Dassendorf. Der Sprung in die 1. Bundesliga schien für Marcel Lenz zum Greifen nah. Heute überlässt er die Schlagzeilen gerne anderen.

Sieben Tage vor Heiligabend hat Marcel Lenz gemeinsam mit seinen Dassendorfer Mannschaftskameraden Amando Aust, Sven Möller und Finn Thomas die Spitzenpartie der Fußball-Bundesliga zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig (3:3) besucht. Für den 32 Jahre alten TuS-Verteidiger war es eine Reise in die Vergangenheit. „Da kamen schon Erinnerungen hoch“, sagt Lenz, der fast exakt zwölf Jahre zuvor selbst als Spieler auf dem Rasen des Westfalenstadions gestanden hatte - wenn auch nur zum Warmmachen.

In der Begegnung seines früheren Clubs Arminia Bielefeld am 7. Dezember 2007 beim BVB (1:6) stand der Defensivspezialist – damals noch unter seinem Geburtsnamen Stadel – im Kader der Gäste. Der Sprung in Deutschlands Beletage schien zum Greifen nah. Geschafft hat ihn der Dassendorfer Leistungsträger, über den die renommierte „Frankfurter Rundschau“ zu seinen Zeiten bei Kickers Offenbach (2010 bis 2013) schrieb: „Er verteidigt anders, er pflegt einen feineren Stil, eher das Florett statt des Säbels“, am Ende zwar nicht. Wehmut kommt deshalb beim Abwehrspieler aber nicht auf. „Ich bin einfach glücklich und dankbar, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte“, erklärt der Routinier.

Noch nie so wertvoll

Der aus dem westfälischen Bünde stammende Lenz hat sein Glück im fernen Dassendorf gefunden. Mit Ausnahme eines einjährigen Intermezzos beim SC Poppenbüttel (2015 bis 2016) ist der Verteidiger seit 2014 Stammkraft bei der TuS. Und nie war der 32-Jährige so wertvoll wie in dieser Saison. In allen bisherigen 21 Oberliga-Partien stand Lenz in der Startelf und zeigte dabei ausnahmslos überzeugende Leistungen. Er ist im prominent besetzten Aufgebot des Spitzenreiters so ein wenig der heimliche Star. Heimlich, weil die Schlagzeilen häufig den Kreativkräften gehören, während die tollen Leistungen der Dreierkette um Lenz, Aust und Kerim oder Rinik Carolus etwas untergehen. Dabei hat Dassendorf mit lediglich 16 Gegentoren die mit Abstand beste Abwehr der Liga.

Lenz könnte sich darüber beklagen, häufig im Schatten der Offensivspieler zu stehen. Doch das Rampenlicht ist ihm nicht wichtig. „So ist das nun mal als Verteidiger“, sagt der Mann, bei dem im Alter von 23 Jahren Diabetes Typ 1 festgestellt wurde. Seitdem muss er täglich Insulin spritzen, um eine Überzuckerung zu verhindern. „Das ist inzwischen zur Routine geworden“, erklärt der Dassendorfer. Doch nicht nur deswegen dreht sich in seinem Leben viel um Gesundheit. Vor einigen Monaten hat der 32-Jährige, der 2014 trotz laufenden Vertrags beim damaligen Drittligisten VfL Osnabrück seine Profikarriere beendete, sein Prüfung zum Heilpraktiker bestanden.

Praxis für Osteopathie eröffnet

Inzwischen hat er in Winterhude eine Praxis für Osteopathie eröffnet. Nach fünfjährigem Osteopathie-Studium nebst Heilpraktiker-Ausbildung hat Lenz also keine Gelegenheit, erst einmal durchzuschnaufen. Das könnte zum Problem für die TuS werden, bei der er noch bis 2021 im Wort steht. „Die Vereinbarung ist, dass wir bis dahin schauen, wie es sich zeitlich alles vereinbaren lässt. Danach gucken wir mal weiter“, sagt Lenz. Zumindest eineinhalb Jahre also kann Dassendorf auf seinen derzeit vielleicht wertvollsten Spieler wohl noch zurückgreifen.