Bergedorf. Nach ihm ist sogar eine Sporthalle benannt: Das Urgestein der TSG Bergedorf hat einen bemerkenswerten Lebensweg hinter sich.

Das Einzige, was die furchtlosen Gallier fürchten, ist, dass ihnen der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Bei Werner Schröder ist es nicht der Himmel, sondern die Decke. Und die ist schon gefallen – wegen Corona. „Mein ganzer Tagesrhythmus ist weg“, hadert der 92-Jährige über die Langeweile im Lockdown.

Ob nun das Skatspielen bei der Awo im H4-Hotel, das wöchentliche Training bei den Prellballern des SC Wentorf, die Arbeit im Archiv der TSG Bergedorf, das gemeinsame Schauen der HSV-Spiele im Fernsehen und vieles mehr – Werner Schröder, von allen nur „Erbse“ genannt, war vor der Pandemie trotz seines Alters jeden Tag von früh bis spät unterwegs. „Wenn du mich noch fragen solltest, was mein Geheimnis ist: Man muss immer losgehen. Wer sich zu Hause nur auf den Stuhl setzt, ist meistens schon verloren“, betont Schröder.

Als Fußballer der TSG Bergedorf im Jahr 1968.
Als Fußballer der TSG Bergedorf im Jahr 1968. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Doch unterkriegen lässt sich der einzige lebende Bergedorfer, nach dem eine Sporthalle benannt ist, nicht. Seit 2012 trägt die Halle der TSG Bergedorf Am Bult offiziell den Namen „Werner Schröder Halle“. Zum einen hatte sich „Erbse“ über Jahrzehnte bei der TSG beziehungsweise deren Vorläufer, der Bergedorfer Turnerschaft (BT 60), in verschiedenen ehrenamtlichen Positionen verdient gemacht. Zum anderen half er der TSG Bergedorf mit großzügigen Spenden und Darlehen aus der Patsche, als es um den Verein vor rund 15 Jahren finanziell nicht gut bestellt war.

Videokonferenzen auch mit 92 Jahren

„Man muss sich Arbeit suchen“, hat sich Schröder (Jahrgang 1927) gesagt. Weil dem Witwer – seine Elfriede ist seit 21 Jahren tot – spazieren gehen zu langweilig ist, hat er zu Hause in Lohbrügge klar Schiff gemacht. Und da „Erbse“ mit der Zeit geht, ein Handy und einen Computer hat, kann er auch an den Videokonferenzen des erweiterten TSG-Vorstands teilnehmen. Sein nächstes, für sein Alter ungewöhnliches Projekt: Er will sich das neue E-Paper unserer Zeitung zulegen.

Nie aufstecken, das galt für ihn schon immer. Als sein Vater Fritz Schröder wegen Verteilung von Flugblättern für die Kommunistische Partei Deutschland ab 1935 ein Jahr lang im Konzentrationslager Fuhlsbüttel inhaftiert war, musste der zweitälteste Sohn unter acht Kindern früh Verantwortung übernehmen.

Schröder war mal Gemüsehändler – daher der Spitzname „Erbse“

Dass Werner Schröder später selbst in der Hitler-Jugend war, so vermutet er, könnte der Grund gewesen sein, warum die Nazis seinen Vater später in Ruhe ließen. In den letzten Kriegstagen sollte Werner Schröder mit 80 weiteren Jugendlichen dann die Engländer an der Einnahme Hamburgs hindern. „Zum Glück sind uns Soldaten entgegengekommen und haben uns nach Hause geschickt“, sagt er.

Werner Schröder spielt immer noch aktiv Prellball (hier ein Foto aus dem Jahr 2013).
Werner Schröder spielt immer noch aktiv Prellball (hier ein Foto aus dem Jahr 2013). © Thomas Rokos | Thomas Rokos

In den Nachkriegsjahren versuchte sich „Erbse“ dann in diversen Jobs, um seine Familie zu ernähren. „Die 1950er-Jahre waren hart, um Fuß zu fassen“, blickt er zurück. Er war Kaufmann bei der hanseatischen Motorengesellschaft, hatte eine Weingroßhandlung, einen Süßwarenhandel, er war Hallenwart Am Bult und selbstständiger Gemüsehändler an der ehemaligen Kampchausssee (heute Kurt-A.-Körber-Chaussee). Daher stammt übrigens der Spitzname. Die unstete Zeit endete erst, als er 1961 beim Autohaus „Wulff & Bartsch“ einstieg, das er im Jahr 2000 schließlich kaufte.

Die Konstante im Leben des Werner Schröder war derweil immer der Sport. Am 1. September 1940 hatte er sich durch das Austragen von Zeitungen so viel Taschengeld verdient, dass er in die Turnabteilung der BT 60 eintreten konnte. 1949 wechselte er zum Fußball. Ab 1953 war er dann Jugendleiter und von 1954 bis 1969 schließlich Obmann und Jugendtrainer in Personalunion. „Bei Wulff und Bartsch habe ich nur angefangen, weil ich mittwochs immer früh nach Hause durfte, um Jugendtraining zu geben“, erinnert sich „Erbse“. Von 15 bis 19 Uhr trainierte er auf dem Frascati-Platz nacheinander erst alle Nachwuchsmannschaften und trat anschließend auch noch selbst gegen den Ball.

Lange Liste an ehrenamtlicher Tätigkeit und Auszeichnungen

Später war vier Jahre Kassenwart der TSG (1969-1973), Landesfachwart der Prellballer (1976-1987) und nach einer 13-jährigen Pause ohne festes Ehrenamt ist er seit 2000 bei der TSG der Abteilungsleiter der „Baschis“ – einem Zusammenschluss ehemaliger männlicher Funktionsträger der TSG, die sich um die Pflege des Vereinsarchivs sowie die Aufrechterhaltung der TSG-Traditionen kümmern.

Die Liste seiner Auszeichnungen ist ähnlich lang. Hervorzuheben sind vielleicht die Verleihung der Goldenen Ehrennadel der TSG Bergedorf (1970), die Verleihung der Ehrennadel des Deutschen Fußball-Bundes (1986) und die Ernennung zum Ehrenmitglied der TSG Bergedorf (2007).

Schon immer ein Händchen fürs Organisieren gehabt

Organisieren, die Leute zu animieren – diese Fähigkeit hat er bereits seit jungen Jahren. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er eine der ersten FDJ-Gruppen. Die aus der DDR bekannte Freie Deutsche Jugend gab es anfangs auch in Westdeutschland. „Die Jugend musste sich ja wieder treffen können. So haben wir Liederabende veranstaltet oder Volkstanzgruppen ins Leben gerufen“, sagt „Erbse“ Schröder.

Auch der Familienurlaub – früher gab es nur drei Wochen im Jahr – stand im Zeichen des ehrenamtlichen Engagement. Viele Jahre verbrachte seine ganze Familie die Zeit im Zeltlager der TSG Bergedorf in Behrensdorf an der Ostsee.

Mit Reisen hat es Schröder derweil nicht so. In seinem langen Leben ist nur zwei Mal geflogen. Aus Orten macht er sich einfach nicht so viel. So verwundert die Aufzählung seiner Lieblingsorte (siehe Kasten) wenig. „Erbse“ geht es um die Menschen. Deshalb organisierte er ab 1962 auch regelmäßige Klassentreffen. Nach dem 37. im Jahr 2013 war dann aber Schluss. Die Mitschüler waren einfach alle gestorben oder zu gebrechlich. Werner „Erbse“ Schröder merkt man dagegen die Jahre kaum an, wenn er zu Hause in seinen Keller geht. Nicht umsonst spielt der Bergedorfer Jung, der vor ein paar Jahren noch den Fassanstich beim Oktoberfest gemacht hat, immer noch aktiv Prellball.

Sein finanzielles Engagement für die TSG begründet er derweil so: „In jungen Jahren habe ich viel Gutes vom Verein gehabt. Jetzt habe ich die Möglichkeit, es wieder gutzumachen.“

Am Sonnabend, 5. Dezember, feiert Werner Schröder seinen 93. Geburtstag. Gleichzeitig ist das der „Internationale Tag des Ehrenamts“ – ein passenderes Datum könnte es dafür kaum geben.