Bergedorf. Immer mehr Bauernhäuser verfallen. Für den Erhalt sind die rechtlichen Mittel begrenzt. Hamburgs neue Denkmalpflegerin setzt aufs Gespräch.

Vor allem bei der Fahrt über den Hauptdeich sind sie nicht zu übersehen: Gleich mehrere alte Bauernhäuser und Scheunen verfallen zusehends. Riesige Löcher im Reetdach und morsche Holzbalken zeugen vom Verfall der einst so stolzen landwirtschaftlichen Gebäude. Nicht nur Bewohner des Landgebiets wie Profifotograf Achim Sperber aus Kirchwerder, der im vergangenen Jahr die Gebäude aufwendig mit Fotos dokumentierte, schmerzt der Anblick. Auch der Regionalausschuss der Bergedorfer Bezirksversammlung setzt das Thema seit Jahren immer wieder auf die Tagesordnung.

Am Dienstagabend hatte der Ausschuss Dr. Anna Joss, seit April 2020 Leiterin des Denkmalschutzamtes Hamburg, sowie Cathrin Bröcker, seit vergangenen September Leiterin des Fachamts für Verbraucherschutz im Bergedorfer Bezirksamt, als Referentinnen in der Online-Sitzung zu Gast. Beide erläuterten den Lokalpolitkern, welche Möglichkeiten es für ihre Ämter gibt, um den Erhalt von historischen Bauernhäusern zu forcieren. Doch deutlich wurde auch: Häufig ist in diesem Kampf "das Schwert recht stumpf", so Cathrin Bröcker.

Erhalt der alten Bauernhäuser eine "enorm wichtige Aufgabe"

Das bedeutet aber nicht, dass die Ämter die Häuser einfach sich selbst überlassen. Denn eins wurde aus dem Vortrag von Dr. Anna Joss deutlich: Hamburgs neue Denkmalpflegerin hat durchaus ein Auge auf die Vier- und Marschlande geworfen. "Sie sind etwas, das wir in Hamburg, ja in ganz Norddeutschland sonst nicht mehr haben", sagte die gebürtige Schweizerin. Sie erkennt daher auch den Erhalt historischer Bauernhäuser als "enorm wichtige Aufgabe" an.

Den Verfall aufzuhalten, könne sich dennoch als sehr langwieriger Prozess erweisen: Wenn ein Eigentümer sein Haus vernachlässigt, würde das Denkmalschutzamt schriftlich dazu auffordern, das Gebäude zu sichern. Erst wenn nach mehrmaliger Aufforderung dem nicht nachgekommen wird, könne die Behörde die gebotenen Maßnahmen selbst durchführen oder durchführen lassen. Die Kosten müsste dann der Eigentümer tragen. Alles in allem ein mühsamer Prozess, bei dem mit größter Sorgfalt vorgegangen werden müsse, da es auch um sensible Themen wie Eigentumsrecht gehe, erläuterte Joss. Es gelte rechtliche Mittel zu vermeiden, setze man eher auf Gespräche mit den Eigentümern, um zu einer Lösung zu kommen, so Joss.

"Dass wir alle die Häuser erhalten möchten, ist klar."

Wenn es um Leerstand von Wohnraum geht, kann auch das Verbrauchschutzamt tätig werden. Laut Hamburgischem Wohnraumschutzgesetz gilt ein Leerstand von länger als vier Monaten als „genehmigungspflichtige Zweckentfremdung“. Auch ein längerer Leerstand als vier Monate sei durchaus möglich, etwa für begründete Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten, erläuterte Bröcker. Allerdings habe das Amt auch die Möglichkeit bei zu langem Leerstand ein Wohnungsgebot auszusprechen, damit der Eigentümer den Wohnraum wieder einer Nutzung zuführt. Doch greife dieses Gesetz nicht unbedingt bei historischen Bauernhäusern, musste Cathrin Bröcker einschränken. Schließlich sei früher nur ein kleiner Teil der Hofanlagen zum Wohnen genutzt worden. Gebäude wie Scheunen oder Wirtschaftsteile müssten eben erst einer Wohnnutzung zugeführt werden, damit das Gesetz dort greifen könnte, so Cathrin Bröcker.

Auch wenn die beiden neuen Amtsleiterinnen noch keine konkreten Pläne zur Rettung der Häuser verkünden konnten, so zeigte sich die Politik nach ihrem Vortrag doch guter Dinge, dass im Zusammenspiel mit Denkmalschutzamt, Verwaltung und Politik etwas passieren kann: "Wir haben ein gutes Gefühl, dass Lösungen erarbeitet werden, um das zu retten, was noch gerettet werden kann", stellt Jörg Froh (CDU) fest. Für Stephan Meyns (FDP) kann es ein Auftakt sein: "Dass wir alle die Häuser erhalten möchten, ist klar." Nun müsste nach praktischen Möglichkeiten gesucht werden, wobei laut für Meyns die Lokalpolitik auch durchaus eine vermittelnde Rolle spielen könnte.

  • 100 Jahre Denkmalschutzgesetz

Das Hamburger Denkmalschutzgesetz trat vor 100 Jahren in Kraft. Es gibt einen Rahmen vor, in dem die Stadt nachhaltig entwickelt und das baukulturelle Erbe bewahrt werden soll. Der Beschluss der Bürgerschaft, der auf die Initiative engagierter Bürger zurückging, sei laut Kulturbehörde ein Meilenstein für die Entwicklung der Stadt gewesen. Historische Bau-, Garten- und Bodendenkmäler als Zeugen vergangener Lebensweisen dauerhaft zu erhalten, sei das oberste Ziel des Denkmalschutzes.