Ochsenwerder. Rhabarberblätter sind giftig und die rote Stange muss unbedingt geschält werden. „Räumen Sie bloß mit diesen Vorurteilen auf“, bittet Gärtnermeister Hartmut Kock (51) aus Ochsenwerder, „frischen Rhabarber muss man nicht schälen.“
Und wie ist es mit der Giftigkeit? „Es kommt immer auf die Konzentration an“, sagt Kock. Er muss es wissen, baut er doch seit 1980 Rhabarber an. Jetzt ist Hochsaison, stehen die „Bülten“ (Rhabarberköpfe) auf 15.000 Quadratmetern am Ochsenwerder Norderdeich dicht an dicht. Tatsächlich enthalten die Blätter der Rhabarberpflanze relativ viel Oxalsäure, die sie ungenießbar macht. Weniger konzentriert ist die Säure auch in den Stängeln enthalten – wie übrigens auch in Schokolade oder Tee.
Bevor Rhabarber als erfrischender Saft, Kompott, Marmelade oder Suppe in Europa Einzug hielt, war er als Medikament gefragt – beziehungsweise seine Wurzel. „In der Kinderzeit unserer Großeltern hatte der Rhabarber als Gemüse noch mit dem Vorurteil seines Namens zu kämpfen, Rha Barbarum, Barbarenwurz, die seit Jahrhunderten verwendete Bezeichnung seiner Wurzel als pharmazeutische Droge gegen Verhärtung des Leibes“, schreibt Dr. Torkild Hinrichsen in seinem Büchlein „Rhabarber, Rhabarber!“. Seinen Ursprung hat Rhabarber als Heilpflanze in Ostasien. Erst vor 250 Jahren entdeckten die Engländer, dass die Stängel essbar sind. In Vierlanden wird das Gemüse seit 1848 kultiviert.
Am Rhabarber scheiden sich die Geister, die einen mögen den herben Geschmack und loben den hohen Vitamin-K-Gehalt. Die anderen verabscheuen die stumpfen Zähne, die nach dem Genuss zu spüren sind; und warnen vor dem „Kalziumräuber“. Bis in die 1960er-Jahre war das „Vierländer Blut“ ein Erfolgsschlager. Dann aber liefen andere Gemüse ihm den Rang ab, „hatte der Rhabarber als erste frische Ware des Jahres ausgespielt“, schreibt Hinrichsen.
Seit einigen Jahren nimmt die Beliebtheit des Gemüses wieder zu. Das hat auch Gerd König (68) aus Kirchwerder beobachtet, der früher viel Rhabarber angebaut hat. Auch heute noch stehen „einige Bülten für den Hausgebrauch“ im Garten. „Im Rhabarberkuchen mag ich ihn am liebsten“, sagt König. Ob grün oder rot – Rhabarber schmeckt Inge und Hartmut Kock in jeder Farbvariante. Die roten Stangen sollen süßer sein als die herb-sauren grünen. Wissenschaftlich belegt ist das aber nicht. Doch „das Auge isst mit“, weiß Kock und greift gern zu den roten Stängeln.
Die Ernte des Rhabarbers ist aufwendige Handarbeit. Jeder Stängel wird aus dem Rhabarberkopf gezogen, das untere Blatt entfernt, die oberen, grünen Blätter beherzt mit einem scharfen Messer abgeschlagen. 30 bis 50 Zentimeter lang sind die Stangen, „ein bisschen Grün bleibt dran“, sagt Kock, der auch an den Großmarkt und auf dem Wochenmarkt verkauft, „das sieht hübscher aus und man weiß gleich, ob der Rhabarber frisch ist.“ Sind die Schnittstellen hell und saftig, so ist es auch das Gemüse. Alte Stangen werden weich, ihre Ränder vertrocknen. Bei Familie Kock gehört Rhabarber jetzt auf den Speiseplan. Ein Suppen-Rezept hat Inge Kock für unsere Leser parat – neben Rhabarber gehören Rosinen dazu (siehe Link unten). „Im Kochbuch der Ochsenwerder Landfrauen gibt es weitere Rhabarberrezepte“, sagt sie. Wer sich für ein Exemplar (15 Euro) interessiert, kann sich bei ihr melden, Telefon: (040) 7372366.