Billwerder. In der JVA Billwerder können straffällig gewordene Mütter ihre Kinder mit hinter Gitter nehmen. Seit 2016 gab es acht Fälle.
Eine junge Frau wird straffällig und landet im Gefängnis. Doch erst hinter Gittern bemerkt sie, dass sie schwanger ist. Nach der Geburt kämpft sie darum, dass ihr Baby bei ihr bleiben darf. Doch die Justiz lehnt das ab.
Bis vor wenigen Tagen war ein Mutter-Kind-Zimmer belegt
So berichtete kürzlich die „Süddeutsche Zeitung“ über einen Fall in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Zweibrücken in Rheinland-Pfalz. In Hamburg können straffällig gewordene Mütter gemeinsam mit ihren Babys oder Kleinkindern bis fünf Jahren untergebracht werden – in der JVA Billwerder. Acht Kinder haben dort seit dem Einzug der sogenannten Teilanstalt für Frauen im Jahr 2016 mit ihren Müttern, allesamt Strafgefangene im geschlossenen Vollzug, hinter Gittern gelebt. Derzeit gibt es keine Kinder in der JVA am Dweerlandweg, teilt Rosemarie Höner-Wysk, Leiterin der Teilanstalt, mit.
Bis vor wenigen Tagen war eines der vier Mutter-Kind-Zimmer in Billwerder belegt. Die Frau war schwanger, als sie in Haft kam und hat im AK Altona entbunden. Sie ist nach fast zwei Jahren mit ihrem 14 Monate alten Mädchen aus der Haft entlassen worden und macht nun eine Drogentherapie in Süddeutschland.
Haftstrafen reichen von wenigen Wochen bis lebenslänglich
Das Team von Rosemarie Höner-Wysk besteht aus fast 50 Mitarbeitern, davon rund 60 Prozent Frauen. Von den 100 Haftplätzen der Teilanstalt – 40 für Untersuchungshäftlinge, 60 im Bereich der Strafhaft – sind derzeit 78 belegt. Die Insassinnen bleiben im Durchschnitt neun Monate. Dabei ist die Dauer der Haftstrafen breit gefächert – von wenigen Wochen Ersatzfreiheitsstrafe für wiederholtes Schwarzfahren ohne Begleichen der Rechnung bis zu lebenslänglich (15 Jahre) wegen Mordes.
Die vier Doppelzimmer in der Mutter-Kind-Abteilung im umgebauten Hafthaus 3 befinden sich separiert von den anderen Hafträumen. Die Zimmer bestehen aus jeweils zwei Hafträumen mit einer unverschlossenen Zwischentür – einem normalen, knapp zehn Quadratmeter großen Haftraum und einem Kinderzimmer. Auch dort sind die Fenster vergittert.
Bedarf ist phasenweise, aber nicht steigend
„Zwischendurch sind hier immer mal Mütter mit ihren Kindern untergebracht“, sagt Rosemarie Höner-Wysk. Häufiger seien ein bis zwei Mutter-Kind-Zimmer belegt, nur selten alle vier. Der Bedarf nach diesen Räumen sei „phasenweise“ und „nicht steigend“, betont die Leiterin, die seit elf Jahren an der Spitze der Teilanstalt steht und seit mehr als 30 Jahren im Hamburger Strafvollzug arbeitet.
Eine Insassin der JVA sei im siebten Monat schwanger. „Gemeinsam mit ihr bereiten wir alles vor, stehen in solchen Fällen immer auch in Kontakt mit dem Jugendamt“, sagt Rosemarie Höner-Wysk. Denn nicht immer sei eine gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind möglich. Etwa drei Viertel der Frauen seien drogensüchtig und viele nicht in der Lage, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Etwa 80 Prozent der Frauen in der JVA Billwerder seien Mütter. Oft wurden ihre Kinder schon vor Haftantritt aus der Obhut der Frauen genommen.
Kind darf maximal bis zum fünften Lebensjahr hinter Gittern bleiben
Wenn die Kinder nicht von ihren inhaftierten Müttern versorgt werden können, müssen andere Lösungen gefunden werden, betont die Leiterin der Teilanstalt – etwa die Unterbringung in einer Pflegefamilie, in einem Kinderhaus oder bei der Großmutter. Wie in welchem Fall entschieden wird, entscheidet letztlich das Familiengericht. Es vertritt die Interessen des Kindes, um dessen Wohl es primär geht.
Der Gesetzgeber sagt auch, dass der Nachwuchs in den Mutter-Kind-Zimmern nicht älter als fünf Jahre sein darf. Denn auf Dauer sei der Gefängnisalltag zu reizarm, würden die Kinder etwa keine vernünftige Sprachentwicklung erleben.
Ein Kind ist immer ein starkes Argument für eine vorzeitige Entlassung
„Wir sind immer auf eine vorzeitige Entlassung der Frauen ausgerichtet“, sagt die Leiterin. Wenn die Inhaftierten ihr Kind verantwortungsvoll betreuen können, stünde dem nichts im Wege. Rosemarie Höner-Wysk: „Ein Kind ist natürlich immer ein starkes Argument für eine vorzeitige Entlassung.“ Generell würden entlassene Frauen häufig noch Kontakt halten. „Ich kriege häufiger E-Mails, die Frauen berichten etwa, welchen Job sie angefangen haben.“
Ein Gefängnis mit pädagogischer Betreuung hat Hamburg nicht – im Gegensatz zur JVA Vechta in Niedersachsen, einem reinen Frauengefängnis. „Dort gibt es auch eine Kindertagesstätte“, sagt Rosemarie Höner-Wysk. Die dortige JVA sei mit einem Mutter-Kind-Heim für minderjährige Mütter vergleichbar, sagt Rosemarie Höner-Wysk (63), die selbst Mutter von zwei erwachsenen Söhnen ist.
Die Mutter-Kind-Abteilung wurde 2003 eingerichtet
Die Hamburger Teilanstalt für Frauen wurde 1997 eröffnet – neun Jahre vor der Eröffnung der JVA Billwerder. Bis zum Umzug nach Billwerder vor zweieinhalb Jahren befand sich die Teilanstalt in der JVA Hahnöfersand. Die Mutter-Kind-Abteilung ist 2003 eingerichtet worden. Zuvor wurden straffällige Mütter mit ihren Kindern im Lübecker Gefängnis untergebracht. Die Zahl der Kinder, die insgesamt in der Teilanstalt gelebt haben, ist statistisch nicht erfasst.
Rosemarie Höner-Wysk: „Die großen Flächenländer haben in der Regel eine Mutter-Kind-Unterbringung.“ Bundesweit würden die Justizvollzugsanstalten im Mutter-Kind-Bereich „eng und gut zusammenarbeiten“, betont die 63-Jährige.