Kirchwerder. Der Pastorenstreit geht weiter. Der Kirchengemeinderat nutzt eine Extraausgabe für Kritik und Verteidigung.

Der Kirchengemeinderat (KGR) aus Kirchwerder hat sich bislang mit Erklärungen im „Kirchenstreit“ zurückgehalten, bezog sich – auch gegenüber unserer Zeitung oder bei der Gemeindeversammlung – stets auf seine Verschwiegenheitspflicht. Umso mehr erstaunt es viele Mitglieder der Kirchengemeinde, dass es in einer Sonderausgabe des Gemeindebriefes nun fast ausschließlich um ein Thema geht: Die Trennung von den beiden Pastoren Gottfried Lungfiel (56) und Ulrich Billet (54). „Mit dem Kirchenkreis Hamburg-Ost war der Gemeindebrief nicht abgesprochen“, sagt dessen Sprecher Remmer Koch auf Nachfrage unserer Zeitung.

Lungfiel darf nach der jüngsten Dienstverhältnisprüfung (Pastoren-TÜV, alle zehn Jahre) nur noch höchstens bis zum Herbst 2016 als Pastor in Kirchwerder arbeiten. Billet hatte seine Arbeit in Kirchwerder – nach einem Gespräch mit Pröpstin Ulrike Murmann – bereits zum 1. Oktober beendet.

In dem Gemeindebrief wird das Verhalten beider Pastoren kritisiert. Neben Stephanie Pelch, der Vorsitzenden des KGR, berichten in dem Kirchenblatt unter anderem auch Michael Kolle (Finanzausschuss), Ann Kristin Tober (Tochter von Pastor em. Joachim Sach) und Christel Sach (Frau von Sach).

Joachim Sach äußert sich nicht

Joachim Sach, der als Pastor in Kirchwerder in Zusammenhang mit einem geplanten Bauprojekt 23 500 Euro in bar von einem möglichen Investor annahm, nicht verbuchte und damit gegen das Haushaltsrecht verstoßen hatte, äußert sich hingegen nicht. Auch die beiden Pastoren kommen nicht zu Wort – und das, obwohl Lungfiel noch immer Mitglied des KGR ist. Wir sprachen mit den beiden Pastoren über die neu formulierten Vorwürfe gegen sie.

„Unbeteiligte bekommen ein völlig falsches Bild von mir“, sagt Billet. Die „Hetze“ gegen ihn sei „unterirdisch“. Der Pastor zitiert das achte Gebot: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten“. Das „Pamphlet“ sei laut Billet „eine Mischung aus Lügen und Halbwahrheiten“. Es sei „bezeichnend, einen Pastor so rauszuprügeln und nach seinem Weggang auch noch nachzutreten“. Billet hält den Brief für rufschädigend, fühlt sich gemobbt.

Vorwürfe aus dem Gemeindebrief, dass Billet sich nicht korrekt um Verwaltungsangelegenheiten gekümmert habe, entgegnet der 54-Jährige: „Ich bin nicht Pastor für Buchhaltung und Statistik geworden. Ich bin weder Architekt noch Bauingenieur. Dafür gab es kompetente Leute im Kirchengemeinderat und im Kirchenkreis.“ Er habe solche Angelegenheiten nicht anders gehandhabt als andere Pastoren auch. Außerdem sei er „weitgehend in Planungen nicht einbezogen worden“.

Billet hätte sich gern von der Gemeinde verabschiedet

Billet bedauert, dass er keine Gelegenheit dazu bekommen habe, sich von der Gemeinde zu verabschieden. „Ich sage von Herzen danke für sehr erfüllte vier Jahre mit guten Erlebnissen. Ich wünsche der Gemeinde Gottes Segen für ihren weiteren Weg“, sagt er. Jeder, der mit ihm über die Vorwürfe, die ihm gegenüber erhoben wurden, sprechen möchte, erreiche ihn über das Kirchenbüro (Telefon (040) 7 23 02 02). Billet lebt noch im Pastorat am Kirchenheerweg, arbeitet inzwischen als Vertretungspastor in der Kirchengemeinde Breitenfelde bei Mölln (Kirchenkreis Lübeck/Lauenburg).

„Die Stellungnahmen im Sondergemeindebrief sind sehr einseitig. Vieles trifft nicht zu. Ich habe auf keinen Fall gegen den Kirchengemeinderat gearbeitet, wie es mir dort vorgeworfen wird, und werde dies auch nicht tun“, sagt Pastor Gottfried Lungfiel. Vielmehr sei es der KGR gewesen, der eine Zusammenarbeit systematisch unmöglich gemacht habe. Die Mediationen etwa seien im Sande verlaufen.

„Ich habe Kooperation immer beharrlich eingefordert, wurde jedoch wenig miteinbezogen“, sagt Lungfiel mit Blick auf Themen wie Gemeindeleitung, Bauangelegenheiten oder Kirchenrenovierung. Lungfiel hatte nicht den Eindruck, dass nach „Lösungsmöglichkeiten für einen Verbleib gerungen“ worden sei, wie es im Sondergemeindebrief heißt. Vielmehr habe man ihm schon im Mai gesagt, dass er Ende des Jahres nicht bestätigt werde. Ihm sei gesagt worden, er solle sich nicht vor Pastor Billet, sondern hinter die KGR-Vorsitzende stellen.

„Ich habe mir bei meiner Arbeit nichts vorzuwerfen“, sagt Lungfiel. Erst kürzlich nachberufene KGR-Mitglieder könnten seine Arbeit sicher nur schlecht einschätzen.

Kleinigkeiten würden groß herausgestellt

In dem Sonderbrief würden viele Kleinigkeiten groß herausgestellt, als habe Pastor Billet alles anders machen wollen. „Das sind zum Teil einfach olle Kamellen“, sagt Lungfiel. So sollten die Intarsienstühle nicht verbannt werden. Sie sollten nur nicht immer in der Mitte stehen müssen. Auch die Kantorei sei nicht boykottiert worden. Angesichts schwindender Mitgliederzahlen sei über einen Neuanfang nachgedacht worden.

Pastor Lungfiel beurteilt die Zusammenarbeit mit seinem Kollegen als „hoffnungsvolle gedeihliche Entwicklung vier Jahre lang – vom KGR unterminiert bis an diesen Punkt: dass beide Pastoren entfernt wurden“. Der KGR habe mit Pröpstin Murmann dafür gesorgt, dass Konflikte nicht gelöst wurden. „Gerüchte haben inzwischen meinen guten Ruf beschädigt. Ich muss mich sorgen um meine berufliche Zukunft in Hamburg, wo ich fest verwurzelt bin“, sagt Gottfried Lungfiel.

Ab Dezember wird Pastor Rainer Aue als Vertretungspastor viele Aufgaben in der Pfarrstelle Kirchwerder übernehmen. Derzeit ist der noch in Barsbüttel tätig. Zudem unterstützt Pastor Joachim Masch aus Bergedorf.