Neuengamme. Organisatoren ziehen positive Bilanz. 14 junge Menschen aus elf Ländern waren online miteinander verbunden.

Trotz der Corona-Pandemie haben 14 junge Menschen aus elf verschiedenen Ländern auf vier verschiedenen Kontinenten beschlossen, am diesjährigen Workcamp der KZ-Gedenkstätte Neuengamme teilzunehmen. Aufgrund der weltweiten Reisebeschränkungen gab es diesmal aber nur ein digitales Workcamp (wir berichteten).

Projekt verbindet über Kontinente hinweg

Vor wenigen Tagen fand die letzte Videokonferenz des Begegnungsprojektes statt, das den Titel „Was bleibt? Digitale Spuren der Besucher des KZ-Denkmals Neuengamme“ trug. Für die Beteiligten waren die Online-Treffen um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit zu einer Gewohnheit im täglichen Leben geworden.

„Es ist ein so beeindruckendes Digi-Workcamp: Je weiter wir entfernt sind, desto mehr Verbindungen knüpfen wir“, sagt Teilnehmerin Ahn Vu aus Vietnam und fügt hinzu: „Wir haben festgestellt, dass wir alle unsere technologischen und kreativen Seiten einbringen können, um geografische Herausforderungen zu bewältigen.“

Bedeutung des Workcamps betont

Während der Videokonferenzen hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, verschiedene Menschen kennenzulernen – Menschen, die in Neuengamme inhaftiert waren, oder die sich für die Gedenkstätte engagierten. An der inhaltlichen Gestaltung des Projektes war auch der Service Civil International (SCI), die internationale Friedensorganisation, mit der das Workcamp gemeinsam organisiert wurde, beteiligt.

Tanja Michalczyk, Projektkoordinatorin des SCI Deutschland, sprach über die Entstehung des SCI vor genau 100 Jahren und dessen Entwicklung bis heute. Ulrike Jensen von der pädagogischen Abteilung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme rief den Teilnehmenden die Bedeutung der Workcamps in Erinnerung. In der Vergangenheit wurden bei den internationalen Treffen wichtige Beiträge auf dem langen Weg zur heutigen Gedenkstätte in Neuengamme geleistet.

Traumatische Erfahrungen

Besonders nachhaltig beeindruckt zeigten sich die Teilnehmenden von dem Gespräch, das sie mit einer Angehörigen eines KZ-Überlebenden über das weltweite Netz führen konnten. Die Frau verdeutlichte, wie traumatische Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden.

Auch nach den Videokonferenzen bleiben die Workcamp-Teilnehmer über digitale Arbeitsplattformen im Austausch. Sie nehmen auch viele persönliche Erinnerungen mit. So gab es Zungenbrecher in zahlreichen Sprachen, es wurden Lieblingslieder geteilt und gesungen und Lieblingsrezepte getauscht.

Online-Meeting soll in Erinnerung bleiben

Die jungen Menschen beenden in den nächsten Tagen ihre angefangenen Arbeiten an Einträgen im Onlinelexikon Wikipedia zum Thema KZ Neuengamme in acht Sprachen. Zum Abschied im letzten Online-Meeting sagte eine der Organisatorinnen, Melani Klaric: „Dieses Projekt ist ein Highlight des Jahres für mich. Ich hoffe, dass wir uns nicht nur an Covid-19 erinnern, wenn wir später an 2020 zurückdenken. Wir haben uns natürlich auch über unsere Erfahrungen in der Pandemie ausgetauscht. Wir hatten dennoch die Möglichkeit, gemeinsam zu lachen, zu arbeiten, zu sprechen, in Verbindung zu treten und Erinnerungen mit Menschen zu sammeln, die wir sonst nicht getroffen hätten. Das ging nur in unserem gemeinsamen digitalen Raum, den wir mit dem Digitalen Workcamp geschaffen haben.“

Sorge vor Konflikten in der Welt

Badal Santoshrao Thool aus Mumbai in Indien studiert Biostatistik und Bevölkerungswissenschaften. Der 25-Jährige war beeindruckt von der virtuellen Tour durch die Gedenkstätte, die von einem der Koordinatoren, Martin Reiter, geleitet wurde.

„Jedes Ereignis wurde in meinem Kopf durch die Erzählungen lebendig. Nun vergleiche ich all diese Vorfälle mit Beobachtungen aus der Gegenwart – seien es die Rohingya-Muslime in Myanmar, der schiitisch-sunnitische Konflikt in der arabischen Welt oder das Kastensystem in Indien. Wird sich die Geschichte wiederholen?“

Band internationaler Freundschaft

Sreya Subhrarudra Chatterjee (24) aus Kalkutta in Indien studiert Bevölkerungswissenschaften: „Unter uns Workcamp-Teilnehmern und einem besonderen Ort wurde ein Band internationaler Freundschaft geknüpft.“

Sreya Subhrarudra Chatterjee sagt, dass sie die KZ- Gedenkstätte Neuengamme unbedingt einmal besuchen möchte, auch um die Mitarbeiter dort zu treffen. Sie möchte ihnen persönlich ihre Dankbarkeit dafür ausdrücken, dass sie es ermöglichen, dass junge Menschen mit verschiedenen Perspektiven diesen Teil der Geschichte kennenlernen.

Virtueller Rundgang war beängstigend

Dewi Anizah (35) aus Jepara in Indonesien arbeitet als Lehrerin: „Ehrlich gesagt, ich wusste vor dem Workcamp überhaupt nichts über das Konzentrationslager Neuengamme. Ich habe auch erste Erfahrungen mit Online-Angeboten wie Padlet und Big Blue Button machen können. Damit konnte ich Weltgeschichte kennenlernen, insbesondere die des KZ Neuengamme. Ich fühlte mich wie in der Vergangenheit, als wir einen virtuellen Rundgang gemacht haben, was auch etwas beängstigend war. Ich möchte vielen Menschen mitteilen, was ich hier gelernt habe.“