültig festlegen. „Aber das geben ihre Berechnungen einfach nicht her“, sagt Thomas Müller von der Bürgerinitiative „Kein ÜSG Berner Au“.
So habe das Sturmtief „Zoran“ in ganz Norddeutschland Verwüstungen angerichtet und zahllose Keller voll Wasser laufen lassen. Doch da, wo nach den Prognosen der Umweltbehörde Land unter zu erwarten gewesen wäre, sei nichts passiert. Das ÜSG Berner Au blieb trocken, obwohl am einzig funktionierenden Pegelstandmesser der Wert für ein zehnjährliches Hochwasser praktisch erreicht wurde. Demnach hätten um die 35.000 Quadratmeter im Siedlungsgebiet um die Krögerkoppel unter Wasser stehen müssen. Doch die Berner Au ist noch nicht einmal über die Ufer getreten.
Die Umweltbehörde bestätigte, dass der Pegelstand den zehnjährlichen Wert erreicht habe, sprach aber von einer Bewährung ihrer Prognosen. Warum die Überschwemmung dennoch ausblieb, ließ sie offen. Es gebe keine Notwendigkeit, die Größe des ÜSG Berner Au nach unten zu korrigieren.
Für die Ausweisung von ÜSG ist es wesentlich, dass dort schon Hochwasser beobachtet wurden. Das von der Behörde angegebene zehnjährliche Referenzhochwasser an der Berner Au, bei dem Teile der Straße überschwemmt worden waren, ist laut Initiative auf eine Rohrverstopfung im Regenwasserzulauf zurückzuführen. Die Stadt hält die Zuläufe und Durchflüsse seit Jahren nicht mehr sauber.
Die vor der Wahl versprochene Bürgerbeteiligung blieb bisher aus. Die Umweltbehörde erklärte, sie wolle erst fertig rechnen und dann „informieren“. Von der Diskussion, die die Anwohner gefordert hatten, war keine Rede.