Kirchwerder/Neuengamme. Kirchwerder/Neuengamme. Neuntklässler aus Kirchwerder berichten anderen Schülern von den schrecklichen Vorgängen im KZ.

Führungen über das Gelände des früheren Konzentrationslagers Neuengamme werden häufig und regelmäßig angeboten. Schüler der Stadtteilschule Horn erlebten am Donnerstag jedoch einen besonderen Rundgang: Er wurde von Schülern aus Kirchwerder gestaltet. Die Neuntklässler aus der Profilklasse „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ haben ihren ersten Auftritt als Guides mit Bravour gemeistert. Als Generalprobe hatten sie im Mai sieben Lehrer übers Gelände geführt.

Die Achtklässler aus Horn hatten das Gefühl, von Profis geführt und informiert zu werden. Die 15- und 16-Jährigen Guides aus Kirchwerder wussten genau über die schrecklichen Vorgänge in dem Konzentrationslager Bescheid, konnten auch Nachfragen der Gäste aus Horn problemlos beantworten. Die Neuntklässler haben vor einem Dreivierteljahr damit begonnen, sich auf Touren über das Gedenkstättengelände vorzubereiten.

Jeder weiß über eine Station Bescheid

Jeder der neun Schüler der Profilklasse weiß nun über jeweils eine Station auf dem weitläufigen Gelände genau Bescheid. Florian Timm (15, 9 f) hielt einen kurzen Vortrag über den Appellplatz: „Dort mussten alle Gefangenen antreten, morgens und abends. Das waren Tausende Menschen, die stundenlang gerade stehen und sich nicht bewegen durften – reine Schikane“, sagt der Jugendliche.

Gerrit Valentiner (16, 9 c) stoppte mit der Gruppe dort, wo sich das Krematorium befand. „Ab dem Winter 1944 wurden hier die Leichen verbrannt, denn sehr viele Häftlinge starben an den unmenschlichen Arbeitsbedingungen“, sagt er. „Vor dem Bau des Krematoriums gab es ein Provisorium im Lager, und davor holte ein örtlicher Bestatter die Toten ab.“ Es gab auch Vergasungen: „Insgesamt 448 russische Soldaten wurden mit Gas umgebracht“, sagt Mario Paetzold (15, 9 e).

„Was hier passiert ist, darf nicht vergessen werden“

„Wir sind an Geschichte interessiert, speziell an der Zeit des Nationalsozialismus“, sagt Florian Timm und Gerrit Valentiner fügt hinzu: „Es ist wichtig, dass das, was hier passiert ist, nicht vergessen wird und sich nicht wiederholt.“

Deshalb werden die Neuntklässler der Profilklasse „Schule ohne Rassismus“ des Jahrgangs acht von ihren Erfahrungen als Guide berichten. Denn die künftigen Neuntklässler sollen die neuen Guides werden. „Das Projekt soll noch Jahre laufen und ausgebaut werden“, sagt Lehrer Franco Topp. „Die Guides sollen dann auch mehr Führungen anbieten, vielleicht auch für Schüler anderer Schulen.“

Mehr als 50 000 Tote

Das Konzentrationslager Neuengamme: 1938 errichtete die SS in einer stillgelegten Ziegelei in Hamburg-Neuengamme ein Außenlager des KZ Sachsenhausen. Im Sommer 1940 wurde es zu einem eigenständigen Konzentrationslager, dem zentralen KZ Nordwestdeutschlands. Gestapo und SS deportierten im Verlauf des Krieges mehr als 100 000 Menschen aus ganz Europa nach Neuengamme. Mehr als die Hälfte von ihnen kam ums Leben – im Hauptlager, in den Außenlagern, auf Todesmärschen bei der Lagerräumung, bei der Bombardierung von KZ-Schiffen in der Lübecker Bucht oder nach Kriegsende an den Folgen der Haft.