Kirchwerder. Erstmals ist am Wochenende ein Wolf in Hamburg gesichtet worden. Das scheue Tier ließ sich zunächst in Kirchwerder, später in Neuengamme blicken.

Ein Foto, das auf dem Hof Eggers in Kirchwerder gemacht wurde, zeigt ein verdutzt wirkendes Tier am Wegesrand. „Es ist eindeutig ein Wolf“, sagt Jens Matzen, ehrenamtlicher Wolfsbetreuer aus Stolpe. Das bestätigten ihm auch Experten der TU Dresden. Nicht nur das Auftreten, Fellzeichnung und Körperbau wiesen den etwa einjährigen Wolf aus. Matzen hat in Kirchwerder zudem zweifelsfrei Spuren des streng geschützten Wildtiers entdeckt. Danach ist der menschenscheue Wolf mit großen Sprüngen geflüchtet und durchschwamm sogar das eiskalte Wasser des Gose-Elbe-Grabens, nachdem er die Fotoaktion bemerkt hatte. Anders als es Rotkäppchen-Märchen glauben machen wollen, meidet der Wolf die Nähe zu Menschen. „Er ist für sie keine Gefahr. Sie gehören absolut nicht in sein Beuteschema,“ sagt Matzen. Auf seinem Speiseplan stehen vielmehr Rehwild, Hasen und auch Mäuse.

Vermutlich ist der junge Wolf auf der Suche nach einem eigenen Revier von Mecklenburg kommend auf der Nordseite der Elbe bis nach Vierlanden gelaufen. „Er kann locker bis zu 60 Kilometer pro Tag oder Nacht schaffen“, sagt Matzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er das Hamburger Stadtgebiet schon wieder verlassen. Denn das Tier hat einen großen Aktionsradius und braucht tagsüber eine ruhige Ecke in einem Feldgehölz. Bedingungen, die ihm das dicht besiedelte Hamburg nicht bieten kann.

Der Wolf galt in Deutschland fast 200 Jahre lang als so gut wie ausgerottet. Nach dem Fall der Mauer kam er zurück. Nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland gibt es bundesweit etwa 20 Wolfsrudel. Die meisten leben in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt.

Der Wolf ist auf Reviersuche

Einen Wolf vor die Linse seines Fotoapparates zu bekommen, ist ein absoluter Glücksfall, „ein faszinierender Augenblick, fast wie ein Fünfer im Lotto“, sagt Wolfsexperte Jens Matzen. Die Tiere sind nicht nur selten, sondern auch scheu und lieber nachts als tagsüber unterwegs.

„Wir freuen uns sehr, dass der Wolf wieder zurückgekehrt ist“, sagt Henning Beeken, der gemeinsam mit seiner Familie das Tier am Karfreitag gesehen hat. Und natürlich freut er sich, wenn Gäste den Bio-Hof in der Ohe am Kirchwerder Mühlendamm besuchen, denn er hat viel zu bieten. „Doch“, mahnt er alle Wolfsinteressierten, „es macht jetzt keinen Sinn, hier nach dem Wolf zu fahnden.“ Im Gegenteil. Das die Ruhe liebende Wildtier ist keinesfalls auf dem Hof oder in der Nähe beheimatet. Gleiches gilt für das Kiebitzbrack, wo der Wolf ebenfalls gesichtet worden sein soll. Jäger Frank Köther bestätigt zwar eine Wolfsfährte in dem Gebiet. Doch tatsächlich dürfte Vierlanden höchstens ein Streifgebiet des jungen Wolfes sein, denn dort locken weder ein Wolfsweibchen, noch ein genügend großes Revier.

Auch Jens Matzen vom Freundeskreis freilebender Wölfe geht davon aus, dass der Einzelgänger bereits weitergezogen ist. Tatsächlich bietet die Dichte des Straßennetzes in Hamburg nicht genügend Raum und Ruhe für einen Wolf. Bekannte Reviergrößen in Polen variieren zwischen 150 und 350 Quadratkilometern. Wie weit Wölfe wandern, zeigt ein im Winter vergangenen Jahres in Dänemark tot aufgefundener Rüde. Er stammte nachweislich aus der Lausitz und legte binnen zwei Jahren mehr als 700 Kilometer Luftlinie bis nach Dänemark zurück.

Viele Wölfe sind schon genetisch in Datenbanken erfasst. Das Senkenberg Institut in Gelnhausen ist seit 2009 „Nationales Referenzzentrum für genetische Untersuchungen bei Luchs und Wolf“. Anhand von Fährten, Haar- und Kotspuren sowie durch die Untersuchung toter Wölfe können die Forscher die Verbreitungswege der Tiere verfolgen. Wölfe sind in Deutschland streng geschützt und dürfen nicht gejagt werden.

Informationen zu Wölfen bietet unter anderem die Homepage des Freundeskreises freilebender Wölfe unter www.lausitz-wolf.de und das Wolfsinformationszentrum im Wildpark Eekholt, Telefon 0174-6330335, www.wildpark-eekholt.de .