Kirchwerder. Verband schreibt 204 Beanstandungen. Oftmals muss nun der Bagger anrücken.

Die Grabenschau ist beendet: Die Zahl der Beanstandungen ist mit 204 leicht niedriger als im Jahr zuvor mit etwa 240 Beanstandungen. „Es sind meist um die 200 – plusminus 40“, sagt Torsten Riecken, Verbandstechniker des Ent- und Bewässerungsverbandes Marsch- und Vierlande. Deutlich zugenommen habe allerdings die Zahl der Anrufe von Verbandsmitgliedern.

Wenn der Verbandstechniker zum Seelsorger wird

„Immer mehr wollen nicht das Nachbargrundstück betreten, um ihren Grabenabschnitt zu reinigen“, sagt Riecken. „Oder Nachbarn werden denunziert.“ Dann entgegne der 44-Jährige am Telefon, dass ein direktes Gespräch mit dem Nachbarn hilfreich sei („Sprich doch mal mit ihm“). Er käme sich „mitunter wie die Telefonseelsorge“ vor. Es käme vor, dass Verbandsmitglieder ihren Nachbarn anschwärzen würden und sich bei der Nachschau herausstelle, dass der Abschnitt des Anrufers in einem viel schlimmeren Zustand sei.

Mitte Dezember beginnen – jeweils vier Wochen nach den Grabenschauterminen – in Neuengamme die Nachschauen. Alle 204 beanstandeten Gräben werden dann von Riecken und Verbandsobmann Georg Odemann erneut geprüft. „Bei größeren Maßnahmen, wo ein Bagger benötigt wird, haben die Mitglieder in der Regel bis zum 1. Februar oder noch länger Zeit“, sagt Riecken.

Kritik oft in Neubaugebieten

Bei etwa einem Drittel der Beanstandungen seien größere Maßnahmen erforderlich. Dort muss gebaggert werden, damit die Gräben bei Starkregen nicht verschlammen und das Wasser überläuft. Kleinere Maßnahmen sind das Mähen der Böschung oder das Harken von Kraut samt Wurzeln aus der Grabensohle. Als Faustregel gelte, dass die Verrohrungen/Siele deutlich zu sehen sein müssen: „Die Grabensohle muss sich mindestens zehn Zentimeter unterhalb der Rohrkante befinden.“

Besonders viele kleinere Beanstandungen gab es bei den Gräben neben den Neubaugebieten, allein rund 20 am Fritz-Bringmann-Ring in Ochsenwerder: „Die neuen Grundstückeigentümer wissen oft nichts von ihrer Pflicht, die Gräben frei zu halten.“ Dabei hat der Verband sie rechtzeitig angeschrieben, „aber das geht natürlich schnell unter, zumal man als Häuslebauer anderes im Kopf hat“.

Aufklärungsarbeit häufig notwendig

Riecken kennt seine neuen Ansprechpartner von den vorigen Grundeigentümern, hat auch Zugriff auf die Grundbücher. „Außerdem kennt man viele Menschen hier im Landgebiet und bekommt viel mit.“ Spätestens jedoch wenn der Alteigentümer einen neuen Gebührenbescheid bekommt, erhält der Verband eine Rückmeldung.

Aufklärungsarbeit müsse oft auch geleistet werden, wenn es um Bebauung in zweiter Reihe geht: „Die Eigentümer sind mitverantwortlich für den Zustand der Gräben, verstehen das aber nicht immer.“ Ebenso sei es Hauseigentümern oft nicht zu vermitteln, dass Gräben der Länge nach aufgeteilt werden. „Sie wollen stattdessen die Grabenseite pflegen, an der sich ihr Haus befindet.“

Lange Sommer hat Ent- und Bewässerung kaum beeinflusst

„Wir sind jedes Jahr bei den Grabenschauen dort unterwegs, wo es enge Bebauung gibt“. Extrem verschlammte Gräben seien dort allerdings kaum zu finden, sondern „in Gräben an Feldern“. So müsse ein etwa 500 Meter langer Sielgraben Richtung der Straße Freegen in Kirchwerder alle fünf bis acht Jahre ausgebaggert werden. „Dort sind mehrere Landwirte mit ihren Feldern dran.“

Der lange, trockene Sommer habe die Ent- und Bewässerung kaum beeinflusst, sagt Riecken: „Anfangs hatten wir teilweise einen niedrigen Wasserstand in den Gräben, weil auch die Stromelbe Niedrigwasser führte und stundenweise kein Wasser vom Schöpfwerk am Kiebitzbrack reingepumpt werden konnte.“ Doch dann sei auch an den Wochenenden Wasser in das fast 900 Kilometer lange Grabengeflecht gepumpt worden, dadurch konnte ein ausreichend hoher Wasserpegel erreicht werden.