Ochsenwerder. Serie „Unser Land – unsere Menschen“: Er ist seit 41 Jahren Polizist, arbeitet in der 14. Dienststelle – und dort will er bleiben.

Knuth Witt hatte eine Maxime: Nach spätestens sieben Jahren den Einsatzbereich wechseln und sich auf neue Aufgaben stürzen. „Die Polizei bietet ja zahlreiche Tätigkeitsfelder“, sagt er. Entsprechend abwechslungsreich verlief die bisher 41-jährige Karriere des Polizisten. Der 57-Jährige arbeitete in 14 Dienststellen. Unter anderem saß er bei Demonstrationen in einem Wasserwerfer, verhinderte in folgenden Jahren Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Fangruppen bei Spielen des FC St. Pauli, koordinierte beim Führungs- und Lagedienst vom Schreibtisch aus Einsätze, nahm telefonische Notrufe entgegen und sorgte als Mitarbeiter einer anderen Dienststelle auf dem Kiez für Ordnung. Auch der Hauptbahnhof, in dessen Einzugsgebiet es damals „massiv Probleme mit der Drogenszene“ gab, gehörte zu dem Revier des früheren Drogenfahnders.

Doch vor knapp zwei Jahren warf Witt seinen Leitsatz über den Haufen. Damals endete nämlich der Sieben-Jahre-Vorsatz – der Hauptkommissar ist nach fast neun Jahren noch immer Polizeiposten in den Marschlanden. Sein Revier ist Ochsenwerder und Moorfleet – und wird es wohl bis zu seinem Ruhestand 2023 oder 2024 auch bleiben.

Intensiv um den Einzelnen kümmern

„Jeder Bereich war klasse und hat mir viel Lebenserfahrung beschert. Aber hier zu arbeiten ist traumhaft schön“, sagt der „Dorfsheriff“. Gegen die Bezeichnung habe er nichts: „Ich weiß, dass sie liebevoll gemeint ist.“

Er könne sich auf dem Lande „um den einzelnen Bürger intensiv kümmern“, sagt Witt, habe mehr Zeit, um sich die Sorgen und Nöte anzuhören als früher. „Hier gibt es nicht den alltäglichen Polizei-Wahnsinn – vom Banküberfall bis zum Sperren einer Autobahn.“ Erst vor Kurzem habe es eine Situation gegeben, in der er sich mit Nicole de Vries, Polizeiposten Kirchwerder/Zollenspieker, und dem zuständigen Pastor angemessen um Angehörige eines Menschen kümmern konnte, der sich das Leben genommen hatte. „Auch nach einem Einbruch ist der persönliche Kontakt wichtig“, sagt Witt, der sein Büro in seiner Wohnung am Gauerter Hauptdeich 73 hat.

Menschen die Angst nehmen

Es gehe darum, den Menschen Angst zu nehmen, nachzufragen, Präsenz zu zeigen. Und das tut der 57-Jährige: Er besucht mit Verkehrslehrern Kitas, ist als „Cop 4 You“ Ansprechpartner für die Grundschüler in Ochsenwerder, klärt bei Seniorennachmittagen über Enkeltricks auf. „Die Polizeiposten sind auch bürgernahe Beamte, nur das wir nicht zu Fuß unterwegs sind. Das ist aufgrund der Größe unserer Einsatzgebiete nicht möglich.“

Im flächenmäßig größten Einsatzgebiet in den Vier- und Marschlanden betreut Witt rund 6000 Einwohner – Tendenz aufgrund vieler Neubaugebiete steigend. „Das ist ein krasser Gegensatz zu St. Pauli, wo ich früher tätig war: Dort befindet sich auf einem Quadratkilometer das kleinste Reviergebiet Deutschlands.“ Die Justizvollzugsanstalt Billwerder gehört heute ebenso zu seinem Revier wie Gewerbe- und Industrieflächen in Billwerder, vor allem aber viel ländliches Gebiet.

Früher stets im Team unterwegs

Durch Corona gab es wochenlang weniger Einsätze, doch nach den Lockerungen ist ihre Zahl unverhältnismäßig hoch, sagt Witt: „Es sind deutlich mehr Radfahrer als in den Vergleichszeiträumen in den Vorjahren unterwegs, auch an den Stränden der Badeseen sind mehr Menschen.“ Die Badegäste hätten allerdings allesamt einsichtig reagiert, wenn Witt sie auf Verfehlungen hinwies.

Meist ist der Hauptkommissar, der früher stets im Team unterwegs war, auf sich allein gestellt. „Ich kann aber jederzeit Verstärkung anfordern.“ Einiges mache man als Polizist sowieso nicht allein, etwa Haftbefehle vollstrecken: „Schließlich weiß man nie, was sich hinter der Wohnungstür verbirgt.“

Ein Bierchen nach Feierabend

Wie er es mit dem Durchsetzen von Gesetzen nach Feierabend hält? „Ich trinke nach dem Fußball gern ein Alsterwasser oder ein Bierchen. Aber wenn ich mitkriege, dass Jemand aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis betrunken ins Auto steigt, gibt es Ärger“, sagt der Ü55-Spieler und Schiedsrichter des Sport-Clubs Vier- und Marschlande. Ob er schon mal mit seiner Dienstpistole schießen musste? „Dieses Jahr bereits dreimal – um angefahrene Tiere von ihrem Leid zu erlösen.“ Auf einen Menschen habe er noch nie schießen müssen. „Das möchte ich auch niemals erleben.“

Obwohl die Arbeit eines „Dorfsheriffs“ bedeutet, „sich auf eine 24-Stunden-Präsenz einzulassen“, gibt es auch den Privatmenschen Knuth Witt. Der Vater von Zwillingsmädchen (heute schon 29) ist geschieden und hat eine Lebensgefährtin. Geboren in Itzehoe, wuchs Knuth Witt in Schnelsen auf. In seiner Freizeit spielt und pfeift er gern Fußball, fährt er gern Rennrad – auch zusammen mit seinen Kollegen aus der Betriebssportgruppe. „Gelegentlich stellen wir Spendenaktionen für die Opferschutzorganisation Weißer Ring auf die Beine.“

Fast ein Bein verloren

Wenn er bei schönem Wetter sein Honda-Tourenmotorrad anwirft, fährt der ansonsten sportliche Marschländer „nicht mehr draufgängerisch“: 1999 verlor er bei einem schweren Unfall fast ein Bein. Witt ist auch Mitglied der Motorradstaffel der Hamburger Polizei, die regelmäßig Shows in der Sporthalle Hamburg präsentiert. Dort steuert er einen Motorrad-Oldie mit Beiwagen, wenn die Polizisten etwa eine Pyramide bilden.

Witt, der in seinem Beruf schon viel Elend gesehen und auch persönlich schwierige Zeiten erlebt hat, nennt als Lebensmotto: „Jeden Tag genießen und stets positiv in die Zukunft blicken.“