Tatenberg. Die vorläufigen Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur Dove-Elbe stoßen auf viel Kritik bei den Nutzern und der Politik. Ein Stimmenbild.
Kein anderes Thema hat die Vier- und Marschlande im vergangenen Jahr so sehr bewegt wie die Idee, die Dove-Elbe wieder an die Tide anzuschließen. Ob Wassersportler, Werften, Anwohner, Angler, Jachthafenbesitzer, Landwirte, Gärtnereien oder Berufsschiffer: Sie alle fürchten die Konsequenzen, sollten in dem Fluss künftig wieder Ebbe und Flut herrschen. Durch die vorläufigen Ergebnisse, die nun in der Studie vorgestellt wurden, sehen sie ihre Sorgen umso mehr als begründet an.
Ein intaktes, für die Freizeitnutzung sehr attraktives Ökosystem, würde geopfert, um ein Problem im Hamburger Hafen lösen zu wollen, meint Rüdiger Freygang vom Bergedorfer Ruderclub. Der organisierte Wassersport mit den Vereinen Rudern, Kanu, Drachenboot, die Regattastrecke Allermöhe und der Olympia-Stützpunkt Rudern/Kanu wehren sich vehement gegen die Maßnahme. Wettkämpfe auf der Strecke, für die mit angeschlossenem Wassersportzentrum eine Investition in Höhe von etwa 4,2 Millionen geplant ist, sollen weiterhin möglich sein. Allerdings dürfte dann der Wasserstand über Wochen zuvor nicht abgesenkt werden, um wettbewerbsverzerrende Strömungen zu vermeiden.
Ein Drittel der Liegeplätze könnten wegfallen
Andreas Gabriel, Chef der Bootsvermietung Hamburg am Moorfleeter Deich, fürchtet, dass in allen Häfen etwa ein Drittel der Liegeplätze wegfallen wird, da sie durch die Anpassung der Struktur an die Tide nicht mehr nutzbar sein werden. „Manche Häfen haben wasserrechtlich keine Möglichkeit, sich zur Wasserseite zu vergrößern und verlieren ihre Liegeplätze komplett“, warnt Andreas Gabriel.
Einen massiven Verlust für den Naturschutz und den naturnahen Tourismus und Wassersport fürchtet Katrin Piepiorka von der Bootswerft Neuengamme. „Bereits jetzt kämpfen wir um die regelmäßigen Erhaltungsbaggerungen vor der Tatenberger Schleuse, damit die Einfahrt dort nicht verlandet“, sagt sie. Sollte die Tide wieder Einzug erhalten, könne man davon ausgehen, dass in kurzer Zeit die Fahrrinne versandet sein wird und die Dove- Elbe nur noch bei Hochwasser zu befahren ist. „Dann ist der Weg von der Tatenberger Schleuse zu uns innerhalb einer Tide schon nicht mehr zu schaffen“, sagt Katrin Piepiorka, deren Betrieb am Curslacker Brückendamm ansässig ist.
FDP fordert: Dove-Elbe als mögliche Maßnahme sofort löschen
Auch die Bergedorfer Politik hat die Studienergebnisse im Blick: „Durch die Öffnung der Dove-Elbe würde nicht nur ein funktionierendes und wertvolles Ökosystem zerstört, es wären auch viele wirtschaftliche Existenzen bedroht. Wassersport, wie wir ihn heute kennen, würde nicht mehr möglich sein“, sagt Stephan Meyns, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP in der Bezirksversammlung. Parteikollege Karsten Schütt, Bezirksvorsitzender der FDP in Bergedorf, pflichtet ihm bei: „Wir verlangen, dass der Lenkungsausschuss die Öffnung der Dove-Elbe aus den möglichen Maßnahmen umgehend herausnimmt. Die Machbarkeitsstudie zeigt: Die Auswirkungen auf das Tidegeschehen der Elbe sind vernachlässigbar, die Maßnahme wird unverhältnismäßig teuer und durch die geplanten Baggerarbeiten wird ein wertvolles Ökosystem für Jahrzehnte zerstört.“
Eigentlich sollte Manfred Meine, Leiter der Geschäftsstelle Forum Tideelbe, bereits im März einen Sachstand im Regionalausschuss erläutern. Doch die Sitzung konnte aufgrund der Corona-Situation nicht mehr stattfinden. Seitdem muss das politische Gremium ruhen. Die Christdemokraten befürchten daher, dass das Thema hinter den Kulissen bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen im Hamburger Rathaus auf den Weg gebracht werde, ohne, dass man politisch darauf einwirken könnte. „Wir lehnen einen Tideanschluss der Dove-Elbe weiterhin konsequent ab“, betont Jörg Froh (CDU).
Ablehnende Haltung soll ins Hamburger Rathaus getragen werden.
Nachteile für die Vier- und Marschlande wolle auch Rolf Wobbe (Grüne) unbedingt vermeiden. Seine Fraktion war die einzige in Bergedorf, die zuerst die Machbarkeitsstudie abwarten wollte, um basierend auf den Ergebnissen die Maßnahme zu bewerten. Allmählich klinge es aber auch für ihn „abenteuerlich“, sagt der 72-Jährige.
Peter Gabriel (SPD) hat selbst noch Ebbe und Flut in der Dove-Elbe erlebt. Der 81-Jährige kann sich noch gut an den „Morast“ erinnern, der damals auf dem Grund bei Ebbe zutage kam. Er kann sich nicht vorstellen, dass es einen positiven Effekt auf die Ökologie des Flusses haben kann, wenn er wieder der Tide ausgesetzt werde – auch wenn die Studie durchaus vorteilhafte Auswirkungen erkennt. So würden zwar Lebensräume für Stillwasserarten verloren gehen und es eine starke Änderung der Fauna bei Fischen geben. Es würden aber Süßwassertidelebensräume geschaffen, beliebt bei seltenen Arten wie Rapfen und Schierlingswasserfenchel.
Peter Gabriel verspricht, dass die ablehnende Haltung der Bergedorfer SPD konsequent zu den Parteigenossen ins Hamburger Rathaus getragen werden soll, wo letztlich entschieden werden soll, ob die Maßnahme durchgeführt wird – oder nicht.