Bergedorf. Unterricht und Lehrgänge sind nicht möglich, Turniere wurden abgesagt. Bei hohen laufenden Kosten schwinden die Einnahmen.

Die Reitstallbetreiber und Reitervereine in den Vier- und Marschlanden stellt die Coronakrise vor große Probleme: Weil der Sportbetrieb auf und in allen Sportanlagen der Stadt zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus untersagt ist, darf auch kein Reitunterricht gegeben werden. Aber die Pferde müssen bewegt werden – und ihre Haltung kostet viel Geld. Doch den Vereinen schwinden die Einnahmen.

Der Boberger Reitverein (280 Mitglieder) am Billwerder Billdeich besitzt 15 Schulpferde. Damit sie bewegt, gefüttert und gepflegt werden können, beantragte der Vorstand – wie die meisten anderen Hamburger Reitställe auch – eine Ausnahmegenehmigung beim Landessportamt der Innenbehörde. Die Anträge werden in der Regel positiv beschieden, da das Tierwohl im Vordergrund steht. Auch für den Boberger Reitverein gibt es diese Ausnahme. Unterricht ist trotzdem nicht erlaubt.

Dachverband hat protestiert

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung, der Dachverband der Reiter, Züchter, Kutsch- und Wagenfahrer sowie Voltigierer (rund 7000 Vereine mit mehr als 680.000 Mitgliedern), habe gegen das generelle Verbot von Sportbetrieb frühzeitig protestiert, sagt Helmut Burmester, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Allermöhe-Moorfleet-Reitbrook (RuF AMR). „Diesem Protest ist es vermutlich zu verdanken, dass für die Reiter schnell andere Regeln galten“, sagt der 67-Jährige.

Jugendliche – Nachwuchstrainer und (andere) Mitglieder – würden die Schulpferde bewegen, in der Halle und auf dem Außengelände des Boberger Reitvereins, berichtet Breiten- und Jugendsportwartin Daniela Both-Daniels. Um die 25 Einsteller-Pferde, die in vom Verein gemieteten Stallungen stehen, kümmern sich die Eigentümer oder deren Reitbeteiligungen – in Absprache mit dem Verein. „Wir sollen so wenig Personen wie möglich auf unserem Gelände haben“, sagt die Sportwartin. Penibel würden Anwesenheitslisten und Protokolle geführt.

Geld für Futter, Pflege, Unterbringung, Tierarzt und Schmied

„Bisher hat niemand sein Pferd abgemeldet, doch wie wird die Situation in einigen Monaten sein?“, fragt Daniela Both-Daniels. „Schließlich sind auch Halter der Einsteller-Pferde von finanziellen Einbußen in der Coronakrise betroffen.“ Und ein Pferd koste viel Geld – für Futter, Pflege, Unterbringung, Tierarzt und Schmied. Um das Ausmisten der Stallungen und das Füttern der Pferde kümmern sich vier angestellte Mitarbeiter (Teil- und Vollzeit) des Boberger Vereins.

Die Personal- und weiteren Kosten deckt der Verein unter anderem durch den Reitunterricht – normalerweise. „Wir können überhaupt noch nicht einschätzen, wie lange wir diesen Zustand überstehen“, sagt Daniela Both-Daniels. Der Verein habe bereits Soforthilfe seitens der Stadt beantragt, „wir wissen aber nicht, ob und und mit wie viel Geld uns geholfen wird“. In beratender Funktion helfe der Hamburger Sportbund dem Verein sehr, betont Daniela Both-Daniels. „Bei Fragen etwa zu Anträgen und neuen Regelungen sind die HSB-Mitarbeiter stets erreichbar und hilfsbereit.“

Helmut Burmesters RuF AMR hat 20 Schulpferde und 15 weitere, die der Betreiber des Erlebnisbauernhofes am Moorfleeter Deich dem Verein vermietet. Auf seinem Hof leben auch 20 Einsteller-Pferde. „Wir haben zwei Reithallen, in denen sich jeweils maximal vier Personen zeitgleich aufhalten dürfen, um die Pferde zu bewegen“, sagt Burmester. Er achte darauf, dass sich auch die Menschen auf dem Hof, etwa in den Stallungen, nicht in die Quere kommen. Auch Ausritte seien erlaubt, aber nur mit ein bis maximal zwei Reitern.

„Riesenproblem für den Verein“

Zwar dürften weiter die Mitgliedsbeiträge kassiert werden, aber zusätzliche Einnahmen durch Extras wie Lehrgänge, Longenstunden oder den Kuchenverkauf auf dem Sommerturnier, das nun abgesagt ist, fallen weg. „Das ist ein Riesenproblem für den Verein. Denn unsere ,Sportgeräte’ kosten ja weiterhin viel Geld.“ Eine Übersicht über die Verluste müsse sich der Verein erst noch verschaffen. Dann will der Vorstand finanzielle Hilfe von Stadt und Bund beantragen. Immerhin: Gekündigt habe bisher keines der 420 Mitglieder, sagt Burmester. „Alle sind solidarisch – und haben wohl auch keine Lust, nach der Krise auf der Warteliste für Neuanmeldungen zu stehen.“

Sollte die Krise bis zur Jahresmitte andauern, sei das für den Verein „grenzwertig“. Umfangreiche Verbote bis zum Jahresende würde er nicht überstehen, betont Burmester. Schließlich wolle und dürfe der Vorstand keine Schulden machen – „sonst muss ich am Ende noch persönlich dafür einstehen“.

Christine Stubbe, Vorsitzende des Vereins Reitfreunde an der Bille (100 Mitglieder) und Reitstallbetreiberin am Billwerder Billdeich, vermietet, wie Helmut Burmester, auch Stallungen – für derzeit rund 30 Pensionspferde. Trotzdem habe auch sie hohe finanzielle Einbußen, denn ihre Kinderreitschule mit acht Ponys ist momentan auf Eis gelegt.

Christine Stubbe sorgt sich auch um genügend Pferdefutter im Sommer. „Ich habe 55 Hektar, auf denen ich Grünland als Futter anbaue. Doch die Ernte könnte laut Prognosen schlecht ausfallen.“ Das wäre ein weiteres großes Problem, betont Christine Stubbe, „denn ich habe kaum Geld, um Futter zuzukaufen“. Ihre Ponys könnten sich ja nun nicht ihr Futter durch den Unterricht verdienen, wie sie es sonst täten.

Pferde dürfen lediglich bewegt werden

Die 350 Mitglieder des RuF Vierlanden (vier Schulpferde) haben ihre Pferde in der Regel zu Hause. Geritten wird auf dem Vereinsgelände am Neuengammer Hausdeich, voltigiert in einer Halle in Altengamme. Doch nicht nur Reitunterricht, auch Voltigieren ist derzeit verboten. Die Pferde dürfen lediglich bewegt werden – von wenigen Reitern zeitgleich. Alle Reiter müssen sich ihre Besuche vom Vorstand genehmigen lassen, über alle Aktivitäten wird Protokoll geführt.

„Unser Platz wird sonst gern von auswärtigen Reitern gebucht, aber diese Einnahmen fallen nun alle weg“, sagt die Vereinsvorsitzende Nicola Timmann. Noch müsse der Verein keinen Kredit aufnehmen, aber die Reiter würden bange in die Zukunft blicken. „Deshalb leisten wir uns derzeit keine größeren Anschaffungen, verzichten etwa auf den Kauf von Hindernissen.“

Ein Sommerturnier ist bereits abgesagt, ein weiteres könne vermutlich ebenfalls nicht organisiert werden. „Ich kann jetzt auch nicht Firmen ansprechen, ob sie uns als Sponsoren unterstützen“, sagt Nicola Timmann. „Die haben jetzt ganz andere Sorgen.“

Neu: Nothilfefonds Sport

Der Hamburger Landesverband der Reit- und Fahrvereine listet zehn Vereine im Bezirk Bergedorf. Sieben von ihnen sind auch dem Hamburger Sportbund angegliedert. In Hamburg und Umgebung gibt es 25 im HSB organisierte Reitvereine. Viele meldeten sich dort schon Mitte März, als die Stadt den Sportbetrieb einstellen ließ. „Wir versenden außerdem an alle bei uns organisierten 815 Hamburger Sportvereine umfangreiche Infos zum Thema Corona“, sagt HSB-Sprecher Maarten Malczak. So werden die Vereine auch über finanzielle Hilfsangebote informiert – von der Coronasoforthilfe über den Förderkredit Sport der IFB-Bank bis zu einem Nothilfefonds Sport, für den Antragsformulare diese Tage online gestellt werden sollen (www.ifbhh.de).