Zukunft des geplanten Flüchtlingsheims an der Sophienterrasse ist ungewiss. Gericht hatte Eilantrag von Anwohnern gegen eine Baugenehmigung stattgegeben. CDU wirft Senat „Geldvernichtung“ vor.
Hamburg. Die Sophienterrasse im feinen Harvestehude ist eigentlich eine beschauliche Wohnstraße. Doch am Freitag herrschte hier sehr viel Trubel. Kamerateams und Journalisten warteten vor dem ehemaligen Kreiswehrersatzamt, in das eigentlich Ende April bis zu 220 Flüchtlinge einziehen sollten. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass das Verwaltungsgericht Hamburg einen Baustopp für die geplante Einrichtung verhängt hatte, weil es sich um ein besonders geschütztes Wohngebiet handele. Das Gericht hatte dem Eilantrag von Anwohnern stattgegeben, die gegen eine Baugenehmigung für die Errichtung der Flüchtlingsunterkunft vorgehen.
Doch es kommen kaum Anwohner vorbei – und wenn, dann haben sie kein Interesse daran, sich zu äußern. Das Thema scheint zu brisant zu sein. Schließlich kommt eine junge Pädagogikstudentin vorbei, die hier nicht lebt, aber in der Nähe einen Nebenjob hat: „Immer wird sich beklagt, dass in Hamburg keine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen stattfindet. Aber hier, wo es eine gute Wohnmöglichkeit gibt, setzen sich die Anwohner zu Wehr, das ist schade”, sagt Carolin Polanski.
Unterdessen tragen Handwerker aus dem mit Baugittern eingezäunten Gelände ihre Sachen in ihre Wagen. Sie dürfen nach dem Baustopp nicht mehr weiterarbeiten. Dass die Stadt das ehemalige Kreiswehrersatzamt vom Bundesamt für Immobilienaufgaben (BIMA) in einer der teuersten Gegenden der Hansestadt für rund 15 Millionen Euro erwirbt, war von Anfang an umstritten. Als der Deal bekannt wurde, kritisierte CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze: „Die Stadt muss sich aufgrund der großen Investition fragen lassen, ob es nicht andere Grundstücke für die Unterbringung von Flüchtlingen im Bezirk Eimsbüttel gibt, die ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen.“ Der FDP-Stadtentwicklungsexperte Kurt Duwe sagte damals: „Es stellt sich bei den horrenden Summen schon die Frage, ob das Geld nicht an anderer Stelle klüger zu verwenden wäre.“
Der Start für den Umbau des Gebäudes hatte sich verzögert. Eigentlich sollten die ersten Flüchtlinge dort schon im Herbst vergangenen Jahres einziehen. Zuletzt hieß es: Ende April. Das ist aber unrealistisch, da es Monate dauern kann, bis das Hamburgische Oberverwaltungsgericht über die Beschwerde des Bezirksamtes Eimsbüttel entscheidet. Fällt diese positiv für die Stadt aus, könnten erst dann die Bauarbeiten fortgesetzt werden. Die Kosten für den Umbau hatte „fördern und wohnen“ (f&w) bislang auf rund 4,8 Millionen Euro beziffert. Sollte jedoch der Baustopp nicht aufgehoben werden, in letzter Konsequenz hier keine Flüchtlingsunterkunft entstehen, „dann hätten f&w und die Stadt viel Geld verpulvert“, sagte der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Wankum.
Am Freitag musste f&w-Chef Rembert Vaerst auf Abendblatt-Anfrage zugeben: „Wir müssen trotz Baustopps, die Verträge mit den Handwerkern erfüllen. Natürlich war uns das Risiko eines Baustopps bewusst.“ Offensichtlich war der Druck der Sozialbehörde, die f&w mit dem Betrieb und dem Umbau beauftragt hat, sehr groß: „Wir haben abgewogen und schließlich auf den Wunsch der Sozialbehörde reagiert und mit dem Umbau begonnen. Denn wir brauchen dringend weitere Unterkünfte für Flüchtlinge“, sagte Vaerst.
Das bedeutet: Auch wenn die Handwerker dort ihre Arbeiten nicht weiter ausführen können, müsste f&w trotzdem die in den Aufträgen verabredeten Zahlungen an sie leisten. Für Wankum steht fest: „Das was die Stadt hier macht ist Geldvernichtung. Kein normaler Kaufmann würde Aufträge für ein Bauvorhaben erteilen, wenn bekannt ist, dass ein Baustopp droht.“ Außerdem weiß Wankum zu berichten: „Die Stadt bezahlt seit dem 1. Juli 2014 monatlich 55.000 Euro Miete an „fördern und wohnen“ für die noch nicht genutzte und nunmehr auch nicht als Flüchtlingsunterkunft zu nutzende Immobilie an der Sophienterrasse.“
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sagt über den Baustopp: „Es gehört zum Rechtsstaat, dass man Entscheidungen auch dann akzeptieren muss, wenn sie einem nicht passen.“ Für Dressel ist wichtig: „Jeder kann und sollte vor Ort einen Beitrag leisten – durch konkrete Hilfe statt durch eine Klage. Angesichts der Not vieler Flüchtlinge sollte sich jeder fragen, ob der eigene ,Gebietserhaltungsanspruch‘, auf den das Verwaltungsgericht in Harvestehude seine Entscheidung gegründet hat, auch mal zurückstehen kann.“