Moorfleet. Arnold Schnittger startet ein außergewöhnliches Projekt: Er baut ein barrierefreies Hausboot für seinen behinderten Sohn.

Als die großen Alu-Schwimmer mit einem Lastwagen am Moorfleeter Deich angeliefert und mit einen Kran auf dem Gelände des Jachthafens Moorfleet abgesetzt wurden, fiel Arnold Schnittger ein Stein vom Herzen. „Endlich kann der Bau der ,Hucky’ starten“, sagt der 69-Jährige. Hucky ist der Spitzname für Huckleberry Finn, wie das Hausboot heißen soll, das nun am Moorfleeter Deich entsteht. Und es ist kein gewöhnliches, sondern das erste Inklusions-Hausboot Deutschlands.

„Menschen mit Behinderungen können meist nicht am Wassersport teilnehmen. Aber gerade dort bieten sich unzählige Möglichkeiten, die Welt und die Natur zu erleben“, ist der passionierte Segellehrer überzeugt. Mittlerweile habe das Projekt aufgrund von Materialengpässen mehrere Monate Verzug. „Doch nun geht es richtig los“, sagt Arnold Schnittger.

Sein Sohn ist „ein wenig schief ins Leben gebaut“

Früher war der Hamburger als Fotograf unterwegs in der weiten Welt, immer auf der Suche nach guten Fotoreportagen. Bis sein Sohn Nico geboren wurde, der wie Arnold Schnittger sagt, „ein wenig schief ins Leben gebaut wurde“. Erst ein gutes halbes Jahr nach seiner Geburt habe man gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Dann kristallisierte sich heraus, das Nico schwerstbehindert ist.

Seitdem ist Arnold Schnittger noch immer unterwegs. Doch die Kamera hat er gegen Windelpakete getauscht und das Flugzeug gegen den Rollstuhl. Mit dem hat er seinen mittlerweile 26 Jahre alten Sohn bereits quer durch Deutschland geschoben – 11.000 Kilometer von Flensburg bis zum Bodensee.

Protestmarsch quer durchs Land, um auf Inklusion aufmerksam zu machen

Den Moment, als die Alu-Schwimmer für die „Hucky“ mit dem Lastwagen am Moorfleeter Deich angeliefert werden, lassen sich Nico und seine Mutter Bärbel Meyer nicht entgehen.
Den Moment, als die Alu-Schwimmer für die „Hucky“ mit dem Lastwagen am Moorfleeter Deich angeliefert werden, lassen sich Nico und seine Mutter Bärbel Meyer nicht entgehen. © Privat/Schnittger | Privat

Über den Protestmarsch hat er das Buch „Ich berühr den Himmel“ geschrieben. Denn der Hamburger setzt sich vehement für Inklusion ein, will aufrütteln und auf die Pflegesituation aufmerksam machen, „die in unserem reichen Land für pflegende Angehörige unwürdige Realität ist“.

2008 gründete er den Verein „Nicos Farm“, um ein Wohnprojekt für behinderte Kinder und ihre Eltern zu realisieren. „Denn als Vater eines behinderten Kindes hat man immer Angst, was mit meinem Kind passiert, wenn man selbst mal nicht mehr ist“, erklärt Arnold Schnittger. Bislang konnte das Projekt noch nicht umgesetzt werden, weil es entweder an Geld fehlte oder auf geeigneten Grundstücken kein Wohnprojekt mit Behinderten erwünscht gewesen sei, so Arnold Schnittger.

Schwimmausflüge werden auch für Rollstuhlfahrer möglich sein

Doch der Wunsch wird ebenso weiter verfolgt wie der Bau eines Hausbootes, der nun Realität wird. Die Idee dazu kam Vater und Sohn vor etwa zwei Jahren: „Wir saßen an den Landungsbrücken und träumten von der großen weiten Welt“, erinnert sich Arnold Schnittger.

Nico sei ein großer Seemann. Früher sei er mit seinem Sohn häufig gesegelt und mit ihm schwimmen gegangen. Doch mittlerweile wiegt Nico 80 Kilogramm – und ist damit einfach zu schwer, um ihn mit Muskelkraft zurück an Bord zu hieven.

Mit Kosten von 80.000 Euro wird kalkuliert

Auf der Hucky werden Schwimmausflüge wieder möglich sein. Denn das barrierefreie Hausboot wird einen Wasserlift bekommen, damit auch Menschen im Rollstuhl baden gehen können. Neben einem großen Aufenthaltsraum werden in dem 5 mal 13 Meter großen Boot auch eine Küche und ein Badezimmer untergebracht, bekommt es einen 75 PS Motor und ein Bugstrahlruder.

Etwa 80.000 Euro hat Arnold Schnittger für den Bau kalkuliert, der durch Spenden sowie Stiftungen finanziert und den Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer realisiert werden könne. Weitere Unterstützung für die Unterhaltung der Hucky sind willkommen.

Noch im Herbst soll die Hucky zu Wasser gelassen werden

Zum einen soll das Hausboot Spaß bringen, besonders Kinder mit Behinderung und allen pflegenden Angehörigen einen Ort zum Entspannen bieten. Zudem könne es Kochkurse für Kinder mit und ohne Behinderung, generationsübergreifende Begegnungen, Konzerte und Ausflüge geben, kündigt Arnold Schnittger an. Doch es soll auch das Thema Inklusion in die Öffentlichkeit bringen, sollen damit auch Fahrten unternommen werden, um mit Politik und Gesellschaft ins Gespräch zu kommen, ergänzt Schnittger.

Seine Wunschvorstellung ist es, dass die Hucky noch in diesem Herbst ins Wasser kommt und sie dann im kommenden Jahr das erste Mal ablegen kann. Ihren Heimathafen wird sie im Jachthafen Moorfleet bekommen. „Ich bin total begeistert. Ein Liegeplatz an der tideunabhängigen Dove-Elbe ist einfach ideal“, schwärmt der Wandsbeker Arnold Schnittger.

Weitere Infos und Kontakt im Internet unter www.huckleberry-finn.de.