Kirchwerder. Kirchwerder. Er hat 25 Jahre lang das Haus Warwisch geprägt. Nun geht Stefan Thomsen in den Ruhestand.
. Er war fast schon auf dem Weg nach Mittelamerika. Doch Stefan Thomsen schlug einen anderen Weg ein – einen, den er rückblickend als den richtigen betrachtet. In einer Hamburger Firma lernte er den Beruf des Speditionskaufmanns. Die Firma wollte ihn nach Mexiko versetzen, doch Thomsen sortierte sich neu. Auf dem zweiten Bildungsweg ließ er sich zum Sozialarbeiter ausbilden. „Ich wollte etwas für die Menschen tun, an den Stellschrauben der Gesellschaft drehen, lieber den antikapitalistischen Weg gehen“, sagt der Sozialpädagoge. „Mir ging es nicht darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Ich wollte daran mitwirken, eine bessere Gesellschaft aufzubauen, jungen Leuten soziales Handeln zu vermitteln.“
Die Entscheidung, mit jungen Menschen zu arbeiten, hat er nie bereut – im Gegenteil: „Ich bin mit ganzem Herzen Sozialarbeiter.“ Am Sonnabend, 30. April, hat der Leiter des Hauses Warwisch (zwölf Mitarbeiter) seinen letzten Arbeitstag. Dann geht er in den Ruhestand.
Über St. Pauli nach Kirchwerder
Aufgewachsen ist der Pädagoge „am Rande Schnelsens“. Mit seiner Frau (61, ebenfalls Sozialpädagogin) wohnt er seit 1991 in einem Reihenhaus in Neuallermöhe. Das Paar hat lange in einer WG in einer alten Villa in Großborstel gelebt. Vor sieben Jahren hat es „aus Vernunftsgründen, mit Blick aufs älter werden“ geheiratet – nach 30 Jahren Beziehung ohne Trauschein.
Seine pädagogische Laufbahn nahm an der Saarlandstraße ihren Anfang, wo er an der Fachhochschule für Sozialpädagogik das Studium 1979 abschloss. Danach kümmerte er sich als Angestellter des Jugendamtes um Kids aus St. Pauli. Regelmäßig ging es mit 24 Jugendlichen aus einem schwierigen sozialen Umfeld in Jugendwanderkuttern (knapp zehn Meter langen Segel- und Ruderbooten) auf die Elbe und in den Sommerferien auf die Ostsee. „Die Boote gehörten dem Haus Warwisch. Dort haben wir im Winter auch an den Booten gearbeitet“, sagt Thomsen, der damals das Haus am Wrauster Bogen kennenlernte.
6500 Übernachtungen pro Jahr
Nach wie vor ist das Freizeitheim und Segelzentrum offen für Gruppen aller Art, etwa Studenten, Schüler und Kindergärten. Sie können die beiden Häuser (36/15 Betten, zwei Küchen) mieten – auf Wunsch mit „erlebnispädagogischem Unterhaltungsprogramm“ (Segeln, Bogenschießen, Floßbau, Geländespiele). Bis zu 6500 Übernachtungen zählt Thomsen pro Jahr.
In der offenen Kinder- und Jugendarbeit beschäftigen sich Mitarbeiter des Hauses Warwisch mit jungen Besuchern mit zwei Jugendwanderkuttern und zwölf Robinson-Jollen. In den warmen Monaten wird gesegelt. Kino- und Schwimmbadbesuche, Back- und Bastelaktionen runden das Angebot ab. Bis zu 30 Kinder und Jugendliche nehmen es regelmäßig in Anspruch. „Mein Job besteht allerdings vor allem aus Büroarbeit, Außenterminen, Arbeit in Gremien, Gesprächen mit dem Jugendamt, dem Einwerben von Mitteln für Projekte – Finanzplanung und Organisation“, sagt der 65-Jährige. Dabei sei er „als 60-Jähriger durchaus noch mal mit ins Zeltlager gefahren“. Das Bolzen mit den Kids habe er aber Kollegen überlassen.
Das Haus Warwisch mehr Profil verliehen
Bis Ende 1990 war der Verein Jugendhilfe Träger des Freizeitheims und Segelzentrums. Am 1. Januar 1991 übernahm der Verein Haus Warwisch die freie Trägerschaft. Thomsen war bei Jugendhilfe e.V. im Vorstand, leitete die Ausgliederung der Freizeiteinrichtung aus dem Verein mit in die Wege. „Der Verein wurde zu groß, kleinere Projekte drohten an den Rand gedrängt zu werden. Das Haus Warwisch hatte deutlich weniger Profil – und das wollten wir ändern, die Kräfte bündeln“, erzählt Stefan Thomsen, der maßgeblich an der Gründung des neuen Vereins mitwirkte und die Leitung des Hauses übernahm – damals mit nur zwei Mitarbeitern.
In seiner Zeit an der Spitze sind zahlreiche weitere Projekte ins Leben gerufen worden, etwa soziale Gruppenarbeit im Bunten Haus am Ladenbeker Furtweg oder „Mobile Beratung im Landgebiet“ (Mobelan), derweil ist das Team auf 14 Kollegen angewachsen. Thomsen ist seit 20 Jahren Mitglied des Jugendhilfeausschusses, war dessen Vorsitzender und ist aktuell stellvertretender Vorsitzender. „Ich bin ein sozialer Gruppenarbeiter – schon vom Studium her“, sagt Thomsen, der während seiner Ausbildung Ende der 60er-Jahre Lehrlingssprecher war. „Weil ich politisch aktiv war, wurde mir von meinem Chef die sittliche Reife abgesprochen. Deshalb durfte ich meine Lehre nicht verkürzen.“
Seine kaufmännischen Erfahrungen möchte er trotzdem nicht missen. „Die haben mir als Pädagogen geholfen“, sagt er und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Vielleicht bin ich etwas disziplinierter als manch anderer Pädagoge.“
Vorbildfunktion erfüllt
Sein Resümee nach 37 Jahren Sozialarbeit? „Einige haben davon profitiert, mich kennengelernt zu haben.“ Gelegentlich sei es ihm gelungen, seine Vorbildfunktion zu erfüllen. „Ab und an schneien Familienväter in mein Büro rein, die sagen, dass unsere gemeinsame Zeit – als sie jung waren – für sie wichtig gewesen sei, dass sie damals viel gelernt hätten. Was will ich mehr?“
Thomsens Nachfolgerin wird Marion Lewandowski. Sie betreut für das Haus Warwisch bisher das Mobelan-Projekt.
Offizieller Abschied am kommenden Donnerstag
Am Donnerstag, 21. April, 13.30 Uhr, wird Thomsen von Bezirksamtsleiter Arne Dornquast, weiteren Behördenvertretern und Kollegen im Haus Warwisch offiziell verabschiedet. „Abends feiern wir dann mit Jugendlichen, ,Ehemaligen’, Eltern und Jugendgruppenleitern“, sagt der Pädagoge. Ganz rausziehen wolle er sich aus dem Haus nicht: „Ich stehe gern beratend zur Verfügung – aber ich will meiner Nachfolgerin nicht reinquatschen.“