Ochsenwerder. Immer weniger Gartenbaubetriebe im Landgebiet. Wer überleben will, muss in die Zukunft investieren - und Nischen nutzen.
Hans-Peter Pohl, Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer Hamburg, ist sich sicher: Wer im Produktionsgartenbau in zehn Jahren noch existieren will, muss investieren und alle Chancen nutzen – etwa durch Nischenangebote. Christopher Meyns (27) betreibt am Ochsenwerder Norderdeich einen solchen Betrieb in der sechsten Generation. Der Gärtner übernahm ihn vor acht Jahren von seinem Großvater. „Mein Vater hat seinen eigenen Schnittblumenhandel.“ Der 27-Jährige produziert Freilandrosen und Topfpflanzen. Seine neuen Kunststofftöpfe sind „zu einhundert Prozent recycelbar“.
Schon Meyns’ Vorfahren hätten bei der Gärtnerei auf moderne Arbeitsgeräte geachtet und den Betrieb immer wieder erweitert. Heute produziert die Familie Blumen auf 13.000 Quadratmetern Gewächshausfläche und vier Hektar Freiland. Verkauft werden sie an Groß- und Einzelhändler im norddeutschen Raum sowie auf dem Großmarkt – „auf dem Stand meines Vaters“, so der Marschländer.
Meyns hat vor Kurzem erst in seine Gewächshäuser investiert: Die Bewässerung und Düngung der Pflanzen wird nun „durch ein geschlossenes System“ durchgeführt. Das mit Düngemittel angereicherte Wasser fließt durch Schlauchsysteme von der Unterseite auf Rolltische, auf denen die Topfpflanzen stehen. „So gibt es keine Wasserverluste, fließt nichts ins Grundwasser. Das ist umwelt- und ressourcenschonend.“ Bewegliche Wärmedämmanlagen halten die Wärme in den Gewächshäusern. „Solche Modernisierungen kosten schnell eine fünfstellige Summe – pro Gewächshaus“, sagt der Gärtner.
Förderprogramme helfen
Er profitiere aber von Investitionsbeihilfen der Wirtschaftsbehörde: Durch das Agrarinvestitionsförderprogramm (Mittel von Bund und Land) bekommt der Gärtner 20 Prozent des Nettopreises erstattet, wenn er in moderne Technik investiert und Anforderungen zum Verbraucher- und Klimaschutz erfüllt.
„Wir haben andere Arbeitszeiten“, sagt Arne Eggers (37). „Das Hauptgeschäft muss in sieben, acht Monaten erledigt werden. Das schreckt viele Arbeitsuchende ab.“ Der Gärtnermeister betreibt „Eggers Gemüsehof“ am Ochsenwerder Elbdeich 129. Er suche seit zweieinhalb Jahren Gärtner in Festanstellung, „auch ungelernte Kräfte“ – bisher ohne Erfolg.
Eigenes Logo fürs Gemüse
Zu tun haben Eggers und seine Familie genug: Auf dem Gemüsehof – gegründet 1886 – werden auf fünf Hektar Freiland Gemüsesorten wie Staudensellerie, Salate und Kohl angebaut. Besonderes Steckenpferd des Gärtnermeisters sind seine 14 Tomatensorten, die auf 5000 Quadratmetern unter Glas gedeihen. „Ich fahre klar auf der Regionalschiene“, sagt Eggers. Dabei vermarktet er seine Tomaten eigentlich lokal, in Hamburg. Der 37-Jährige verkauft ebenfalls an den Groß- und Einzelhandel, etwa an Rewe-Märkte. Dort ist ein Foto von ihm auf Plakaten abgebildet, davor werden die leckeren Marschländer Tomaten präsentiert. Eggers hat auch ein eigenes Logo, mit dem er sein Gemüse kennzeichnet und bewirbt.
Schuld am Schwinden der Betriebe sei der Strukturwandel, betont Sascha Gohl, Unternehmensberater Gartenbau der Landwirtschaftskammer Hamburg. Häufig werde kein Betriebsnachfolger gefunden, zumal sich viele potenzielle Nachfolger nicht die mit vielen „Überstunden“ verbundene, harte Arbeit ans Bein binden wollen.
Harter Preiswettbewerb
Der Preiswettbewerb sei „deutlich härter geworden“, sagt Hans-Peter Pohl. Die Gärtner unterlägen immer mehr dem internationalen Wettbewerb. „Unser Vorteil liegt in der Region“, sagt Meyns. „Wir sind flexibel, können die Kunden schnell beliefern.“ Und: Die beiden erfolgreichen Gärtner sind nicht an einen Großkunden gebunden, unterliegen keinem Preisdiktat.
„Viele Betriebsleiter haben nicht investiert und waren irgendwann nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagt Pohl. In Hamburg gebe es allerdings auch kaum geeignete Flächen für Betriebserweiterungen, betont Meyns. Die vielen Gräben in den Vier- und Marschlanden würden das Aufstellen von Gewächshäusern und das Anlegen von Feldern noch erschweren. Der Gemüsegärtner erkennt auch in den Regelungen zum Pflanzenschutz einen Wettbewerbsnachteil: „Hierzulande sind die Gesetze viel strenger als bei Mitwerbern im Ausland.“
In zehn Jahren nur noch 120 Betriebe
Die Zahl der Betriebe im Produktionsgartenbau ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich gesunken – in Hamburg wie auch im Rest der Republik. Gab es laut Statistikamt Nord im Jahr 2003 noch 429 Zierpflanzenbetriebe in Hamburg, waren es 2017 nur noch 199. Hans-Peter Pohl, Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer Hamburg, rechnet damit, dass es in zehn Jahren noch 80 sind. Noch größer ist der Rückgang der Gemüsebaubetriebe: Von den 243 Hamburger Betrieben in 2008 waren es vor einem Jahr noch 81 – exakt ein Drittel. Auch hier ist der Abwärtstrend nicht gestoppt: Pohl geht von 40 Betrieben in zehn Jahren aus