Hamburg. Was wird aus der Anfang November unterbrochenen Fußballsaison? Darüber herrscht unter den Clubs Uneinigkeit.

Mit seinen Fußballern steht Sören Deutsch, Trainer des TSV Glinde, glänzend da. Ungeschlagen rangieren die Stormarner in der Bezirksliga nach vier Spiel­tagen auf dem zweiten Tabellenplatz, punktgleich mit Spitzenreiter SC Wentorf. Seit November ist die Serie wegen des Teil-Lockdowns unterbrochen. Wann sie fortgesetzt werden kann, steht in den Sternen. Doch eines ist klar: Je kürzer die Saison ausfällt, umso größer sind die Chancen für beide Clubs, in die Landesliga aufzusteigen.

Doch wie weit lässt sich eine Saison coronabedingt herunterkürzen, ohne dass der sportliche Wert verloren geht? Wie soll der Fußball in den kommenden Monaten mit den Herausforderungen durch die Pandemie umgehen? Um solche Themen ging es bei der Online-Befragung, die der Hamburger Fußball-Verband (HFV) in den vergangenen Tagen unter seinen Mitgliedsvereinen durchgeführt hat.

Vereine wollen Wertung auch ohne volle Hinrunde

Das Ergebnis ist eine Überraschung: Die Mehrheit der Vereine plädiert dafür, die Saison auch dann zu werten, wenn keine volle Hinserie gespielt werden kann. Die meisten Clubs halten eine Wertung bereits nach drei Viertel der Hinrunden-Spiele für angemessen. In der Bezirksliga wären das nach zwölf von 16 Spieltagen. „Das ist erschreckend“, sagt Deutsch, „eine Saison zu werten, wenn noch nicht einmal jeder gegen jeden gespielt hat, das hat mit Fairness nichts zu tun.“

Ähnlich sieht es Slavec Rogowski. „Die vier Spieltage machen einen großen Unterschied“, betont der Wentorfer Trainer. „Das ist wie auf der Zielgeraden beim 100-Meter-Lauf. Da kann man noch eine Menge herausholen.“

Viele rechnen mit Fußball nicht vor April

Folglich haben der TSV Glinde und der SC Wentorf gegen die Mehrheit dafür plädiert, dass zumindest eine volle Hinrunde absolviert sein muss, bevor es Auf- und Absteiger geben kann, auch wenn das die eigenen Meisterschaftsträume wieder ein Stück in die Ferne rückt.

Beim SV Curslack-Neuengamme hielt der Vorsitzende Hartmut Helmke sogar online eine Vorstandssitzung mit sieben Personen ab, um die Antworten des Vereins festzulegen. Doch er glaubt nicht, dass es am Ende mehr als ein Muster ohne Wert sein wird. „Wir waren uns eigentlich alle einig, dass vor April kein Fußball gespielt werden kann“, schildert er. Was dann aus der Saison wird, ist fraglich. Bei einer Video-Konferenz mit dem HFV platzte Helmke daher kürzlich der Kragen. „Als Präsident Dirk Fischer davon sprach, dass wir vielleicht schon vor Weihnachten auf den Platz können, habe ich gesagt: ,Hört auf zu träumen!’“

Fünf Einwechslungen und spontane Spielverlegungen

Für HFV-Sprecher Carsten Byernetzki ist dies ein typisches Beispiel für die Probleme, mit denen der Verband sich im Dialog mit den Vereinen auseinandersetzen muss: „Im Frühjahr hat Hartmut Helmke den HFV noch für seine Zögerlichkeit kritisiert, jetzt tritt er selbst auf die Bremse“, berichtet Byernetzki. „Das ist vollkommen richtig“, gibt der SVCN-Vorsitzende zu, „aber die Umstände haben sich auch völlig verändert.“

Groß war unter den Clubs die Bereitschaft, Regeländerungen zuzulassen. 81 Prozent stimmten für fünf statt drei Einwechselungen. 79 Prozent der Clubs traten dafür ein, eine Partie kurzerhand zum Gegner oder auf einen neutralen Platz zu verlegen, wenn an einem Ort nicht gespielt werden kann. „Da bin ich absolut dafür“, pflichtet Jan Krey, Coach des SV Altengamme, bei. „Mancher mag Bedenken wegen seiner Sponsoren haben, aber dies ist eine Ausnahmesituation. Eine gerechte Saison wird es nicht geben.“

Sieben von zehn Clubs machten mit

Simon Gottschling, Coach des Landesligisten Oststeinbeker SV, hat sich deshalb gar nicht erst an der Umfrage beteiligt. „Am Ende macht der Verband ohnehin, was er will“, ist er überzeugt. Insgesamt haben 58 Prozent der Vereine den Online-Fragebogen beantwortet, im Herrenbereich sogar 69 Prozent. „Ich hätte noch mehr erwartet. Es geht doch um unser Hobby“, bedauert Deutsch. „69 Prozent sind sehr gut. Die Vereine ziehen mit“, hält Krey dagegen. Ähnlich sieht es Helmke: „Wenn eine neue Handelskammer gewählt wird, beteiligen sich vielleicht 15 Prozent der Firmen.“

Was der Verband aus dem Feedback der Vereine machen wird, ist offen. „Nicht alles lässt sich sofort umsetzen“, erläutert Byernetzki, „zum Beispiel müssen die fünf Auswechselungen erst in der Spielordnung verankert werden.“

Die Ergebnisse der Befragung im Überblick:

Beteiligt haben sich 58 Prozent aller Vereine, im Herrenbereich sogar 69 Prozent der Clubs. Die wichtigsten Ergebnisse:

Wertung der laufenden Saison: Von 143 Vereinen, die sich zu dieser Frage geäußert haben, treten 49 Clubs (34 Prozent) dafür ein, dass eine volle Hinserie absolviert sein muss, damit die Saison gewertet werden kann. Sie plädieren also dafür, dass jede Mannschaft zumindest einmal gegen jedes andere Team aus der Staffel gespielt haben muss, bevor es Auf- und Absteiger geben kann. 84 Vereine (59 Prozent) – und damit die Mehrheit – halten diese Voraussetzung nicht für notwendig. Sie möchten die Saison auch werten, wenn nur drei Viertel oder weniger einer Hinrunde absolviert worden sind. Davon halten 50 Clubs (35 Prozent) drei Viertel der Hinrunden-Spiele für ein angemessenes Maß. Immerhin 34 Clubs (24 Prozent) würden die Spielzeit aber auch werten, wenn nicht einmal drei Viertel aller Hinrunden-Spiele absolviert werden können. Zehn Vereine enthielten sich.

Abstieg: 58 Prozent der Vereine sind dafür, dass es keinen Abstieg geben kann, wenn ein Club nicht das erforderliche Mindestmaß an Partien erreicht, um die Saison zu werten. 24 Prozent der Vereine hingegen sind der Ansicht, dass dann der Zwangsabstieg folgen müsse, um Schummeleien zu unterbinden.

Saison 2021/22: In der laufenden Saison wird mit aufgestockten Staffeln gespielt, weil es nach dem Saisonabbruch im Frühjahr Aufsteiger, aber keine Absteiger gab. 70 Prozent der Vereine wünschen sich, dass mit dieser aufgestockten Staffelgröße auch in der kommenden Saison weitergespielt wird. 30 Prozent der Clubs hingegen möchten zu den kleineren Staffelgrößen der Vor-Corona-Zeit zurückkehren.

Einwechselspieler: 79 Prozent der Clubs votieren dafür, dass künftig fünf statt bisher drei Einwechselspieler erlaubt sein sollen, um die Belastung besser verteilen zu können.

Sperren: 95 Prozent der Vereine plädieren dafür, dass sich die Sperren von Spielern nicht durch die Corona-Pandemie verlängern. Dies betrifft ausschließlich die Fälle einer automatischen Halbjahressperre, die immer dann eintritt, wenn bei einem Vereinswechsel der abgebende Verein nicht zugestimmt hat.

Regionalliga-Aufsteiger: Dieser soll über den Quotienten (Punkte geteilt durch absolvierte Spiele) vergeben werden, falls die Saison in der Oberliga abgebrochen wird. Dafür stimmten 53 Prozent der Clubs.

Platztausch: 79 Prozent der Vereine stimmten dafür, dass ein Verein sein Heimrecht verliert, wenn auf seiner Anlage nicht gespielt werden kann. Stattdessen soll dann beim Gegner oder auf einem neutralen Platz gespielt werden.