Achim Sperber gewährt Blick hinter die Kulissen - nebenan entsteht die neue Wache
Weithin ist er zu sehen, der etwa zwölf Meter hohe Schlauchturm des alten Feuerwehrhauses am Kirchwerder Elbdeich - und manchmal auch zu hören, denn die Sirene oben funktioniert noch einwandfrei.
So kommt für den vielseitigen Achim Sperber (65), den Fotografen, -designer, -journalisten und Maler noch ein Job dazu, nämlich der des Sirenenwarts. Vor etwa 20 Jahren hat er das um 1900 gebaute, alte Gemäuer gekauft und als Künstleratelier und besonderes Refugium hergerichtet.
Hinter dem großen, grünen Holztor, wo früher die von Pferden gezogenen Löschwagen standen, sind heute unter anderem 350 000 Dias untergebracht. "Ich habe 120 Länder der Erde bereist", sagt Achim Sperber und schaut an den Regalen voller Ordner hoch. Ob China, Japan, Australien oder Streifzüge durch nordische Gefilde - eine professionelle Kamera-Ausrüstung war natürlich immer dabei. Ein Teil der Schätze findet sich in Büchern wie "Lucky City" und Reiseführern wieder. Die sind im ersten Stockwerk des Turms untergebracht - doch soweit sind wir noch nicht. Erst einmal geht es über eine schmale Tür ins Atelier.
Ein melodisches Klingeln begleitet das Eintreten - eine Reihe Glocken, mit denen früher im Elternhaus zum Essen "gerufen" wurde, nimmt beim Bewegen der Tür ihre Arbeit auf. Der kleine, vielleicht zwölf Quadratmeter große Raum quillt über vor Material, Erinnerungsstücken und Leinwänden. Hier wird Achim Sperber zu "Joe Eagle", dem Maler, der gern mit Sand, Erde, Asche und Teer aus aller Welt und elastischem Kleber auf Leinwand arbeitet. "Der Mörser ist ein ganz wichtiges Utensil, mit dem Steine zermalen werden", sagt er. Sonnenstrahlen arbeiten sich durch eine Glasflaschensammlung, die auf schmalen Regalen vor einem hohen Fenster aufgereiht ist. Joe Eagle greift zu einem breiten Quastenpinsel und fegt überschüssiges Material von einer Leinwand. Zum Vorschein kommt ein Kreuz, Teil der Ausstellung in Börnsen, die morgen eröffnet wird.
Jedes Detail in diesem Raum erzählt eine Geschichte. Unter der Holzdecke hängen Puppen, die Achim Sperber aus den USA mitgebracht hat, eine Maske aus Kenia ("Da hab ich 1972 die totale Sonnenfinsternis fotografiert"), ein Schirm von der ersten Japanreise und eine Milchkanne. "Der Milchkanne ist es irgendwie zu verdanken, dass die alte Feuerwache heute mir gehört", sagt Achim Sperber. Die Familie wohnte lange in unmittelbarer Nachbarschaft und holte ihre Milch natürlich bei Bauer Kahl nebenan. Damals habe seine sechsjährige Tochter Lydia immer an dem Turm aufgeschaut und gesagt: "Papa, wenn ich mal groß bin, dann möchte ich so ein Haus mit Turm haben." Jahre später bot sich die Gelegenheit zum Kauf und Sperber griff zu. "Damals waren darin etwa 30 000 leere Sandsäcke gelagert", erinnert er sich. Sie wurden ausgelagert und kamen beim ersten großen Oder-Hochwasser tatsächlich noch zum Einsatz.
Zwölf sehr steile Stufen führen vom Atelier hoch ins erste Stockwerk des Turms, der früher ohne Zwischenböden dem Trocknen der Feuerwehrschläuche diente. Auf der Zwischenetage hat Achim Sperber eine Art Büro eingerichtet, mit Leuchttischen zum Ansehen von Dias und Negativen, mit Regalen voller Reiseführer und Bücher, mit Erinnerungen an die Anfänge als Fotojournalist 1975. Lächelnd nimmt Sperber eine digitale Spiegelreflexkamera aus dem Jahr 1999 in die Hand, ein Riesengeschütz, dessen Speicherkarte mit eher mageren 32 Megabyte so groß war wie eine Zigarettenschachtel, wenn auch wesentlich flacher. Am Fenster stehen sich Figuren der diktatorischen chinesischen Politiker Mao und Chiang Kai-shek gegenüber. Eine Szene mit feiner Ironie, denn es wirkt, als ohrfeige die zum Gruß erhobene Hand von Mao den Gegenspieler.
Noch einmal geht es eine steile Holztreppe hinauf ins oberste Stockwerk. Hier lädt ein gemütliches Sofa zum Entspannen ein. Hier finden sich auch der Flaschenzug und der dicke Balken mit den Aufhängevorrichtungen aus holzummantelten Metallbolzen für die Schläuche. Die großen Fenster erlauben eine prächtige Aussicht - unter anderem auf die Baustelle der FF Kirchwerder-Süd. Am Montag wird dort der Grundstein für die neue Wache gelegt. Die Feuerwehr, 1890 gegründet, kehrt quasi nach Hause zurück, denn das alte Haus am Kirchwerder Elbdeich war ihr erstes Heim vor dem Umzug an den Sander Deichweg. Verbunden sind alt und neu auch aktuell: Die Baustelle wird mit Strom aus dem alten Schlauchturm gespeist.