Zollenspieker. Als die ersten Kinder in der Schule Zollenspieker unterrichtet wurden, herrschten strenge Regeln: Damals, vor 125 Jahren, mussten die Schüler jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn ein Gebet für den Kaiser sprechen, wurde regelmäßig die Sauberkeit ihrer Fingernägel und Stofftaschentücher kontrolliert, traten die Kinder aus den Tisch-Sitzbank-Kombinationen heraus, sobald der Lehrer die Klasse betrat.
Inzwischen geht es in der Grundschule mit Vorschulklasse am Kirchenheerweg 223 lockerer zu. Derzeit arbeiten die etwa 150 Kinder in einer Projektwoche die Unterschiede zwischen dem Schulalltag damals und heute heraus. Anlass für diese Forschungsarbeit ist das 125-jährige Bestehen der Schule. Am Freitag und Sonnabend, 8. und 9. Mai, wird es groß gefeiert.
"Die Grundschule Zollenspieker ist eine der ältesten Schulen in dieser Region", sagt Schulleiterin Gabriele Bonschenk (45). Das heutige Gebäude entstand allerdings erst 1920. Das Haus, in dem seit 1884 unterrichtet wurde, war zu klein geworden und musste abgerissen werden. In den 1980er-Jahren wurden zwei Pavillons errichtet. Einer wird für den Musik- und Werkunterricht genutzt, der andere diente als Turnraum, wurde vor kurzem abgerissen.
"Vor 125 Jahren war unsere Schule eine Volksschule mit etwa 200 Schülern", sagt Gabriele Bonschenk. Neu war damals, dass die Kinder und Jugendlichen nur vormittags unterrichtet wurden und nicht, wie etwa in der Volksschule Howe, jeweils drei Stunden am Vor- und am Nachmittag. "Damals gab es hier nur ein bis zwei Lehrer", sagt die Schulleiterin. Heute sind es neun - ausnahmslos weibliche Lehrkräfte. "Ein reiner Zufall", sagt Gabriele Bonschenk schmunzelnd. In den 1920er-Jahren stieg die Zahl der Lehrer in Zollenspieker, weil die Bezahlung verbessert und neben dem Hauptgebäude ein Lehrerhaus gebaut wurde. In den Klassenräumen drängten sich bis zu 50 Kinder. Heute werden bis zu 30 Kinder pro Klasse unterrichtet.
In der Zeit des Zweiten Weltkrieges hatten die Zollenspieker Schüler - wie auch alle anderen Kinder im Landgebiet - ein besonders kuriose Aufgabe zu erfüllen: Sie waren zur Seidenraupenzucht an Maulbeerbüschen verpflichtet. Hintergrund: Aus der Seide sollten Fallschirme gesponnen werden.
Beginn des Jubiläumsfestes ist am Freitagvormittag mit einem Sponsorenlauf: Jeder Schüler läuft mindestens eine mehrere hundert Meter lange Runde um den Pavillon zwischen Hauptgebäude und Sporthalle, um möglichst viel Geld für ein neues Groß-Spielgerät einzuheimsen. Abends feiern Eltern und Lehrer in der neuen Turnhalle. Dort sind am Sonnabend ab 14 Uhr auch "Ehemalige" und Freunde der Schule willkommen. Nach der offiziellen Einweihung der neuen Einfeldhalle, auf deren Bau viele Schüler-Generationen warten mussten, wird Spiel und Spaß auf dem Schulgelände geboten - Schminken, Hüpfburg, Dosenwerfen und mehr. Für die Erwachsenen stehen Kaffee und Kuchen parat.
Im Musikpavillon wird die Ausstellung "Schule und Leben früher" aufgebaut. Zu sehen sind dort unter anderem alte Schulmöbel, Zeugnisse, Tintenfässer und Trachten - Leihgaben des Schulmuseums, des SCVM und von Privatleuten.
"Damals gab es hier nur ein bis zwei Lehrer."
Gabriele Bonschenk