Bergedorf. Lohbrügger Wissenschaftlerin erforscht Ursachen für Rückgang des Speisefischs.

Wenn Elbfischer Wilhelm Grube auf Stintfang geht, hat er deutlich weniger in den Netzen als vor zehn, 15 Jahren: „Nur noch etwa 20 Prozent“, sagt er. Es gebe „insgesamt immer weniger Fisch“, sagt Grube. „Davon kann man kaum noch leben.“

Der 64-Jährige hat sein Restaurant Grubes Fischerhütte in Hoopte aufgrund des massiven Rückgangs nicht mehr ganzjährig, sondern nur noch von März bis Mai geöffnet. Neben Stint und Aal werden dort – Tendenz steigend – Zuchtfische serviert. „Ich kann nicht mehr sechs, sieben Angestellte das ganze Jahr über bezahlen“, sagt der Restaurantbetreiber. Nun packe seine Familie mit an, verpflichtet Grube lediglich Aushilfskräfte.

Umfangreiche Datensätze

Den Ursachen für den Rückgang des Stintbestandes geht ein Gutachten auf den Grund, das von der Stiftung Lebensraum Elbe in Auftrag gegeben wurde. Die Bremer Firma BioConsult, spezialisiert auf Umweltforschung und Gewässerkunde, wertete für ihr Gutachten zwei umfangreiche Datensätze aus: In der Zeit von 2000 bis 2018 haben die Bundesländer Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Daten zum Fischbestand in der Elbe zusammengetragen. Zudem führt die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes seit 2011 ein Monitoring zur streng geschützten Fischart Finte aus der Familie der Heringe durch.

„Bei den Fängen für das Monitoring geht auch Stint ins Netz. Auf diese Daten kam es uns an“, sagt Dr. Elisabeth Klocke. Die Chemikerin aus Lohbrügge ist Geschäftsführerin und Vorstand der Stiftung Lebensraum Elbe, hatte die Idee zu dem Gutachten.

Stressfaktoren und Sauerstoffmangel

Sie kommt zu dem Schluss, dass der Rückgang des Stints unter anderem mit Unterhaltungsbaggerarbeiten, dem Verlust von Flachwasserbereichen im Mühlenberger Loch und Kühlwasser-Entnahmen im Bereich der Laich- und Aufwuchsareale des Stints im Zusammenhang steht.

Weil weniger Schmelz- und Regenwasser in die Elbe kommt, gibt es eine „erhöhte Trübung“. Aufgrund des wenigen Wassers „von oben“ muss die Hamburg Port Authority (HPA) mehr Schlick ausbaggern und verklappen oder aufwirbeln, um Hafen und Fahrrinne in Schuss zu halten. „Dadurch setzen sich weitere Sedimente ab“, sagt Klocke. Die vermuteten Folgen: Stint-Larven erkennen ihre Beute (Plankton) nicht, die Kiemen verkleben und werden von Pilz befallen.

Weniger Oberwasser lässt zudem Plankton sterben, denn das mag kein Salzwasser. Das hat Auswirkungen auf den Sauerstoffgehalt. Jeden Sommer sterben zahlreiche Fische, weil die Elbe zu wenig Sauerstoff führt. Das Zusammenspiel diverser Stressfaktoren, die im Laufe der Jahre deutlich zugenommen hätten, mit Sauerstoffmangel im Wasser setze den Fischen stark zu.

Klocke plädiert dafür, zumindest die „Kreislaufbaggerungen“ einzustellen, „klüger zu baggern“: Denn der Schlick, der vor Wedel verklappt wird, fließt bei auflaufendem Wasser nach Hamburg zurück. „Er müsste komplett in der Nordsee oder im vom Elbstrom dominierten Bereich der Elbe, kurz vor ihrer Mündung, verklappt werden.“

„Es ist denkbar, dass sich die Stint-Bestände wieder erholen – wenn wir zu Veränderungen bereit sind“, sagt die Wissenschaftlerin.

Ziel der 2010 gegründeten, Stiftung ist, zur ökologischen Aufwertung der Tideelbe beizutragen. Sie ließ unter anderem einen Priel am Wrauster Bogen anlegen, plant einen weiteren Priel in Kirchwerder-Sande. Klocke und ihre Mitarbeiter werden von einem Stiftungsrat kontrolliert, in dem neben einer neutralen Vorsitzenden zehn Institutionen vertreten sind – fünf Umweltverbände wie Nabu und BUND sowie fünf Vertreter der Wirtschaft, darunter HPA, Handelskammer und Unternehmensverband Hafen Hamburg. „Wir sind nicht für Ausgleichsmaßnahmen zuständig“, sagt Elisabeth Klocke. „Was wir machen, kommt on top.“ Internet: www.stiftunglebensraumelbe.de.