Hamburg. Wo ist es in der Stadt am schönsten? Teil 16: Moderne Architektur trifft auf liebevoll restaurierte Altbauten.

Leben und leben lassen. Diese alte Redensart passt perfekt zu St. Georg. Es ist ein Stadtteil voll Facetten. Multikulti auf dem Steindamm, flanieren auf der Langen Reihe, entspannen an der Alster oder Picknick im Lohmühlenpark. Große Stücke im Deutschen Schauspielhaus oder etwas fürs Herz im Ohnsorg-Theater. Die liebevoll restaurierten Altbauten in dem Stadtteil fallen sofort ins Auge. Aber auch neue Gebäude mit moderner Architektur. Kurzum, in St. Georg fühle ich mich wohl. Meine erste Berührung mit diesem Stadtteil hatte ich vor gut 15 Jahren, als ich nach Hamburg kam und dort eine Wohnung mietete. Hier ist man mitten im Leben, trifft interessante Menschen und erlebt eine gastronomische Vielfalt, die in der Hansestadt einzigartig ist.

„St. Georg ist ein Dorf.“ Das sagt ein Mann, der hier bekannt ist wie „ein bunter Hund.“ Meist trägt Karl-Heinz „Kalle“ Ramke einen Hut und in den Medien wird er auch mal als „König von St. Georg“ bezeichnet. Das liegt daran, dass dem Geschäftsmann „zahlreiche“ – in diesem Fall ein dehnbarer Begriff – Immobilien in dem Stadtteil gehören. Sein Viertel hat Ramke von der Dachterrasse seines Penthouses an der Schmilinskystraße, in dem er mit seinem Mann Slava lebt, immer im Blick.

Außengastronomie gibt es auch im Winter

Altbauten prägen den Stadtteil, so wie dieses Gebäude an der Schmilynskistraße.
Altbauten prägen den Stadtteil, so wie dieses Gebäude an der Schmilynskistraße. © Hamburger Abendblatt/Ulrich Gaßdorf | Hamburger Abendblatt/Ulrich Gaßdorf

Aus Winterhude ist er vor 30 Jahren hierhergezogen: „Ich spreche von einem Dorf, weil es sich wirklich so anfühlt. Zweimal in der Woche ist Markt auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz, da wird der neueste Klatsch ausgetauscht. Und eigentlich kann man keine zehn Meter gehen, ohne einen Bekannten zu treffen. Jeder hilft jedem.“

Mit Karl-Heinz Ramke kann man sich auf eine Zeitreise begeben: „Vor drei Jahrzehnten, da standen an der Langen Reihe noch die Prostituierten, und hier, wo heute Eigentumswohnungen für bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter verkauft werden, waren noch Bordelle.“ Nach und nach seien die teils heruntergekommenen Altbauten saniert worden, und die Lange Reihe habe sich zu einem „Place to be“ entwickelt.

Die Lange Reihe. Das ist heute wohl eine der berühmtesten Straßen in Hamburg, die in keinem Reiseführer fehlen darf. Sehen und gesehen werden ist dort das Motto. Überall stehen Tische und Stühle vor den Lokalen – selbst im Winter sitzen die Gäste hier in dicken Jacken draußen.

St. Georg: Das sind die Fakten

  • Einwohner: 11.384
  • Davon unter 18: 1146
  • Davon über 65: 1496
  • Durchschnittseinkommen: 44.121 Euro (Stand 2013)
  • Fläche: 2,4 km²
  • Anzahl Kitas/Kindergärten: xx
  • Anzahl Schulen: 1 Grundschulen, 1 Gymnasien, 1 Stadtteilschule
  • Wohngebäude: 547
  • Wohnungen: 6240
  • Niedergelassene Ärzte: 98
  • Straftaten 2018: Erfasste Fälle 20.047, aufgeklärte Fälle 14.193

Sehen und gesehen werden auf der Langen Reihe

Die Lange Reihe ist so etwas wie der längste Laufsteg der Stadt und eine kulinarische Reise um die Welt. Indisch, Griechisch, Französisch, Sushi, Burger oder doch lieber Italienisch? Dort gibt es Restaurants jeder Couleur. Ein Muss ist das Cox. Wer in diesem Bistro Platz nimmt, spürt spätestens nach dem zweiten Glas Weißwein einen Hauch von Paris. Im Das Dorf wird original Wiener Schnitzel mit krossen Bratkartoffeln serviert. Ein Klassiker ist das schwul-lesbische Café Gnosa, bekannt für opulente Torten und tägliches Frühstück ab 10 Uhr. Gegenüber im Frau Möller treffen sich Anwohner und Touristen seit Jahrzehnten auf ein Bier. Auch ein Abstecher ins Kleinod an der Schmilinskystraße – unbedingt den Flammkuchen probieren – lohnt sich.

Der historische Brunnen am Hansaplatz wird von Lindenbäumen eingerahmt.
Der historische Brunnen am Hansaplatz wird von Lindenbäumen eingerahmt. © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Aber St. Georg kann nicht nur Gas­tronomie. In der Tat gibt es dort auch noch zahlreiche inhabergeführte Geschäfte wie die Traditionsbuchhandlung Wohlers an der Langen Reihe. Die liegt vom Hauptbahnhof kommend fast am Anfang der Straße, am Ende ist eine weitere Institution zu finden. Läufer’s Feinkost. Im Jahr 1962 wurde das kleine Geschäft eröffnet, ab 6 Uhr gibt es dort belegte Brötchen nach Wahl und später einen Mittagstisch. Norwegischer Räucherlachs, Holsteiner Schinken, Obst und Gemüse, Olivenöl, Wein und Champagner gehören zum Sortiment. „Ich sehe mich als Nahversorger und habe viele Stammkunden. Man kennt sich, und hier gibt es noch gelebte Nachbarschaft“, sagt Inhaber Max Läufer, der den Laden von seinem Vater übernommen hat. Auch der Weinkauf St. Georg und die Goldschmiede Meister Lalla – die auf die Reparatur von antiken Uhren spezialisiert ist – sind seit Jahrzehnten an der Flaniermeile präsent.

Kein anderer Ort bietet mehr Vielfalt

Immer adrett gekleidet im Stadtteil unterwegs, Sakko mit Einstecktuch ist bei ihm Pflicht, ist Wolfgang Schüler. Der ehemalige Hotelier lebt seit gut zwei Jahrzehnten im Stadteil: „Dass ich hier gemeinsam mit meinem Verbündeten Hinrich Lührs aus Winterhude hergezogen bin, war die beste Entscheidung meines Lebens. Es gibt, glaube ich, kaum einen Ort, der so eine Vielfalt bietet.“ Der Grandseigneur weiß, wovon er spricht. Denn als Quartiersmanager für die Interessengemeinschaft Steindamm e. V. sorgt er sich seit fast 20 Jahren um den etwas anderen Teil von St. Georg. Hier gibt es sie noch, die Straßenprostitution in den Abendstunden – auch wenn es mittlerweile schon viel weniger geworden ist.

Die neue Heri­tage Bar bietet einen Blick auf die Außenalster und über die Dächer von St. Georg.
Die neue Heri­tage Bar bietet einen Blick auf die Außenalster und über die Dächer von St. Georg. © Le Méridien Hamburg/Gerrit Meier | Le Méridien Hamburg/Gerrit Meier

Schüler brennt für diesen Standort: „Der Steindamm ist einmalig. Hier kommen Menschen aus aller Herren Länder zum Einkaufen her. Das Angebot an Obst, Gemüse und exotischen Gewürzen ist groß. Danach wird bei einem Tee in einem der türkischen Restaurants geplaudert. Das ist für mich bunt.“ Der St.-Georg-Experte ist täglich in dem Stadtteil unterwegs: „In den Cafés an der Langen Reihe sitzt das schwule Paar neben der Mutter mit dem Kinderwagen, und daneben handeln Geschäftsleute den nächsten Deal aus. St. Georg ist eben gelebte Vielfalt.“

Aus dem eher beschaulichen Finkenwerder ist Markus Schreiber vor zwei Jahren an den pulsierenden Hansaplatz gezogen und hat mit seiner Frau eine Wohnung in einem der schmucken Altbauten bezogen. Der ehemalige Bezirksamtsleiter von Mitte hat es nicht bereut – sein Fazit: „Dieser Stadtteil hält trotz aller Gegensätze zusammen.“

St. Georg: Das sind die Highlights

1. Entspannen im Grünen

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© HA

Die grüne Lunge des Stadtteils ist der Lohmühlenpark. Dort treffen sich nicht nur die „Einheimischen“, um Beachvolleyball oder Boule zu spielen. Es gibt zahlreiche Sitzbänke, oder man macht es sich mit einer Decke auf der Wiese gemütlich. Im Sommer ist es ein beliebter Ort zum Grillen und Picknicken. Für Kinder gibt es einen großen Spielplatz.

2. Italienische Lebensart

Die Zimmerpforte ist eine kleine Seitenstraße, die an den Hansaplatz grenzt. Es lohnt sich, hierherzukommen, um in familiärer Atmosphäre lecker zu essen. Eine Speisekarte gibt es in dem italienischen Restaurant Il Buco nicht. Der freundliche Kellner trägt den Gästen die Tagesempfehlungen vor. Die Nudeln sind klasse und die Kalbsleber ein Gedicht.

3. Genießen mit Ausblick

Ein neuer Hotspot in St. Georg ist die Heritage Bar im Hotel Le Méridien. Sie hat eine Dachterrasse, und wer hier einen Cocktail genießt oder sich ein Glas Champagner gönnt, dem liegt die Außenalster zu Füßen. Die Atmosphäre ist entspannt, und es kommt schnell Urlaubsstimmung auf. Hier treffen internationale Gäste auf Hamburger.