An der Eimsbütteler Chaussee soll ein 125 Jahre altes Haus für einen Neubau abgerissen werden. Langjährige Mieter sind entsetzt.

Hamburg. An der Eimsbütteler Chaussee 39-45 steht eines der letzten Gebäude der Straße, das eine 125 Jahre alte Geschichte zu erzählen hat. Nach einem Eigentümerwechsel soll der Altbau mit Jugendstilfassade nun abgerissen werden. Stattdessen ist ein Neubau mit „großzügigen Lofts“ und „sonnigen Penthouses“ geplant. Ein Schock für die langjährigen Mieter.

Seit fünf Generationen wohnt Dirk Höner mit seiner Familie im Haus mit der Nummer 41. Hier hat der 45-Jährige seine Kindheit verbracht, im Jahr 1999 dann die Wohnung von den Großeltern übernommen. „Vor vier Jahren mussten meine Eltern das Haus leider verkaufen“, erzählt der Eimsbütteler. Ein Schwammbefund auf dem Dachboden habe den Eltern Sorge bereitet, eine Sanierung sei zu teuer gewesen. Eine Immobilienfirma habe das Haus für wenig Geld abgekauft. „Vom Verkauf konnte ich meine Eltern nicht abhalten“, sagt Höner. Die Immobilienfirma habe damals vom Abriss des Hinterhauses gesprochen, das Vorderhaus sollte neu Instand gesetzt werden. Mehr als drei Jahre lang passierte nichts.

Im Januar 2012 kam mit einem erneuten Eigentümerwechsel die Wende. „Ich habe sofort die Kündigung erhalten“, sagt Birgit Wyrowski, seit 25 Jahren Inhaberin des Musikgeschäfts im Erdgeschoss. Bis Ende Juli müsse sie ihren Laden räumen. Das sei noch human, meint sie. „Die Gewerbeflächen im Erdgeschoss sind für den Eigentümer nicht lukrativ genug“, vermutet Wyrowski, „hier ist durch einen Umbau vor etwa 100 Jahren viel Platz verschenkt worden.“

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Den Platz will die Firma Wernst Immobilien nun nutzen. Mehr als 50 Neubauwohnungen sollen entstehen, der Wohnraum würde sich damit mehr als verdoppeln. „Eine Sanierung kommt für uns nicht in Frage, da einerseits die Statik des Altbaus keine Aufstockung erlaubt. Andererseits ist das Gebäude energetisch in einem desolaten Zustand“, erklärt Joachim Wernst, Geschäftsführer von Wernst Immobilien. Dem würde nur ein Neubau gerecht werden. Zudem werde erheblich mehr Wohnraum geschaffen.

„Uns hat niemand über den Abriss informiert“, meint Familie Glossner. Die Nachbarn der Höners hätten nur durch Gespräche auf dem Hinterhof von den Plänen erfahren. Erst jetzt seien Gespräche mit der Immobilienfirma geplant. „Offenbar ist eine Art Umsiedelung für die Zeit der Bauphase geplant“, erklärt Höner, „danach sollen wir Mieter in den Neubau einziehen.“ „Wir möchten den jetzigen Mietern für die ersten drei bis vier Jahre die Miete subventionieren“, sagt Joachim Wernst, „die Mieterhöhung, die danach entsteht, wird sich wieder ausgleichen, weil die Mieter Energiekosten einsparen können.“

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Doch darum gehe es Höner nicht. Ein Bezug einer Wohnung im Neubau komme für ihn und seine Familie nicht in Frage. „Mir ist es wichtig, das Haus und damit den Charakter des Viertels zu erhalten“, sagt der Theaterschauspieler, „das ursprüngliche Eimsbüttel muss immer mehr elitärem Wohnraum weichen.“ Das Denkmalschutzamt sieht sich im Fall um die Eimsbütteler Chaussee 39-45 nicht zuständig. „Das Gebäude ist vor allem im Erdgeschoss inzwischen zu stark verändert“, erklärt Kristina Sassenscheidt, Sprecherin des Denkmalschutzamts. Als Denkmal könne das Gebäude nicht mehr eingestuft werden.

Die Firma Wernst Immobilien sei derzeit bestrebt, mit den letzten vier verbleibenden Mietparteien einen einvernehmlichen Weg zu finden. Eine Kündigung sei nicht vorgesehen. Zwei Mieter hätten den Umsiedelungsplänen bereits zugestimmt. Wernst betont: „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden werden.“ Höner dagegen wünscht sich „nichts sehnlicher, als dass das Haus vor dem Abriss bewahrt wird.“