Kirchwerder. Kirchwerder. Die großen Bauerngrabplatten in Kirchwerder sind ein einzigartiges Kulturerbe. Eine Projektgruppe möchte es vor dem Verfall retten.

Sie sind mächtig, und ihre Ansammlung ist einzigartig in Norddeutschland. dennoch fallen die 84 wuchtigen Grabplatten auf dem Kirchwerder Friedhof manchem erst beim genauen Hinsehen auf. Denn die meisten der oftmals mehr als zwei Meter hohen und gut 1,50 Meter breiten Platten reihen sich zur Straße und zum Pastorpark aneinander, fügen sich ein ins Grün der sie umgebenden Vegetation. Doch jede von ihnen ist das nähere Anschauen wert, jede erzählt eine Geschichte. Allerdings nagt der Zahn der Zeit heftig an dem bis zu 400 Jahre alten, historischen Vermächtnis. Der Verfall droht.

Mitstreiter und Unterstützer sind gern gesehen

Daher hat sich eine Projektgruppe zum Erhalt der Bauerngrabsteinplatten gegründet. Klaus Benszus, Heino Goes, Gerhard Hering, Heinz-Hermann Koops, Ute Kramer, Otto-Wilhelm Marquardt, Jürgen Mohn und Hans-Jürgen Kühn freuen sich, „wenn sich möglichst viele Menschen aus der Gemeinde mitverantwortlich fühlen könnten“, sagt Marquardt.

Stein von 1610 ist gebrochen, soll restauriert werden

Für den 81-jährigen Hobbyhistoriker ist das Engagement eine Selbstverständlichkeit. Er spürt eine starke Verpflichtung den Altvorderen gegenüber, dieses Erbe für die Nachwelt zu erhalten. So wie er ist auch Heinz-Hermann Koops (70) Ansprechpartner für weitere Interessierte. „Mein Großvater hat hier in den 1950er-Jahren die ersten Grabplatten mit aufgestellt“, erzählt Koops. Die Gruppe würde gern bald einen Spritzschutz für entsprechend angegriffene Steine errichten. Zudem wollen sie sich des Grabsteins von Albers aus dem Jahr 1610 annehmen, der an der Ostseite zum Kirchenheerweg steht. Er ist bereits gebrochen und wurde provisorisch armiert. Unterstützt wird die Gruppe vom Denkmalschutzamt und der Restauratorin Stephanie Silligmann.

Professor Grolle und „Die Predigt der Steine“

Schon Ende des vergangenen Jahrhunderts hat sich Prof. Dr. Joist Grolle eingehend mit der „Predigt der Steine“ beschäftigt. Er berichtet davon, dass die tonnenschweren Platten früher auf den Gräbern lagen – unter anderem, um Weidevieh abzuhalten und vor Sturmflutschäden zu schützen.

Drei Knecht-Jahreslöhne für einen Stein

Nicht jeder konnte sich damals so ein „öffentliches Begräbnis“ leisten. Allein ein Bauerngrabstein kostete im 17. Jahrhundert 100 Mark nach damaligen Geld. Dafür mussten zwei fette Ochsen geschlachtet oder 26 Zentner Roggen geerntet werden. Einen Knecht hätte so ein Stein drei Jahreslöhne gekostet.

Dabei sind die Verstorbenen auf den Grabplatten gar nicht die Hauptpersonen. Vielmehr stehen christologische Motive im Mittelpunkt der in den Sandstein gemeißelten Reliefs. Häufig ist das Kreuzigungsmotiv zu sehen, verkünden Bibeltexte von der Auferstehung. So galt die „Predigt der Steine“ auch den Gläubigen, die sich keine solche Leichenplatte leisten konnten.

Platten dienten später als Trittsteine und Pfosten

Der älteste Grabstein auf dem Kirchwerder Friedhof stammt von 1586, der jüngste ist aus dem Jahr 1753. Danach kamen die Kolosse unter anderem aus Spargründen außer Gebrauch. Später setzte eine regelrechte Ausplünderung des Friedhofs ein. Die großen Platten waren im Weg, sie wurden abtransportiert, zerschlagen, dienten hernach als Torpfosten oder Fußtritte zu Hauseingängen oder Stallungen.

Seit 65 Jahren stehen die Grabplatten auf dem Friedhof

1830 wird diese Zerstörung von Pastor Holm gestoppt. Um 1900 ist es Justus Brinkmann, Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, der die „Musealisierung“ und Aufrichtung der verbliebenen Steine vor Ort vorschlägt. Die Pastoren Grau setzen dies in den folgenden Jahrzehnten um. Die am besten erhaltenen Steine kommen in den Eingangsbereich der Kirche, die kleineren „Kindersteine“ stehen draußen in der Nähe. Die meisten aber ragen nun seit gut 65 Jahren am Rande des Friedhofes Richtung Himmel.
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Wer in der Projektgruppe zum Erhalt des Kulturerbes mitmachen möchte, kann sich an Heinz-Hermann Koops, Telefon (0 40) 7 23 07 82 und Otto-Wilhelm Marquardt, (0 40) 7 23 06 18, wenden.