Spadenland. Spadenland. Zwei Frauen wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Sie eröffnen einen Ökohof.

Der Flyer aus dem Briefkasten macht neugierig: Die „Ackerperlen“ werben um Aufmerksamkeit. Eine Hofneugründung in Zeiten vielfacher Betriebsaufgaben. Wer wagt da diesen Schritt und warum?

In der Weide 56 öffnet Alex Matissek-Schild (42) die Tür, und in der gemütlichen Küche erzählen sie und Petra Schild (43) bei einer herrlichen Tasse selbst geerntetem Kräutertee von Lebenstraum und Megaprojekten. „Ja, seid ihr denn wahnsinnig geworden?“ Diesen Satz haben die beiden immer wieder gehört, als sie 2011 von Altona in die Marschlande zogen. Doch Traum und Wunsch waren stark. Der Traum vom eigenen Gemüseanbau. Und der Wunsch, dass ihre beiden Jungs, heute drei und sechs Jahre alt, frei Matschpfützen und Natur erkunden können. Ein „ziemlich abgerocktes Haus“ und ein kleines Stück Land erwartete die Familie in Spadenland, und die Frauen fühlten es irgendwie: „Das ist es, das wird gut.“

Erst einmal auf Weltreise

Tatsächlich hauchten sie dem Haus Gemütlichkeit ein und haben bereits die „Zertifizierung für den Bio-Anbau im ersten Jahr der Umstellung“ geschafft. Vorausgegangen ist allerdings eine ungewöhnliche „Vorbereitung“. Denn die Familie ging 2014/15 erst einmal auf Weltreise. „Ja, seid ihr denn wahnsinnig?“ hieß es da wieder. Ein bisschen vielleicht.

„Ich war erst gar nicht so überzeugt“, erzählt die gelernte Öko-Landwirtin Alex Matissek-Schild, die jäh ihren Traum vom eigenen Hof gestoppt sah. Sie lebt seit 20 Jahren mit der Diagnose Morbus Crohn und Multiple Sklerose. Was, wenn die Reise zu viel für sie sein würde? Für die Fernsehjournalistin Petra Schild endete gerade der langjährige Arbeitsvertrag. War es da klug, Geld in eine Reise zu stecken? Und ob.

„Das Leben ist zu kurz für Kompromisse“

Denn ohne diese Tour wären sie heute nicht, wo sie sind. Ungezählte Stunden der Planung, Diskussionen und Kompromisse gingen voraus. Die begrenzten Ressourcen, finanziell wie auch körperlich, wollten wohlüberlegt eingesetzt sein. Die einjährige Reise selbst bot das gesamte Spektrum von Glücksgefühlen bis Fassungslosigkeit, schärfte das Bewusstsein. Die Frauen wurden unter anderem Teil des „Climate March“ in New York mit 400 000 anderen Menschen, erlebten in Plastikmüllbergen erstickende Slums, verbrachten eine herzliche und intensive Zeit auf einer Familienfarm in Südchile. Danach war ganz klar: „Das Leben ist zu kurz für Kompromisse.“ Zeit für die „Ackerperlen“.

Die Frauen pachteten weiteres Ackerland und eine Uralt-Obstbaumwiese. Sie wollen nicht nur Gemüse, Obst und Kräutertee verkaufen. Sie wollen „ihren Hof leben“ und weitergeben, was die Weltreise ihnen eröffnete. So möchten sie ihren Garten öffnen für Klönschnacks bei Kaffee und Kuchen, mit Interessierten ab April auf Wildkräuterspaziergänge gehen und heilende Tipps bei „Tu-Dir-Gutes-Workshops“ geben. Wer mag, kann Interesse an einer Abo-Kiste anmelden – es kommt vom Sommer an hinein, was sich saisonal ergibt – Äpfel und aus ihnen gepresster Saft, Salat, Radieschen, Kohlrabi, Schnittlauch, Bohnen, Kürbis und, und, und.

„Wwoofer“ zu Gast

Das Jahr über sind „Wwoofer“ auf dem Hof zu Gast. Wwoof steht für „world wide opportunities on organic farms“ und ermöglicht es weltweit, dass Menschen einen naturverbundenen Lebensstil kennenlernen oder aktiv auf einem entsprechend zertifizierten Öko-Bauernhof lernen können.

„Uns geht es so, so gut“, sagt Alex Matissek-Schild und Petra Schild ergänzt: „Die Reise hat uns gezeigt, wie gut abgesichert wir sind. Natürlich haben wir auch Ängste, sind nicht furchtlos. Aber, warum trauen wir uns nicht, unsere Träume zu leben, wenn wir sehen, dass es die Menschen auf den Philippinen tun, die doch viel weniger haben als wir?“ Schließlich seien sie nach dem Leben aus dem Koffer mittlerweile „Finanzweltmeister“ geworden, können schicken Klamotten bestens entsagen, wissen vielmehr den Luxus von fließend Wasser zu schätzen. Ihre Devise: „Fang bei dir selbst an, wenn du etwas ändern willst.“

Weitere Infos gibt es unter „ackerperlen“ bei facebook, unter www.ackerperlen.de und per Telefon (040) 31 70 40 50.