Fünfhausen. Ihr Lehrer nannte sie ein „Schmuckkästchen“. In ihrer Schule am Durchdeich wollen sich Ehemalige im April wiedersehen.
Wolfgang Pelzer ist ein Pionier. Er gehörte zur ersten ersten Klasse, die in Fünfhausen die Grundschule besuchte. Als der heute 76-Jährige 1950 mit elf Klassenkameraden eingeschult wurde, gab es die Schule Fünfhausen-Warwisch am Durchdeich 108 noch nicht. Sie wurde erst im August 1951 eingeweiht. Davor wurde Pelzer in der Gaststätte im alten Bahnhof am Lauweg unterrichtet. 70 Jahre nach der Einschulung trifft sich die erste Klasse nun wieder.
Am 17. April, dem Tag, an dem Pelzer und seine Klassenkameraden vor 70 Jahren eingeschult wurden, gibt es – wie schon vor zehn und vor 20 Jahren – ein Klassentreffen am Durchdeich. Schulleiterin Christiane Kaube will die Veteranen durch die Schule führen. Von den zwölf Schülern konnte Pelzer sieben ausfindig machen. „Zwei sind gestorben und drei sind unauffindbar“, sagt er. Eine ehemalige Klassenkameradin will eigens aus dem Schwarzwald anreisen.
Erste Schule der Nachkriegszeit im Landgebiet
Im Clubraum der Bahnhofsgaststätte, einem Holzanbau, wurden neben den Erstklässlern um Wolfgang Pelzer auch eine zweite und eine dritte Klasse unterrichtet – zum Teil gemeinsam, von einem Lehrer, erst Günther Hamel (1910-1993), dann, ab April 1951, von Hermann Meyer. „Das war eine tolle Leistung der Lehrer.“ Pelzer kann sich noch an seinen ersten Schultag erinnern: „Ich war überhaupt nicht auf Schule vorbereitet. Zum Glück holte mich meine Mutter schon nach einer Stunde ab.“
Nach knapp eineinhalb Jahren war Schluss mit dem Unterricht im alten Bahnhof, zogen 34 Schüler in den ersten Nachkriegs-Schulneubau im Landgebiet ein. Auch dort gab es jahrgangsübergreifenden Unterricht, berichtet der Senior: „Jahrgang eins bis drei wurden von Herrn Meyer in dem einen Klassenzimmer unterrichtet, Jahrgang neun mit Schülern aus der weiteren Umgebung von Herrn Hamel, der auch zum Schulleiter ernannt worden war, in dem anderen.“ Die Lehrer wohnten mit ihren Familien in dem Neubau, im heutigen Verwaltungsbereich.
Schwester wurde bereits in der neuen Schule eingeschult
Wolfgang Pelzers Vater Walter (1907-1965) dürfte es maßgeblich zu verdanken sein, dass die Kinder in Fünfhausen von 1950 an in ihrem Dorf zur Schule gehen konnten. Walter Pelzer, ein Amtsgerichtsrat (Richter), engagierte sich für eine neue Volksschule, machte sich auch für die Übergangslösung im Bahnhof stark. „Wir lebten damals am Durchdeich“, sagt Wolfgang Pelzer.
Seine Schwester Brigitte (74) wurde 1952 in der neu gebauten Schule eingeschult. Damit blieben den Kindern weite Wege zur Schule nach Warwisch oder Seefeld erspart. „Es fuhren zwar Busse, aber die Verbindungen waren katastrophal.“
Von diesem Neuanfang nicht zu träumen gewagt
Walter Pelzer sammelte Unterschriften, zählte mehr als 150 schulpflichtige Kinder im Dorf, schrieb Briefe etwa an Schulräte, den zuständigen Senator und andere Politiker. „Die Klagen der Eltern, dass die jüngeren und kränklichen Kinder bei der Rückkehr aus der Schule völlig erschöpft sind und zunächst nichts essen können, reißen nicht ab“, teilt er in einem Schreiben mit. In dem Brief beschreibt der Richter die Situation der Schulen in den Vier- und Marschlanden.
Walter Pelzers Hartnäckigkeit hatte Erfolg: am 7. April 1950 starteten die Bauarbeiten für die neue Schule, zehn Tage später begann der Unterricht im Clubraum der Gaststätte. Schulleiter Hamel bezeichnete die neue Schule am Durchdeich in seiner Ansprache zur Eröffnung als „Schmuckkästchen“. Er stehe „vor einem neuen Anfang, wie ich ihn mir nie habe träumen lassen“, sagt Hamel, der in der Schule Warwisch bis zu 70 Kinder in einer Klasse unterrichtet hatte. 55.000 Deutsche Mark hatte die Schulbehörde in den Neubau investiert.
Erst nach seinem Tod vom Engagement des Vaters erfahren
„Mein Vater hat mit mir über sein Engagement gar nicht gesprochen, auch nicht, als ich älter war“, sagt Pelzer. Erst viele Jahre nach dem Tod seines Vaters entdeckte er den mehr als 70 Jahre alten Schriftverkehr und Fotografien auf dem Dachboden des Hauses in Bergedorf, in das die Familie 1956 zog und in dem der 76-Jährige mit seiner Frau heute lebt. Seine Mutter hatte die Unterlagen aufbewahrt, ebenso Wolfgang Pelzers erste Schul- und Pausenbrot-Tasche aus Leder, Lineal, Ölkreiden und der blauen Fibel „Bunte Welt“ (Lesebuch).
Die Schule am Durchdeich feiert den 70. Geburtstag nicht. „Wir werden erst das 75-jährige Bestehen feiern“, sagt Christiane Kaube. Unklar ist noch, ob 2025 das Schulstart-Jubiläum oder 2026 der Start im Neubau 75 Jahre zuvor gefeiert wird. Die Grund- und Vorschule zählt 178 Schüler. Sie ist – bis auf die vierte Klasse und die Vorschule – zweizügig.