Allermöhe. Allermöhe. Bilderreihe an der Orgelempore: Maler Max Grunwald verlegt biblische Geschichte ins Landgebiet der Nachkriegszeit.
Wer in der Dreieinigkeitskirche auf einer der Bänke sitzt, schaut meist nach vorn zum Altar, zur Kanzel, zum Pastor. Doch in entgegengesetzter Blickrichtung an der Orgelempore spielt sich eine außergewöhnliche Geschichte in zehn Bildern ab: Jesus ist in Allermöhe geboren, in Reitbrook aufgewachsen, diskutierte als Zwölfjähriger im Allermöher „Tempel“ mit Schriftgelehrten und wurde in der Dove-Elbe getauft.
Bethlehem, Nazareth, Jerusalem – Maler Max Grunwald (1889–1960) hat die Geschichte 1955 in die Marschlande verlegt. Auf den ersten Blick ist das gar nicht so offenbar, denn die Bilder passen sich gut an die anderen Werke im Kirchenraum an. Aber die Details verraten es.
Diesmal eine frohe Botschaft
So ist schon im ersten Bild, bei der Ankündigung der Geburt Jesu, durchs Fenster die Dreieinigkeitskirche zu sehen. Doch warum sieht Maria so ängstlich aus? „Die Begegnung mit Gott oder seinem Boten führte eigentlich zum Sterben“, erklärt Pastor Michael Ostendorf. Doch diesmal ist es eine frohe Botschaft: Auf die Szene fällt ein warmes Licht, Gabriels Hand segnet sie.
Dann sucht Maria ihre ebenfalls schwangere Cousine Elisabeth auf, sie treffen sich auf Reitbrooker Feldern, wie der Hintergrund verrät. Ein Bild voller Symbolik. Denn im Bauch von Elisabeth soll Baby Johannes gestrampelt haben – und begrüßte so Jesus, den er später taufen sollte. Was nicht zu sehen ist: Josef wollte Maria eigentlich allein lassen, denn mit einem Kind, das nicht von ihm ist, wäre es ihr schlecht ergangen. Doch er hat einen Traum, dass Maria das Kind Gottes in sich trage und er hört den göttlichen Ruf: „Bleib bei ihr.“
Deutliche Kriegsspuren
Und so landen sie schließlich in der wohlbekannten Scheune – in Allermöhe. „Der Marschländer Kuhstall zeigt deutliche Kriegsspuren“, sagt Pastor Ostendorf zum dritten Bild an der Empore. Jesus ist in die Nachkriegszeit hineingeboren.
Der Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland – auch hier geht der Blick von Reitbrook aus in Richtung Allermöhe und der Kirche. Marschländer Bauernhäuser und sogar Schnee sind bei der Flucht nach Ägypten zu sehen – Josef ist zudem gekleidet wie ein Heimatvertriebener nach dem Zweiten Weltkrieg.
Maler zitiert sich selbst
Die Tempelszene im vorletzten Bild spielt sich eindeutig in der Dreieinigkeitskirche ab. „Hier zitiert sich der Maler sogar selbst“, sagt Pastor Ostendorf. Denn der Hein-Baxmann-Altar zeigt sein Bild mit der – ebenfalls sehr sehenswerten – Abendmahlszene.
Das zehnte und letzte Bild der Reihe präsentiert die „Taufe Jesu“. Johannes der Täufer und Jesus stehen dabei an der Dove-Elbe – die Allermöher Kirche ist links am Horizont zu sehen. Hier schließt sich letztlich der Zyklus – wie im ersten Bild ist der Heilige Geist symbolisch als Taube dargestellt.
Die Bilderreihe von Max Grunwald ist auch beim Krippenspielprojekt der Konfirmanden Thema. „Geocache – oder: der Beweis“ heißt das Stück, das am heutigen Heiligabend um 15.30 Uhr in der Dreieinigkeitskirche am Allermöher Deich zu erleben ist.
Info: Der Maler Max Grunwald
Der Maler Max Grunwald (1889–1960) lebte in Berlin und gründete in der Zeit des Nationalsozialismus eine kleine Gemeinschaft, die sich der Bekennenden Kirche anschloss. Er bot NS-Verfolgten Unterkunft, kämpfte für einen von der Gestapo verhafteten Pfarrer. Nach dem Krieg malte er viele religiöse und biblische Motive – neben den Emporenbildern auch das Abendmalsbild, das zwischen Altartisch und Aufsatz in der Dreieinigkeitskirche zu sehen ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Jünger an die ausgemergelten Holocaust-Überlebenden erinnern.