Bergedorf. Ein Fußballnachmittag ohne Fußball, das ist das Thema dieser Reportage. – Naja, zumindest fast ohne Fußball.

Zugegeben, es ist schon eine verrückte Idee. Eine Rundtour von der Länge eines Fußballspiels samt Pause über die Sportplätze im Heimatgebiet, an einem Sonnabendnachmittag zu der Zeit, in der sonst gekickt wird. Was den Reporter erwartet, sind keine schwitzenden Spieler, aufgeregten Trainer, jubelnden Zuschauer. Keine Fahnen, kein Bratwürstchen-Duft, keine prostend aneinander geschlagenen Bierflaschen, keine Sky-Übertragung im Clubheim, keine NDR 2-Bundesliga-Show im Radio. Nichts von alldem, was ein Fußball-Wochenende vor der Corona-Pandemie ausgemacht hat. Es wartet das Schweigen der Sportplätze.

SV Altengamme nutzt Coronapause

Die erste Station ist der SV Altengamme. An den leeren Platz am Gammer Weg grenzt eine kleine Baustelle, abgesperrt mit Flatterband. Die cleveren Vierländer nutzen die Zwangspause, um einen Bereich neben dem Sportplatz neu zu pflastern.

Weiter nach Escheburg. Auch hier liegt das malerische Grün verwaist da. In Dassendorf hingegen nicht. Die Anlage am Wendelweg haben zwei Jugendliche zum Ziel ihrer Fahrradtour gemacht und kicken sich nun auf der Wiese vor dem Eingang die Bälle zu. Auf den Platz selbst kommen sie nicht, der ist mit Eisentoren verrammelt. Sogar ihren Parkplatz haben die sorgfältigen Dassendorfer mit Pollern blockiert. „Home of Hamburgs Champions“ steht stolz auf dem Schild über dem Eingang. Urig wie eine englische Fußballstätte wirkt das. Darunter die Jahre der Oberliga-Triumphe: 1999, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018. Die 2020 passt noch drauf, danach muss wohl ein neues Schild her.

Kunstrasen glitzert in der Sonne

Beim SC Wentorf und im Billtalstadion, wo die TSG Bergedorf ihre Spiele austrägt, glitzert der verwaiste Kunstrasen in der Sonne. Auch an den Sander Tannen, wo 1982 der ASV Bergedorf 85 im DFB-Pokal fast Bayern München geschlagen hätte, rührt sich nichts. Ganz anders auf dem Sportplatz 2000 in Neuallermöhe, wo der Aussiedlerverein Atlantik 97 zu Hause ist: Ein Vater hat einen Stangenwald aufgebaut, lässt seine Kinder Dribblings üben. Eine Fußballfamilie auf Entzug. Legal ist dieses Training nicht, aber verständlich.

Coronakrise hat soziale Komponente

Und plötzlich wird klar, dass die Coronakrise auch eine soziale Komponente hat. Während die Kinder der Wohlhabenden sich in ihren Gärten austoben, blicken hier in Neuallermöhe Tausende aus ihren Wohnungen auf eine der größten Wiesen der Region und das „Betreten verboten“-Schild davor. Sport ist der soziale Kitt der Gesellschaft, heißt es. Nun betonen die Politiker in der abendlichen Tagesschau, er sei „nicht systemrelevant“. Zumindest für diese Familien ist er es!

Diese Gedanken hallen noch nach, als das letzte Ziel in Sicht kommt. Das Stadion des SV Curslack-Neuengamme vor dramatischem Himmel – imposant! Es ist der idyllische Abschluss eines Fußballnachmittags ohne Fußball.