Reitbrook. Der Verein Tomatenretter züchtet diverse Sorten und versendet deren Saatgut rund um den Globus. Mehr als 300 Sorten sind katalogisiert.
Das beliebteste Gemüse der Deutschen, mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 25 Kilogramm, ist die Tomate. Diesem vielseitigen Gemüse haben sich die Tomatenretter verschrieben. Sie gründeten vor sieben Jahren den gleichnamigen Verein. Von den Impulsgebern und Gründern sind Arndt Niemeyer (43) und Hilmar Kunath (71) noch dabei.
Heute gibt es 195 Fördermitglieder und etwa zwei Dutzend Aktive, die die Arbeit in verschiedene Gruppen aufgeteilt haben. Auf 1,5 Hektar Land und 1500 Quadratmetern unter Glas in drei Gewächshäusern bauen sie am Reitbrooker Hinterdeich 291 an, haben mehr als 300 Tomatensorten katalogisiert. Die Tomatenfreunde züchten die verschiedenen Sorten nicht nur, sie versenden deren Saatgut in alle Welt.
Umweltpädagogin Madeleine Meixner (27) gehört zu den Aktiven: „Wir sind eine Gemeinschaft, die naturnah und solidarisch lebt. Wir betreiben Permakultur, also ein nachhaltiges Konzept für den Gartenbau mit natürlichem Ökosystem und Kreislaufwirtschaft.“ Achtsamkeit gegenüber Erde und Menschen, also auch fairer Handel, sind den Tomatenrettern wichtig.
Den Rettern geht es auch um Vielfalt
Der Wunsch nach schmackhaftem Gemüse war der Grund, mit dem Pflanzen zu beginnen, teilen die Retter mit. Schnell hätten sie entdeckt, dass altes, sortenreines Gemüse reichhaltiger schmeckt als die Hybrid-Züchtungen, die es im Supermarkt zu kaufen gibt. „Es geht auch um Vielfalt“, sagt Tomatenretter Jan Schild. Ihm schmecken alte Sorten wie Rosa Sibirian Tiger oder Gelbe Krim besonders gut.
Wer hier mitarbeitet, kann vieles lernen: So sorgen Beipflanzungen wie Basilikum und andere Kräuter dafür, dass Bienen die Pflanzen bestäuben. Knoblauchpflanzen vertreiben Wühlmäuse und Schafswolle hält von der Milpa, einem Feld aus Mais, Bohnen und Kürbissen, die Schädlinge fern. Diese Erkenntnisse hat Gerrit Höllmann (54) unter anderem aus seinen umfangreichen Mittelamerika-Kontakten in die Gruppe eingebracht.
Den Ertrag verdoppelt
Wissenstransfer und Austausch von Samen wird mit den Kontakten gepflegt. Eine neu konzipierte Bewässerungsanlage, bei der das Wasser nicht von oben auf die Pflanzen gesprengt wird, sondern sanft auf die angehäufelten Erdhügel mit den Tomatenpflanzen tropft, hat den Ertrag verdoppelt. „Bis zu zwei Tonnen Tomaten ernten wir hier“, sagt Kunath. Jedes Fördermitglied erhält drei Kilogramm jährlich, der Förderbeitrag beträgt 60 Euro pro Jahr. Wer anpackt, der erhält mehr.
Die Tomatenretter bauen auch anderes Gemüse an. Deshalb gehört neben dem Jäten von Unkraut auch das Absammeln von Kartoffelkäfern zu den Arbeiten, auf die die meisten Retter gern verzichten könnten. „Die Gruppen beschäftigen sich mit Themen wie Baum und Sträucher, Gemüse, Tomatenpflege sowie Finanzen und Buchhaltung“, sagt Kunath. Es werden auch Achtsamkeitsregeln im Umgang miteinander entwickelt. Alle zwei Wochen treffen sich die Teams.
Saatgut wird rund um den Globus versendet
Weitere Tomatensorten werden immer wieder bei Bioversänden bestellt und getestet. Wenn die Tomatenkenner mehrheitlich zufrieden sind, werden diese Pflanzen in den Anbau integriert.
Kunath: „Wir versenden unser Saatgut innerhalb Deutschlands, aber auch in Länder wie Kambodscha, Uruguay, Guatemala, Honduras und Venezuela.“ Das Saatgut werde auf Spendenbasis um die Welt geschickt. „Uns geht es um die Sache und um den Erhalt einer samenfesten Tomatenvielfalt“, erläutert der 71-Jährige.
Am kommenden Sonnabend wird wieder ein Saatkursus angeboten, der ist jedoch bereits belegt – wird allerdings oft wiederholt, ebenso weitere Kurse zu naturnaher Gartenarbeit. Internetinfos: www.tomatenretter.de. Dort finden sich auch Infos zu rund 300 gelisteten Tomatensorten.