Wentorf/Bergedorf. 1965, im Gründungsjahr der TSG Bergedorf, stiegen die Fußballer des Vereins in die 3. Liga auf.

Es gibt sie in jedem Verein: die magischen Momente. In einer Serie stellen wir Höhepunkte aus der Geschichte unserer Clubs vor. Heute: der Aufstieg der Fußballer der TSG Bergedorf im Jahr 1965 in die höchste Hamburger Liga, der damals dritthöchsten Spielklasse Deutschlands.

Als die Helden von einst für den Fototermin mit dem Reporter ihre alte Spielstätte betreten, verschlägt es ihnen fast die Sprache. „Nee, nee, nee“, ist immer wieder zu hören. Teilweise hüfthoch steht das Unkraut auf der Fläche, die früher mal ein Fußball-Rasenplatz war. Heute zeugen auf der Marienburg in Wentorf nur noch die Torpfosten davon, dass die TSG hier bis vor elf Jahren ihre Heimspiele ausgetragen hat. „Da kommen einem ja die Tränen“, entfährt es Wolfgang Drühmel.

Früher vor 2500 Zuschauern gespielt

Als der heute 75-Jährige das alte Sprecherhäuschen betritt, muss er aufpassen, dass er nicht in der morschen Bodenplatte einbricht. Er und seine Mitstreiter haben die Marienburg ganz anders in Erinnerung: als Spielstätte ihrer großen Triumphe und Erfolge. Im ersten Spiel nach dem Aufstieg in die Landesliga, wie die Klasse damals hieß, drängten sich 2500 Zuschauer dicht an dicht auf der kleinen Stehtraverse.

Weniger als 500 Fans kamen eigentlich nie. Die Straßen waren regelmäßig vollgeparkt. „Woche für Woche musste ich mich mit der Behörde und der Polizei wegen der Falschparker rumstreiten“, erinnert sich der damalige Fußball-Obmann, der heute 92-jährige Werner Schröder, genannt „Erbse“ – er war früher mal Gemüsehändler.

„Floh, wie heißt du mit Vornamen?“

Bis heute treffen sich Schröder und die Akteure der Erfolgsmannschaft, die noch leben, einmal im Jahr, um über alte Anekdoten zu plaudern – wie über die „linke Klebe“ ihres Mitspielers Wolfgang Herder. „Der hatte einen so harten Bumms, gegen DuWo 08 hat er mal einen aus der Mauer geschossen. Da kann ich mich heute noch drüber freuen“, schmunzelt „Hanne“ Müller.

Überhaupt die Spitznamen. Die haben die Haudegen drauf. Mit den richtigen Namen ist das dagegen so eine Sache: „Das ist Reinhard Wendt, du kannst aber Lutz schreiben. Anders kennt ihn keiner“, betont Drühmel, der spätere Liga-Obmann und 2. Vorsitzende des SV Börnsen, als es um die Beschriftung des Zeitungsfotos geht. Bei Sportskamerad Wamser muss er dann aber passen: „Floh, wie heißt du mit Vornamen?“, fragt Drühmel. Antwort: Rolf. „Ich habe früher 63 Kilo gewogen“, erklärt dieser.

Eines wird sofort deutlich: Das Erfolgsgeheimnis der TSG-Recken liegt in der Kameradschaft. Früher trafen sie sich am Vortag der Spiele immer bei Mutter Drühmel zum Kaffeetrinken. „Das war ungeschriebenes Gesetz. Da haben wir das Spiel durchgekaut und im Grunde die Partie schon gewonnen“, sagt Wolfgang Drühmel.

Pro Sieg zehn Mark bekommen

Gefeiert wurde dann nach dem Abpfiff im Clubheim. Oft bis tief in die Nacht. „Da ist auch das Geld geblieben, das wir gekriegt haben“, erzählt „Hanne“ Müller. Pro Spieler gab es zehn D-Mark für einen Heimsieg in die Mannschaftskasse und 15 für einen Auswärtserfolg. Besonders rauschend war das Fest nach dem 3:0-Erfolg beim Post SV, nachdem der Aufstieg der TSG Bergedorf mit ihrem Trainer Fritz Wendt drei Spieltage vor dem Ende feststand. „Wie aus einem Guß“, titelte unsere Zeitung damals. Die einzige Saison-Niederlage kassierte das TSG-Team erst danach.

Bemerkenswert war zum einen, dass der Titel im ersten Jahr des Zusammenschlusses von Spiel und Sport sowie Bergedorfer Turnerschaft gelang. Kleine Randnotiz: Die Fußballer firmierten bereits ab 1964, also knapp ein Jahr vor der offiziellen Gründung, als TSG Bergedorf. Zum anderen gelang der Aufstieg mit sechs Spielern, die gerade den Jungmannen (heute A-Jugend) entwachsen waren. „Das war die mit Abstand beste Mannschaft, die wir jemals hatten“, betont „Hanne“ Müller.

Insgesamt sechs Jahre in der Landesliga

Vier Jahre hielt sich das Team in der Landesliga und kehrte 1971 noch einmal für zwei Saisons zurück. So erfolgreich war danach kein TSG-Team mehr. Sportliche Höhepunkte waren das 2:0 in der ersten DFB-Pokalrunde 1966 gegen den VfL Osnabrück vor 3000 Zuschauern auf der Marienburg sowie die Partien gegen den ASV Bergedorf 85, den großen Lokalrivalen. „Haben wir gegen die überhaupt mal gewonnen?“, fragt Drühmel in die Runde. „Nee“, antworten alle im Chor. Und einigen sich nach kurzer Beratung auf eine 0:7- sowie eine 1:2-Pleite. Letztere nach einem Drühmel-Eigentor.

Fußball hatte damals auch noch einen ganz anderen Stellenwert. In der Nacht vor einem Spiel in Geesthacht war etwa Torwart Peter Klose Vater geworden und erst um 4 Uhr im Bett. Um 10.45 Uhr stand er trotzdem zwischen den Pfosten. Das waren aber noch Zeiten, als der Rasen auf der Marienburg noch akkurat gemäht war.