Kirchwerder. Kirchwerder. Michael Böckenholt verbschiedet sich als Leiter des Juz Vierlanden, will sich als Honorarkraft um junge Flüchtlinge kümmern

. Michael Böckenholt hat sein halbes Leben im Jugendzentrum (Juz) Vierlanden verbracht. Als Leiter des Hauses am Kirchwerder Elbdeich 276 ist er seit wenigen Tagen im Ruhestand. Doch „Bök“, wie der 65-Jährige von den Juz-Besuchern genannt wird, bleibt dem Jugendtreff als Honorarkraft erhalten.

Beginn als Honorarkraft im Juz Vierlanden

1982, während seines Sozialpädagogikstudiums, begann „Bök“ als Honorarkraft im Juz. „Das gab es damals erst kurze Zeit am Kirchwerder Elbdeich. Von der Gründung 1976 bis Anfang der 80er-Jahre war das Jugendzentrum Vierlanden im Haus Warwisch untergebracht“, sagt er.

Die ersten beiden Jahre wurde das Juz von einer Gruppe Jugendlicher selbstverwaltet, „als Alternative zur kirchlichen Jugendarbeit“. Die jungen Leute gründeten den Förderverein Jugendzentrum Vierlanden, der bis heute Träger des Treffs ist. „Der Vorstand ist quasi der Arbeitgeber der Mitarbeiter“, sagt „Bök“.

Konflikte gleich zu Beginn

Die größten Konflikte gab es gleich zu Beginn: Die Juz-Gründer interessierten sich für politische Arbeit, andere Gäste wollten bloß Spaß haben. „Da wurde überlegt, ob die Anschaffung eines Kickertisches politisch korrekt ist“, sagt Böckenholt. Er stand – wie so oft – als Vermittler zwischen den streitenden Parteien. Die meisten Gründungsmitglieder kehrten dem Juz im Laufe der Jahre den Rücken zu. Der Kicker wurde aufgestellt. „Bis heute entscheiden und gestalten die Besucher maßgeblich mit“, sagt „Bök“.

Im April 1988 übernahm Böckenholt die Leitung. Damals war er der einzige Angestellte neben einigen Honorarkräften. Anfang der 90er-Jahre wurde eine zusätzliche ganze Stelle geschaffen. „Damals hatten wir besonders viele Besucher“, sagt „Bök“. In der Schill-Ära wurde die volle um eine halbe Stelle gekürzt, später kam eine Viertelstelle hinzu. „Seitdem haben wir eindreiviertel Stellen.“

Für Gespräche mit den Jugendlichen da

Als Leiter einer „klassischen Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit“ bestand Böckenholts Arbeitsalltag neben „Bürokram“ aus zahlreichen Gesprächen, auch um Konflikte zu lösen und für die Kinder und Jugendlichen da zu sein – bei Aktivitäten im Haus – Kochen, Konzert, Disco – genauso wie bei Ausflügen.

Derzeit wird das Juz von etwa 30 Stammgästen besucht, von denen die meisten im Alter von 18 bis 21 Jahren sind. „Wir sind dabei, wieder mehr Angebote für Jüngere ab acht Jahre anzubieten, etwa einen Selbstverteidigungskursus für Mädchen“, so „Bök“. Schließlich müsse Nachwuchs rekrutiert werden.

„Nicht vom Krankenbett in den Ruhestand“

„Bök“ wäre eigentlich schon Ende Mai in Rente gegangen, war aber länger krank. „Ich wollte nicht vom Krankenbett aus in den Ruhestand, habe deshalb noch einen Monat drangehängt.“ Als Honorarkraft will er sich vor allem um die jungen Flüchtlinge kümmern, die in die Folgeunterkunft Auf dem Sülzbrack ziehen. „Wir wollen vor Ort sein, mit ihnen ins Gespräch kommen und sehen, welche Angebote Sinn machen“, sagt er. Dabei gehe es weniger darum, etwas „für“ die Flüchtlinge zu tun, „sondern mit ihnen etwas zu machen“.

„Bök“ gestaltet nicht nur die Jugendarbeit am Kirchwerder Elbdeich mit, sondern im gesamten Bezirk: Er ist seit 20 Jahren „mit Unterbrechungen“ für die Grünen im Jugendhilfeausschuss. Wieso er eine Ausbildung zum Erzieher gemacht und anschließend das Sozialpädagogikstudium absolviert hat? „Ich war Teil der 68er-Bewegung. Wir wollten die Gesellschaft verändern, eine andere Form des Zusammenlebens und eine gerechtere Welt schaffen. Damals haben wir gedacht: Wenn wir die Menschen ändern, dann ändern sich auch die Verhältnisse. Zumindest im kleinen Rahmen des Juz hat es oft funktioniert.“

Juz war das zweite Zuhause

Die 34 Jahre im Juz, „meinem zweiten Zuhause“, seien eine „sehr gute Zeit“ gewesen, „geprägt von einem Miteinander“. Die Gäste kämen meist über viele Jahre, „bis sie Mitte 20 oder noch älter sind“. Auch für die Stammgäste sei das Haus in Kirchwerder eine Art zweites Zuhause. „Das sieht man auch daran, dass sie unser Café und den Billardraum selbst gebaut und eingerichtet haben.“ Böckenholt werde auch immer mal wieder von „Ehemaligen“ besucht: „Die sind heute 40 und berichten von ihrer Scheidung. Zu vielen habe ich eine enge Bindung.“ Der Sozialpädagoge sieht sich als Teil einer „konzeptionellen Großfamilie“.

Schreibt gern humorvolle Gedichte

Der 65-Jährige lebt in Neuallermöhe. Er hat drei Kinder (42, 39, 38) und eine Enkeltochter (3). Neben seiner Familie widmet er sich in seiner Freizeit seinen Hobbys Politik, Geschichte, Philosophie und Literatur. „Ich schreibe selbst Gedichte, auch humorvolle, die ich auf Feiern vortrage.“ Demnächst will er nach Prag reisen – „auf den Spuren von Kafka“.

Die Sozialpädagogin Nehle Hinsch-Diedrichs (31) ist die neue Juz-Leiterin. Sie arbeitet seit etwa drei Jahren im Jugendzentrum Vierlanden. Ein Erzieher (33) wird im August auf ihre alte Stelle rücken. Das Juz hat montags bis sonnabends ab 16 Uhr geöffnet.